US-Vizepräsident Mike Pence Die schwierige Nahost-Mission

Als der Israel-Besuch von Mike Pence im Oktober angekündigt wurde, sah das nach Routine aus. Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung kann davon keine Rede mehr sein. Nun holt der Vize-Präsident den verschobenen Besuch nach.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Erwartungen an seinen Nahost-Besuch fallen unterschiedlich aus. Klar ist jedoch, dass Mike Pence nach den blutigen Unruhen im Dezember, die auf Trumps jerusalem-Entscheidung folgten, vermitteln muss. Quelle: AP

Tel Aviv Dies wird eine viel beachtete Reise, wenn auch weniger heikel als im ersten Anlauf. US-Vizepräsident Mike Pence bricht an diesem Freitag in den Nahen Osten auf: nach Ägypten, Jordanien und Israel. Seitdem die USA Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt haben, ist es im Heiligen Land zu blutigen Unruhen gekommen. Doch die vielerorts erwartete große Welle des Widerstands im Nahen Osten gegen Washingtons Entscheidung blieb aus.

Pence hatte die Absage seiner Reise im Dezember innenpolitisch begründet, er wurde in Washington gebraucht. Dass es seither um das Thema Jerusalem insgesamt ruhiger geworden war, wird Pence nicht stören.

Zum Auftakt in Kairo am Samstag muss Pence nur symbolischen Widerstand fürchten. Denn die ägyptische Führung unter dem autoritären Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi, dem ersten Gastgeber von Pence, sieht in Trump einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen.

Anders als zu Zeiten Barack Obamas profitiert Al-Sisi von der jetzigen US-Regierung – nicht nur von der Unterstützung im Kampf gegen den Terror, sondern auch von ihrer unkritischeren Haltung angesichts der zahllosen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten. Außerdem bekommt Ägypten, wie auch Pence’ zweites Reiseland Jordanien, von den USA finanzielle Hilfe in Milliardenhöhe.

Als wichtiger Vermittler im Nahost-Prozess hatte Ägypten Trumps Jerusalem-Schritt zwar öffentlich verurteilt. Das zielte aber vor allem auf die Beruhigung des eigenen Volkes, das wegen Washingtons Entscheidung noch immer schäumt. Auch dass die geistlichen Führer des Landes, der Großimam der Al-Ashar-Universität und der Kopten-Papst, ihre Treffen mit Pence abgesagt hatten, galt als symbolische Geste. Zuletzt geforderte Maßnahmen gegen die USA sind von Al-Sisi so wenig zu erwarten wie in Jordanien von König Abdullah II. am Sonntag.

Im Heiligen Land, wo Pence am Montag eintreffen soll, könnten die Erwartungen dagegen unterschiedlicher kaum sein. Während die israelische Regierung auf weitere Unterstützung seitens der USA hofft, boykottieren die Palästinenser die Pence-Reise. Jerusalem gilt als zentraler Streitpunkt zwischen Israel und den Palästinensern. Die Palästinenser sehen Ost-Jerusalem als künftige Hauptstadt für einen unabhängigen Staat Palästina. Die Israelis beanspruchen hingegen die ganze Stadt für sich.

Aus Wut über Trumps Entscheidung hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bereits ein geplantes Treffen mit Pence abgesagt. Zuletzt kritisierte er das Jerusalem-Votum in einer außergewöhnlich scharfen Rede als „Ohrfeige des Jahrhunderts“. Die USA hätten sich als ernsthafter Vermittler im Nahost-Konflikt disqualifiziert. Abbas gibt sich kämpferisch, steht aber intern massiv unter Druck. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sprachen sich kürzlich in einer Umfrage für den Rücktritt des 82-Jährigen aus.

Trump hatte bereits kurz nach seinem Amtsantritt den „ultimativen Deal“ für die Israelis und die Palästinenser versprochen. Ein Jahr danach wirkt der Konflikt indes so festgefahren wie lange nicht. Wenn der US-Vize nun nach Nahost reist, kommt er kaum als Vermittler.

Eine solche Rolle sah Pence für Washington nie. Schon 2010 sagte er, Makeln unterstelle die Möglichkeit, dass Amerika nicht ganz und gar an der Seite Israels stehe. Als Trump im Weißen Haus die Entscheidung für Jerusalem öffentlich machte, strahlte Pence direkt hinter ihm – sicher kein Zufall. Wie für viele andere Christen und Evangelikale in den USA ist eine israelische Hauptstadt Jerusalem für Pence eine schlichte Selbstverständlichkeit, und als konsequent eingelöstes Wahlversprechen sieht er die Entscheidung auch.

In den USA ist das Thema Jerusalem nach erster Aufregung rasch wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden. Die Innenpolitik dominiert, der Nahe Osten ist weit weg. Außerdem heißt es selbst in liberalen Medien, der Friedensprozess sei ohnehin tot gewesen. Trump habe ihn lediglich beerdigt.

Im Gegensatz zu den Palästinensern sieht Israels Regierung Trump als engen Verbündeten, aus Dankbarkeit soll in Jerusalem sogar ein Bahnhof nach Trump benannt werden. „Ich denke, sie erwarten eine symbolische Demonstration der US-Unterstützung“, sagt der Politikprofessor Jonathan Rynhold von der Bar-Ilan-Universität. Pence soll in Israel Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Reuven Rivlin treffen. Und er soll die Klagemauer besuchen.

Bereits im Dezember hatten Vertreter der US-Regierung deutlich gemacht, dass Pence’ Visite an der Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt ein offizieller Besuch werde – es wäre das erste Mal für ein US-Regierungsmitglied. Im Mai wurde Trumps Besuch dort zwar weltweit beachtet, aber als privat deklariert: Israel sollte ihn nicht als Zeichen für den Anspruch auf ganz Jerusalem als seine ewige, unteilbare Hauptstadt werten können.

Die Klagemauer, ein Überrest der Befestigung des zweiten Jerusalemer Tempels, stellt die heute heiligste Stätte des Judentums dar. Sie liegt am Fuße des Tempelbergs (Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum), der Juden und Muslimen heilig ist.

Für den Jerusalem-Experten Daniel Seidemann ist der Pence-Besuch an der Klagemauer vor allem eine Provokation für die Palästinenser. „Das garantiert nur, dass die Spannungen und Proteste und das Gewaltpotenzial nicht schnell abnehmen werden“, sagt Seidemann. „Das ist einfach weiteres Öl ins Feuer gießen.“ Für Israels Regierungschef Netanjahu biete der Besuch des US-Vizepräsidenten zudem die Möglichkeit, von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken.

„Pence bringt eine dringend benötigte politische Unterstützung für Netanjahu, der kurz vor einer Anklage steht“, sagt Seidemann. Netanjahu ist wegen Korruptionsermittlungen unter Druck. Außerdem soll er versucht haben, unrechtmäßig Einfluss auf die Medienberichterstattung zu nehmen. Netanjahu weist die Vorwürfe als „Hexenjagd“ zurück.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%