US-Strafzölle Die gute Seite des Handelskriegs

Die Ökonomie barucht einen Neustart. Quelle: dpa Picture-Alliance

Seit Donald Trump Strafzölle zum Mittel seiner Wahl erkoren hat, verhandelt der Rest der Welt so eifrig neue Handelsabkommen wie nie. Überwiegen deren Vorteile am Ende gar die Kosten des Konflikts mit den USA?

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Um zu verstehen, wie sehr sich der politische Führungsstil dies- und jenseits des Atlantiks derzeit unterscheidet, genügt ein Blick in den Terminkalender. Für Mittwoch, den 11. Juli 2018, steht da für die Chefs der Europäischen Union ein großer Eintrag: Gipfeltreffen der EU und Japan. Um exakt 14.25 Uhr wird Japans Premier Shinzo Abe in Brüssel eintreffen und von EU-Ratspräsident Donald Tusk empfangen. Dann stoßen die anderen hohen Vertreter Europas Jean-Claude Juncker, Federica Mogherini und Cecilia Malmström hinzu. Es folgt eine Sitzung, ein Arbeitsessen und um 16.40 Uhr schließlich die feierliche Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen beiden Wirtschaftsräumen. Ein Tag, der das Potenzial hat, in die Geschichte einzugehen.

Eigentlich. Wäre da nicht die Agenda des anderen großen Präsidenten der westlichen Welt, Donald Trump. Denn was der US-Präsident plant, das weiß nur: Donald Trump. Und falls er sich mal wieder entscheiden sollte, per Twitter neue Zölle anzukündigen, zu verschieben oder zu verdoppeln, wäre all die Planung in Brüssel umsonst. Die nächste Schleife im Handelskrieg, sie würde alle anderen Themen verdrängen.

An der weitreichenden Bedeutung des Abkommens jedoch ändern die unberechenbaren Regeln der Aufmerksamkeit nichts. So wie die vergangenen Monate der angedrohten und realisierten Strafzölle insgesamt im Hintergrund eine zweite Handlungsebene hervorgebracht haben: die eines Rests der Welt, der so viel Eifer wie selten darauf verwendet, den Freihandel zu retten.

Jahrelang gehörte es zum guten diplomatischen Ton, sich zwar öffentlich immer wieder zum Geist des Freihandels zu bekennen, sich in der praktischen politischen Arbeit aber kaum für dessen Fortkommen zu interessieren. Die Weltwirtschaft lief ausgezeichnet, warum also einzelne Branchen verärgern, um am Ende nur einer hehren Idee zu dienen? Offensichtliches Beispiel dafür waren die Verhandlungen zwischen Europa und den USA über das Freihandelsabkommen TTIP. Mit größtem Brimborium wurden da wieder und wieder neue Verhandlungsrunden eingesetzt, obwohl die Streitpunkte offensichtlich nie kleiner und die öffentlichen Widerstände sogar größer wurden.

Nach der Brexit-Abstimmung begann sich der Geist zumindest in Europa zu ändern, seit der US-Präsident die ganze Welt bedroht, hat der Drang zu mehr Freihandel auch die anderen großen Wirtschaftsmächte erfasst. Allein die Liste der Abkommen, welche die EU derzeit verhandelt oder bereits abgeschlossen hat, ist beeindruckend:

- Das Freihandelsabkommen mit Japan ist bereits ratifiziert und soll 2019 in Kraft treten.
- Gleiches gilt für eine Vereinbarung mit Singapur, wenngleich hier die Ratifizierung noch nicht abgeschlossen ist.
- Bereits vorläufig in Kraft ist ein Abkommen mit Kanada,
- auch eine Erweiterung des Vertrags mit Mexiko wurde im Frühjahr beschlossen.
- Inhaltlich einig ist sich die EU zudem mit Vietnam, die Verträge befinden sich derzeit in der rechtlichen Prüfung und müssen dann noch von den parlamentarischen Gremien ratifiziert werden.
- Am 16. Juli nimmt die EU die erste Verhandlungsrunde mit Australien und Neuseeland auf.
- Zum Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay gibt es nur noch einige Streitpunkte bezüglich landwirtschaftlicher Produkte.

Man könnte diese Liste auch simpel zusammenfassen: Mit allen wichtigen Wirtschaftsmächten außer China und Russland verhandelt Europa derzeit über eine weitgehende Abschaffung der Handelsbarrieren. Genügen die Verhandlungen am Ende sogar, um die Folgen der amerikanischen Strafzölle auszugleichen? Beachtlich sind die absehbar positiven wirtschaftlichen Folgen, die sich aus den neuen Abkommen ergeben könnten, in jedem Fall.

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