
Drei Worte, ein Versprechen. „Trump digs coal“, steht auf dem Plakat, dass Donald Trump aus der Menschenmenge zupft. Auf der Bühne im Eishockeystadion in Wilkes-Berre, dem 40.000 Einwohner-Örtchen in Pennsylvania, verspricht der republikanische Präsidentschaftskandidat mehr Jobs, mehr Sicherheit und eine Stärkung der alten Industrien: Stahl und Bergbau. Trump verspricht, saubere „Kohle zu graben“. In dem mit rund 6000 Zuschauern besetzten Oval brandet ohrenbetäubender Jubel aus.
Der Auftritt von Trump findet nicht zufällig ausgerechnet in Wilkes-Berre statt. Die Stadt hat seine glanzvollen Tage längst hinter sich. Im 19. Jahrhundert boomte der Bergbau. Heute kämpfen die 40.000 Einwohner gegen Abstieg und Armut. Außerdem ist Vize-Präsident Joe Biden ganz in der Nähe geboren. Und Hillary Clinton wurde im benachbarten Bezirk Lackawanna County getauft. Trump hofft auf reichlich Unterstützer. Seit 1932 ist der Bezirk Luzerne, wo Wilkes-Berre liegt, gar ein Seismograph für die Präsidentschaftswahl. Wer hier gewann, gewann auch den Staat Pennsylvania, ein Swing State im Wahlkampf.
Anhänger sind Trump gewiss. Denn in Wilkes-Berre und den angrenzenden Bezirken leben viele, die nicht zu den glücklichen Gewinnern der Globalisierung gehören. Vor allem Bergbauarbeiter und Industriearbeiter. Der Strukturwandel fordert seinen Tribut: hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Real-Einkommen.
Problem 1: Der Strukturwandel
Amerika hat tiefe Narben, die durch den Wahlkampf sichtbar werden. Der Abstieg der ökonomischen Kraftzonen des vergangenen Jahrhunderts trifft vor allem die nord-östlichen Staaten wie Pennsylvania, Ohio und Michigan. Die Region ist das Ruhrgebiet Amerikas. Und sie ist nicht das einzige Problem Amerikas. Neben dem Strukturwandel gibt mindestens sechs weitere Großbaustellen, mit denen sich der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Barack Obama beschäftigen muss.
Clintons wirtschaftspolitische Pläne
Clinton will in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit das umfassendste Investitionsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg in Infrastruktur, Industrie, Forschung und Entwicklung, Klimaschutz und Mittelstandförderung anstoßen. Sie will über fünf Jahre aus staatlichen und privaten Quellen 275 Milliarden Dollar mobilisieren, um die Verkehrs- und Netz-Infrastruktur zu verbessern. Damit und mit anderen Mitteln will sie über zehn Millionen neue Jobs schaffen. Die Industrie soll stärker werden. Gelingen soll das mit einer Partnerschaft von Wirtschaft, Arbeitnehmern, der Regierung und Verwaltungen sowie der Wissenschaft. Firmen sollen sich verpflichten, Jobs und Investitionen statt in Übersee in den USA zu halten. Dafür sollen sie finanzielle Vorteile genießen. Besonders gefördert werden sollen strukturschwache Regionen. Die Position der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften will Clinton stärken. Der Mindestlohn soll von 7,25 Dollar je Stunde auf zwölf, zuletzt war gar von 15 Dollar die Rede, erhöht werden.
Clinton verspricht ein gerechteres und einfacheres Steuersystem. Multi-Millionäre und Milliardäre sollen einen Steueraufschlag zahlen, Arbeitnehmerhaushalte und Familien entlastet werden. Steuerschlupflöcher für Firmen und Privatpersonen will Clinton schließen. Unternehmen, die ihre Gewinne in Steueroasen transferieren, sollen eine Extra-Steuer zahlen. Investitionen von Unternehmen in den USA selbst will sie begünstigen und dabei kleine Firmen besonders entlasten. Gleiches gilt für Familien, die Sonderlasten tragen, weil sie beispielsweise ältere und erkrankte Familienangehörige pflegen.
Die US-Finanzindustrie will Clinton enger an die Leine legen. Wall-Street-Riesen sollen einen Extra-Zuschlag zahlen, der sich nach ihrer Größe und ihrem Risikogewicht für die Branche richtet. Bestehende Möglichkeiten für Großbanken, Kundengelder in Hochrisikofeldern zu investieren, will sie beschneiden. Top-Banker sollen bei Verlusten ihrer Institute mit Bonus-Einbußen rechnen. Der Hochfrequenzhandel soll besteuert werden. Riesige und undurchschaubare Finanzriesen sollen stärker kontrolliert und im Zweifel aufgespalten werden. Clinton will Finanzmanager auch stärker in Mithaftung nehmen, wenn in ihren Instituten gegen geltendes Recht verstoßen wird.
Clinton verspricht, schärfer gegen Länder wie China vorzugehen, wenn diese internationale Freihandelsregeln verletzen und damit amerikanischen Arbeitsplätzen schaden. Sie will Nein sagen zu Handelsabkommen, wie der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP), die nicht den US-Standards genügen, etwa mit Blick auf die Bezahlung von Arbeitnehmern. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will sie neu verhandeln. Zum US-EU-Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit verhandelt wird, äußerte sie sich in jüngster Zeit zwar nicht direkt, doch war sie schon früher auch dazu auf Distanz gegangen und will in Freihandelsabkommen generell die amerikanischen Interessen besser zum Tragen kommen lassen. „Amerika fürchtet den Wettbewerb nicht“, gibt sie sich insgesamt kämpferisch.
In Umwelt- und Energiepolitik will Clinton Zeichen setzen. Sie will Amerika zur weltweiten „Supermacht“ des 21. Jahrhunderts in Sachen saubere Energie machen.
Clinton will Schluss damit machen damit, dass sich US-Bürger wegen einer College- oder Universitätsausbildung hoch verschulden. Sie will für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie und gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgen. Bei Krankheit und im Alter soll es mehr soziale Sicherheit geben.
Obama hinterlässt ein geteiltes Land und viele unerledigte Aufgaben. Er selbst hat dies in einem Gastbeitrag im „Economist“ selbstkritisch zugegeben. Die derzeit zu beobachtende „Unzufriedenheit ist verwurzelt in den legitimen Sorgen über die langfristigen Marktkräfte“, schreibt der scheidende US-Präsident. Die schwache Produktivität und die steigende Ungleichheit hätten die Einkommen der unteren Mittelschicht langsamer ansteigen lassen. „Die Globalisierung und die Automatisierung haben die Position der Arbeiter geschwächt.“
Problem 2: Ineffiziente Unternehmen
Neben dem Strukturwandel kämpft Amerikas Wirtschaft mit einer vergleichsweise müden Innovationskraft. Das erstaunt, gelten die USA doch als Brutstätte für Innovationen. Doch nicht in allen Bundesstaaten existieren kreative Silicon Valleys. Die Produktivität, gemessen in Output pro Arbeitsstunde, wuchs in den Jahren 2004 bis 2015 nur um durchschnittlich 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Von 1995 bis 2004 waren es 3,2 Prozent.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Die Denkfabrik Brookings macht auf ein Problem aufmerksam, das sich offenbar festgesetzt hat. Je nach Branche gibt es immer ein paar Unternehmen, die neue Technologien schnell umsetzen und so ihre Produktivität erhöhen. Doch ein Großteil der Firmen wartet zu lange und verzichtet auf steigende Produktivität. Das wirkt sich auch auf die Löhne der Arbeiter aus, die entsprechend träge wachsen.
Problem 3: Männlich, ungebildet, arbeitslos
Eigentlich läuft es wieder ganz gut auf dem US-Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote lag Anfang 2016 unter fünf Prozent. Doch für eine Gruppe sieht es trotzdem düster aus. Rund sieben Millionen Männer im Alter zwischen 25 und 45 Jahre haben weder einen Job noch suchen sie einen. Sie sind in der Regel zu alt für die Schule und zu jung für die Rente – und inzwischen ein echtes soziales Problem. Vor 50 Jahren waren gerade mal fünf Prozent der Männer arbeitslos, heute sind es 15 Prozent.