
Als ein Mann namens Jimmy Carter 1976 bei der Urwahl im US-Staat Iowa überraschend gut abschnitt, hatte den Demokraten noch kaum jemand für das Amt des Präsidenten auf der Rechnung – noch nicht einmal für die Kandidatur der Demokraten. Doch die erste Entscheidung im Vorwahlkampf war auch wegweisend für die damalige Präsidentenwahl: Carter gewann gegen den Republikaner Gerald Ford und wurde der 44. Präsiden der USA.





“Three tickets out of Iowa“ (“Drei Fahrkarten aus Iowa“) heißt seither ein Spruch, der die Urwahl in Iowa, den Startschuss zum Vorwahl-Marathon zur Präsidentenwahl im November, zu einer Art Legende werden ließ. Denn seit 1972 der Vorwahlkampf in Iowa beginnt, hat fast kein Kandidat mehr die Nominierung seiner Partei gewonnen, wenn er in dem Staat im Mittleren Westen nicht mindestens Platz drei geholt hat.
Der Wahl-Seismograph
Barack Obama bestätigte diese Legende als er 2008 gegen die große Favoritin Hillary Clinton in Iowa den Sieg holte, und sich bekanntermaßen schließlich bei der Parteiabstimmung und auch im November bei der Präsidentenwahl durchsetzen konnte.
FAQ US-Vorwahlen
Den Spitzenkandidaten einer Partei bestimmt deren Basis während der Parteitage. Diese "national conventions" gibt es seit 1832. Dort kommen Tausende Delegierte zusammen, die bei den Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten ernannt wurden und sich verpflichtet haben, für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen.
Insgesamt 2286 Delegierte vertreten 50 US-Bundesstaaten - inklusive Washington, Puerto Rico, Guam, Amerikanisch Samoa, Virgin Islands und die Nördlichen Marianen.
Es gibt zwei Wege, einen Kandidaten zu wählen: Caucus und Primary. Bei der Primary gehen die Wähler in ein Wahllokal und wählen ihren Kandidaten. Bei der offenen Primary können alle Wähler für jeden beliebigen Kandidaten stimmen. Bei der geschlossenen Vorwahl wählen die eingetragenen Parteimitglieder strikt nach Parteizugehörigkeit.
Bei der Caucus wählen eingetragene Parteimitglieder - schriftlich oder offen - jeweils ihren Kandidaten. Dem voran gehen Debatten und Reden, das Verfahren ist recht zeitaufwändig.
Die Präsidentschaftskandidaten können in 56 Vorwahlen um die Stimmen der Delegierten buhlen. Los geht es am 03. Januar in Iowa, der letzte Vorwahlkampf findet am 26. Juni in Utah statt.
Damit die Republikaner einen Gegenkandidaten für Barack Obama ins Rennen schicken können, muss er bei den Vorwahlen 1144 Delegiertenstimmen bekommen haben.
Ebenso überraschte 2004 der demokratische Senator John Kerry 2004, als er zunächst in Iowa siegte und schließlich Präsidentschaftskandidat der Demokraten wurde. Die Iowa-Legende bestätigte sich auch 2000: Die ersten beiden Plätze belegten damals der Republikaner George W. Bush und der Demokrat Al Gore. Die beiden sollten sich dann auch im November beim Wahlkampf um das Oval Office wieder gegenüber stehen.
So ist es kein Wunder, dass die Kandidaten der Republikaner mit aller Macht auf einen Sieg in Iowa setzen. Sechs Männer und eine Frau bewerben sich um die Nominierung, der Ausgang ist so offen wie lange nicht.
Die Favoriten der Republikaner

Nach Monaten sanften Geplänkels hagelt es jetzt persönliche Tiefschläge. Da brandmarkt der sonst so nette Favorit in dem Vorwahlrennen, Mitt Romney, seinen derzeit schärfsten Rivalen Newt Gingrich als unwählbar, weil er doch mit Skandalen aus der Vergangenheit überladen sei.
Die „Washington Post“ bezeichnet den Vorwahlkampf bereits jetzt als „wildestes republikanisches Rennen, an das sich überhaupt jemand erinnern kann“. Kein Kandidat ist sicher vor den Anfeindungen, die den ganzen Tag im Fernsehen rauf und runter laufen. „Das ist in dieser Negativität beispiellos“, meint David Yepsen, der als Lokalreporter über zahlreiche Iowa-Wahlen berichtete.
Der Grund für den brutalen Anzeigenkrieg: Selbst so kurz vor der ersten „Primary“ ist völlig offen, wer mit dem Selbstbewusstsein des Gewinners in weitere Rennen gehen kann und für wen das „Unternehmen Präsidentschaft“ mit einem schlechten Abschneiden quasi gescheitert ist. Eine letzte Umfrage der Lokalzeitung „Des Moines Register“ wirbelte das Kandidatenfeld gerade erneut durcheinander. Der Langzeit-Außenseiter Rick Santorum darf plötzlich auf den Sieg hoffen, der Überraschungs-Favorit Newt Gingrich dagegen schmiert ab.
Einzig Mitt Romney, der Multimillionär und Ex-Gouverneur von Massachusetts, konnte sich in Umfragen kontinuierlich im Spitzenfeld halten. Doch vielen erzkonservativen und streng christlichen Republikanern an der Basis ist der Mormone und einstige Top-Unternehmer ein Dorn im Auge.
Tea-Party-Lieblinge weiter im Rennen
Bis vor wenigen Wochen galt das politische Urgestein Newt Gingrich als sein härtester Konkurrent. Er gilt als Strippenzieher und Vordenker der Republikaner. Nach einer Serie von TV-Wahlspots, in denen Gingrich schlecht gemacht wurde, rutschte der Ex-Präsident des Repräsentantenhauses und mächtigste Gegenspieler des früheren Präsidenten Bill Clinton aber deutlich ab.





Stattdessen rückten potenzielle Tea-Party-Lieblinge wie der streitbare Kongressabgeordnete Ron Paul, dem rechtsextreme Äußerungen zugeschrieben werden, und der streng religiöse Ex-Senator und Abtreibungsgegner Rick Santorum ins Rampenlicht. Dort sonnte sich im Sommer auch schon der texanische Gouverneur Rick Perry, bis er sich bei Debatten mit seinen Rivalen eine Reihe von peinlichen Patzern leistete.
Abschreiben sollte man den ulktrakonservativen Perry trotzdem nicht. Denn der texanische Gouverneur steht finanziell am besten da. Beobachter trauen ihm zu, dass er bis zu eine Milliarde US-Dollar an Wahlspenden zusammen bekommen könnte.
Der Agrarstaat ist erstaunlich unrepräsentativ

Der Texaner Ron Paul sitzt seit über 20 Jahren im US-Repräsentantenhaus und ist bereits zwei Mal, zuletzt 2008, als Präsidentschaftskandidat gescheitert. Er gilt als geistiger Vater der Tea-Party-Bewegung.
Die Bewerbung der Abgeordneten Michele Bachmann hat ebenfalls bessere Zeiten hinter sich. Nachdem die Tea-Party-Ikone Sarah Palin sich gegen eine Kandidatur entschied, sammelten sich viele Anhänger der erzkonservativen Bewegung hinter Bachmann. Im August gewann sie eine symbolische Testwahl in Iowa, aber danach liefen ihr Mitarbeiter davon und ihre Kampagne geriet finanziell ins Stottern. Doch vielleicht gelingt ihr eine Überraschung: Immerhin stammt Bachmann aus Iowa. Ihr Geburtsort heißt Waterloo und nun wird die Vorwahl in Bachmanns Heimat zu ihrer vielleicht entscheidenden Schlacht.
Dabei ist es eigentlich erstaunlich, dass in dem Agrarstaat zwischen Maisfeldern und Kuhställen mancher Präsident gemacht wurde. Denn die drei Millionen Bewohner Iowas sind kein Spiegelbild der gesamten US-Gesellschaft. Laut der US-Zensusbehörde sind 91 Prozent der drei Millionen Bewohner weiß - der US-Schnitt liegt bei 72 Prozent. Auch die Arbeitslosenquote ist niedriger als der landesweite Durchschnitt: Sechs Prozent der Erwachsenen haben keinen Job. Landesweit liegt die Quote bei 8,6 Prozent.
Symbolkraft kann Abstimmung beeinflussen
Repräsentativ für den Rest der USA ist das etwas öde Fleckchen Erde im Mittleren Westen also wahrlich nicht. Vierzig Prozent der rund drei Millionen Einwohner leben auf dem Land, anteilig mehr als doppelt so viele wie im Rest der Nation. Und der Staat stellt beim entscheidenden Parteitag der Republikaner Ende August gerade mal ein Prozent der Delegierten.
Doch die Symbolkraft der ersten Wahl ist immens und kann die Stimmung bei den nächsten Abstimmungen beeinflussen. Wer aber in Iowa gewinnt, ist trotzdem kein garantierter Kandidat für die Präsidentschaftswahlen. Das zeigte sich zuletzt bei den Republikanern vor vier Jahren: Damals konnte der Baptistenpfarrer Mike Huckabee das Rennen der Republikaner in Iowa für sich entscheiden, verschwand aber am 5. März von der Kandidaten-Liste nachdem John McCain die landesweite Mehrheit der republikanischen Delegiertenstimmen bekommen hatte.





Drei weitere Männer brechen ebenso die Idee der Legende von Iowa: Die späteren US-Präsidenten George H. W. Bush, Ronald Reagan und Bill Clinton mussten den Sieg im US-Staat einem anderen Kandidaten überlassen, siegten aber am Ende. Die Regel „mindestens Platz drei“ funktioniert aber trotzdem fast immer: Die drei späteren Präsidenten lagen alle auf Platz zwei oder drei.
Mit Material von dpa und Reuters