US-Wahl Die sieben Probleme Amerikas

Die größte Volkswirtschaft der Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten. Wer immer auch am 8. November gewinnt: Der neue US-Präsident muss einen ganzen Strauß an Problemen lösen.

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US-Infrastruktur im Wahljahr. Quelle: dpa Picture-Alliance

Drei Worte, ein Versprechen. „Trump digs coal“, steht auf dem Plakat, dass Donald Trump aus der Menschenmenge zupft. Auf der Bühne im Eishockeystadion in Wilkes-Berre, dem 40.000 Einwohner-Örtchen in Pennsylvania, verspricht der republikanische Präsidentschaftskandidat mehr Jobs, mehr Sicherheit und eine Stärkung der alten Industrien: Stahl und Bergbau. Trump verspricht, saubere „Kohle zu graben“. In dem mit rund 6000 Zuschauern besetzten Oval brandet ohrenbetäubender Jubel aus.

Der Auftritt von Trump findet nicht zufällig ausgerechnet in Wilkes-Berre statt. Die Stadt hat seine glanzvollen Tage längst hinter sich. Im 19. Jahrhundert boomte der Bergbau. Heute kämpfen die 40.000 Einwohner gegen Abstieg und Armut. Außerdem ist Vize-Präsident Joe Biden ganz in der Nähe geboren. Und Hillary Clinton wurde im benachbarten Bezirk Lackawanna County getauft. Trump hofft auf reichlich Unterstützer. Seit 1932 ist der Bezirk Luzerne, wo Wilkes-Berre liegt, gar ein Seismograph für die Präsidentschaftswahl. Wer hier gewann, gewann auch den Staat Pennsylvania, ein Swing State im Wahlkampf.

Anhänger sind Trump gewiss. Denn in Wilkes-Berre und den angrenzenden Bezirken leben viele, die nicht zu den glücklichen Gewinnern der Globalisierung gehören. Vor allem Bergbauarbeiter und Industriearbeiter. Der Strukturwandel fordert seinen Tribut: hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Real-Einkommen.

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Problem 1: Der Strukturwandel

Amerika hat tiefe Narben, die durch den Wahlkampf sichtbar werden. Der Abstieg der ökonomischen Kraftzonen des vergangenen Jahrhunderts trifft vor allem die nord-östlichen Staaten wie Pennsylvania, Ohio und Michigan. Die Region ist das Ruhrgebiet Amerikas. Und sie ist nicht das einzige Problem Amerikas. Neben dem Strukturwandel gibt mindestens sechs weitere Großbaustellen, mit denen sich der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Barack Obama beschäftigen muss.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Obama hinterlässt ein geteiltes Land und viele unerledigte Aufgaben. Er selbst hat dies in einem Gastbeitrag im „Economist“ selbstkritisch zugegeben. Die derzeit zu beobachtende „Unzufriedenheit ist verwurzelt in den legitimen Sorgen über die langfristigen Marktkräfte“, schreibt der scheidende US-Präsident. Die schwache Produktivität und die steigende Ungleichheit hätten die Einkommen der unteren Mittelschicht langsamer ansteigen lassen. „Die Globalisierung und die Automatisierung haben die Position der Arbeiter geschwächt.“

Problem 2: Ineffiziente Unternehmen

Neben dem Strukturwandel kämpft Amerikas Wirtschaft mit einer vergleichsweise müden Innovationskraft. Das erstaunt, gelten die USA doch als Brutstätte für Innovationen. Doch nicht in allen Bundesstaaten existieren kreative Silicon Valleys. Die Produktivität, gemessen in Output pro Arbeitsstunde, wuchs in den Jahren 2004 bis 2015 nur um durchschnittlich 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Von 1995 bis 2004 waren es 3,2 Prozent.

Trumps wirtschaftspolitische Pläne

Die Denkfabrik Brookings macht auf ein Problem aufmerksam, das sich offenbar festgesetzt hat. Je nach Branche gibt es immer ein paar Unternehmen, die neue Technologien schnell umsetzen und so ihre Produktivität erhöhen. Doch ein Großteil der Firmen wartet zu lange und verzichtet auf steigende Produktivität. Das wirkt sich auch auf die Löhne der Arbeiter aus, die entsprechend träge wachsen.

Problem 3: Männlich, ungebildet, arbeitslos

Eigentlich läuft es wieder ganz gut auf dem US-Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote lag Anfang 2016 unter fünf Prozent. Doch für eine Gruppe sieht es trotzdem düster aus. Rund sieben Millionen Männer im Alter zwischen 25 und 45 Jahre haben weder einen Job noch suchen sie einen. Sie sind in der Regel zu alt für die Schule und zu jung für die Rente – und inzwischen ein echtes soziales Problem. Vor 50 Jahren waren gerade mal fünf Prozent der Männer arbeitslos, heute sind es 15 Prozent.

Bald griechische Verhältnisse in den USA?

Die charakteristischen Merkmale dieser Gruppe: Die Männer sind in der Regel ledig und in Amerika geboren. Viele sind Afroamerikaner, aber nicht alle. In dieser Gruppe rekrutiert Trump einen Großteil seiner Wähler, die „angry white men“, die sich von Immigranten und der Globalisierung ins Abseits gedrängt fühlen. Viele haben sich und die Suche nach einem Job längst aufgegeben.

Problem 4: Viele Schlaglöcher, kaputte Brücken

Die Probleme erinnern an Deutschland. Der Zerfall von Brücken und Straßen ist offenbar typisch für den Zustand erfolgreicher Industrieländer. Irgendwann kommen die staatlichen Bauwerke in die Jahre. Sie müssten erneuert werden, doch das Geld fehlt. In den USA fällt das vor allem bei den heruntergekommenen Flughäfen, den vielen Schlaglöchern im Straßenbeton und den maroden Brücken auf.

Die Marke Donald Trump

In den USA wurde die Mineralölsteuer, die den Großteil der staatlichen Infrastruktur finanziert, seit 20 Jahren nicht mehr angehoben. Steuererhöhungen sind auch in diesem Wahlkampf ein Tabuthema, wenn sie den normalen Bürger treffen würden. Das wäre bei der Mineralölsteuer der Fall. Doch damit fehlt dem Bundesstaat das Geld, in neue Straßen und zusätzliche Baustellen zu investieren.

Der nächste Präsident könnte die Nutzerbeiträge für die Infrastruktur wie Mautgebühren erhöhen. Oder er treibt woanders Geld auf. Hillary Clinton hat ein Milliardenprogramm angekündigt. Wie sie es finanzieren will, bleibt ihr Geheimnis.

Problem 5: Die da oben und die da unten

Der amerikanische Traum scheint ausgeträumt. Vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen es heute nur noch wenige. Das Problem erkennen selbst die Republikaner an, die eigentlich davon überzeugt sind, dass jeder zunächst für sich selbst sorgen soll. „Die Aufstiegsmöglichkeiten sind die zentralen Versprechen dieses Landes“, sagt Paul Ryan, republikanischer Sprecher des Abgeordnetenhauses, „aber die amerikanischen Maschinen, die den Aufstieg ermöglichen sollen, arbeiten nicht mehr so wie sie sollen“.

Auch in den USA entscheidet heute vor allem die soziale Herkunft darüber, ob es jemand schafft, ein besseres Leben zu führen. Wer arm geboren wird, bleibt oft arm. Das gilt vor allem für Schwarze. Laut Statistik schaffen nur 13 Prozent derjenigen, die in das einkommensschwächste Viertel geboren werden, den Aufstieg in das obere Viertel. Die USA sind andere Zahlen gewohnt. Es waren mal 40 Prozent. Die Folge: Das mittlere Realeinkommen eines US-Haushalts liegt heute mit 56.516 Dollar unter dem Niveau von 1999.

Problem 6: Lernen kostet Geld

Amerikanische Spitzenunis wie Harvard, Stanford und das MIT kosten ein Vermögen. Doch nicht nur die. Auch reguläre Colleges und Hochschulen verlangen saftige Studiengebühren. Wer nicht gerade mit einem üppigen Stipendium bedacht wird oder keine vermögenden Eltern hat, kann sich schnell übernehmen.

Die Verschuldung der amerikanischen Studenten und Absolventen ist inzwischen zu einem gigantischen Problem angewachsen. Die Medien sprechen von einer dramatischen „Krise“. Die ausstehenden Studentenkredite belaufen sich auf unfassbare 1,3 Billionen Dollar. 70 Prozent der Graduierten starten mit einer gewaltigen Verschuldung in ihren ersten Job - mitunter Hunderttausend Dollar und mehr. Acht Millionen Amerikaner sind beim Abstottern ihrer Kredite in Verzug – eine soziale Zeitbombe.

Problem 7: Bald griechische Verhältnisse

Im Oktober 2013 wurden staatliche Nationalparks und Bundesbehörden mehrere Tage lang geschlossen und 800.000 Beamte in den unbezahlten Urlaub geschickt. Der Grund: der so genannte „government shutdown“. Weil Demokraten und Republikaner sich nicht auf einen neuen Haushalt für das Jahr 2014 einigen konnten, durfte der Staat nicht mehr ausgeben als er einnimmt. Zudem drohte der Staat die Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen Dollar zu erreichen – und damit ein Staatsbankrott.

Der government shutdown wurde zwar gelöst, weil sich die Politiker doch noch einigten. Doch Amerikas Schulden sind nach wie vor ein großes Problem und könnten ein noch größeres werden, wenn der neue Präsident die Ausgaben nicht unter Kontrolle bringt. Vor allem das Sozialversicherungssystem gilt als maßlos unterfinanziert.

Bleibt die Politik so wie sie ist steigt die Verschuldung laut Berechnungen von Brookings relativ zum Bruttoinlandsprodukt von heute 77 Prozent auf 150 Prozent bis 2046. Das jährliche Defizit würde von heute drei auf künftig neun Prozent steigen. Den USA drohen damit griechische Verhältnisse.

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