US-Vorwahlkampf Alle Augen auf Iowa

In Iowa entscheidet sich das politische Schicksal vieler Präsidentschaftskandidaten. Der dünn besiedelte Staat im Mittleren Westen ist der erste Bundesstaat, in dem die Kandidatenkür für die US-Präsidentschaft startet.

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Sind die Republikaner wirklich bereit, mit ihm in die Schlacht zu ziehen? Quelle: dpa

San Francisco Die Zeiten des Taktierens sind vorbei. In knapp drei Wochen, am ersten Februar, entscheidet mit Iowa der erste Bundesstaat der USA über das politische Schicksal vieler Präsidentschaftskandidaten. So mancher wird seinen Ausstieg aus dem Rennen nach einer Niederlage verkünden. Denn für die Verlierer versickern erfahrungsgemäß schnell die Spendengelder und die Öffentlichkeit und die Medien wenden sich ab. Andere werden einen überraschenden Popularitätszuwachs erleben.

Einmal alle vier Jahre steht Iowa im Rampenlicht. Bekannt für seine wogenden Kornfelder ist der dünn besiedelte Staat im Mittleren Westen der USA zwischen Missouri und Mississippi seit 1972 der erste Bundesstaat, in dem die Kandidatenkür für die US-Präsidentschaft startet. Die Menschen gelten als freundlich, aber auch bodenständig, eigensinnig und schwer zu überzeugen. Das Medieninteresse ist riesig, wenn im „Hawkeye-Staat“ die Parteimitglieder ihre Entscheidung treffen.

Der psychologische Effekt des ersten Sieges hier ist enorm. Jimmy Carter gewann 1976 in Iowa und wurde schließlich Präsident. In 2008 hieß der Überraschungssieger Barack Obama. Ein praktisch nicht gesetzter Kandidat gewann Iowa and dann Washington. Im Jahr 2000 hieß der republikanische Sieger in Iowa Georgs W. Bush.

Es steht also viel auf dem Spiel. Die Kandidaten tingeln unermüdlich durch Kleinstädte, beantworten in ländlichen Dorfhallen oder Büchereinen die Fragen der Wähler, geben sich volkstümlich. Vergangenen Montag startete Hillary Clinton zu ihrer „River to River“-Tour, sechs Termine in zwei Tagen. Donald Trump gab zum ersten Mal eigenes Geld für TV-Werbung aus. In Iowa will auch er nichts dem Zufall überlassen.

Denn wenn eine aktuelle Umfrage von NBC und Wall Street Journal Bestand hat, dann ist das Kandidatenrennen für Iowa so offen wie selten zuvor. Aber ein Trend aus 2015 hat unverändert bestand: Der Aufstieg der Außenseiter hält an.

Gekämpft wird mit harten Bandagen

Bei den befragten Republikanern, die wahrscheinlich an der Abstimmung teilnehmen wollen, liegen in der jüngsten Umfrage der Immobilien-Milliardär Donald Trump mit 26 Prozent und Ted Cruz, Senator aus Texas, mit 24 Prozent eng beisammen an der Spitze in der Parteibeliebtheit. Der frühere Top-Kandidat Jeb Bush ist dagegen nur noch eine Randerscheinung mit neun Prozent Zustimmung.

Zurückgefallen auf den vierten Platz, aber noch vor Bush, ist auch Ben Carson, der ehemalige Neuro-Chirurg. Er war zuletzt durch wirre Äußerungen zu den ägyptischen Pyramiden (Getreidespeicher, keine Grabstätten) und Ungereimtheiten in seiner Biografie aufgefallen.

Bei den Demokraten liegen nach Medienberichten die Top-Favoritin Hillary Clinton mit 49 Prozent und ihr Herausforderer Bernie Sanders mit 43 Prozent in Iowa und New Hampshire eng beieinander, wobei der relative Gewinner Sanders heißt: bei der letzten Umfrage hatte er noch 36 Prozent und Clinton 47. In New Hampshire führt bei den Republikanern Trump in der Beliebtheitsskala weit vor Cruz. New Hampshire folgt mit seiner Kandidatenkür am wenige Tage auf Iowa.

Deshalb wird jetzt mit harten Bandagen gekämpft. Und nicht nur Donald Trump fällt mit immer kontroverseren und extremen Äußerungen und auf. Die Polarisation hält an, und alle Kandidaten stellen ihre konservativen oder liberalen Grundüberzeugungen so klar wie möglich in den Vordergrund oder schwärzen sich gegenseitig an, so wie Donald Trump: Er zweifelt schlicht daran, dass der in Kanada geborene Sohn einer amerikanischen Mutter das Recht hat zu kandidieren.


Kommt es am Ende doch wieder zum Zweikampf der Elite-Familien?

Den Grund für die neue Härte in den Diskussionen nannte stellvertretend Ted Cruz am Sonntagmorgen im US-Fernsehen: „Es gibt in Washington viele Berater“, so Cruz, „die glauben, wir können die Wahl gewinnen, wenn wir durch die Mitte der Wähler gehen, sozusagen einen „Demokraten-Light“ aufstellen. Aber jedes Mal, wenn wir es gemacht haben, sind wir damit durchgefallen.“

Gelernt hat er das Erfolgsrezept der provokanten Wähleransprache von Donald Trump, der mit drastischen Thesen wie dem Bau einer Mauer gegen Mexiko oder einem Einwanderungsstopp und Überwachungsprogramme für Muslime Stimmen gewinnt. Die Ereignisse von Köln hat er dann auch per Twitter sofort kommentiert und bereits gewusst, dass es Migranten waren. „Deutschland steht unter Attacken der Menschen, die sie ins Land gelassen haben. Silvester war eine Katastrophe“, mahnt er seine Fans per Kurznachrichtendienst: „Denkt nach!“

Die Materialschlacht ist dabei ein gutes Geschäft für Medien aller Art. Die Hauptstadt-Zeitung Des Moines Register berichtet, das Marco Rubio, Nummer drei der Republikaner alleine 7000 TV-Werbespots zwischen dem 1. Januar und dem 1. Februar gebucht hat. Ein Drittel aller politischen TV-Spots.

Die Kunst besteht für die Kampagnen-Manager aber darin, genug in Iowa und New Hampshire zu investieren um ihren Kandidaten in das Feld der ersten drei zu bekommen. Aber gleichzeitig muss genug übrigbleiben, um den gefürchteten „Super Tuesday“ zu überleben. Diesmal liegt er auf dem 1. März. Er hat das Potenzial, Politkarrieren mit einem Schlag zu beenden. Dann werden gleichzeitig Delegierte in 14 Bundesstaaten für die Republikaner und in zwölf für Demokraten am selben Tag ihre Kandidaten wählen.

Der legendäre „Super Tuesday“ 2008 besiegelte zum Beispiel endgültig das Schicksal der damaligen Favoritin Hillary Clinton. Völlig überraschend fielen von 23 Bundesstaaten 13 an Barack Obama. Vielleicht auch deshalb, weil nach Beobachtungen von Politikexperten Clinton damals schlicht das Geld knapp geworden ist.

Durchhalten bis zum Sommer

Im Sommer kommen dann die Wahlmänner und -frauen der Parteien zusammen, um den endgültigen Kandidaten zu küren. Angesichts des großen Kandidatenfeldes – derzeit noch elf – bei den Republikanern, kurz vor Weihnachten schied Lindsey Graham aus, könnte sich die Entscheidung hier bis zum letzten Moment hinauszögern und in Kampfabstimmungen enden.

Dann nämlich, wenn am Ende beim Krönungsparteitag im ersten Wahlgang kein Kandidat die 1236 Stimmen der Delegierten für eine absolute Mehrheit auf sich vereinigen kann. Dann beginnt das parteiinterne Geschacher und jeder Kandidat versucht die Delegiertenstimmen der dann hoffnungslosen Fälle für sich zu gewinnen.

Das könnte sogar zum Glücksfall für den heutigen hoffnungslosen Fall Jeb Bush werden. Neben den Clintons ist niemand in der Politelite der USA so verdrahtet sie die Familie Bush. Das könnte beim parteiinternen Ringen der entscheidende Vorteil sein. Aber er muss finanziell durchhalten bis in den Sommer und darf bis dahin nicht noch weiter in der Beliebtheit zurückfallen.

Viele Beobachter rechnen damit, dass die Republikaner noch immer nicht bereit sind, mit einem Donald Trump in die Schlacht zu ziehen. Dann kommt es am Ende im November doch noch zum Zweikampf der Elite-Familien und die politische Welt in Washington wäre wieder in Ordnung.

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