




Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wem die Geld-Elite in den USA das Vertrauen für die Präsidentschaft der nächsten vier Jahre schenkt, lohnt ein Blick nach Kalifornien. Dort organisierten Großspender der Demokratin vor kurzem eine Privatparty. Das Ticket kostete 33.000 Dollar, Elton John spielte auf dem Piano und Barbra Streisand mischte sich unter die Gäste. Am Ende kamen so fünf Millionen Dollar zusammen, damit Hillary Clinton den Kampf ums Weiße Haus gewinnt – Wahlkampf auf amerikanisch.
Geld regiert die Politik in den USA. Private Spender gehören zu den vielen Besonderheiten der größten Demokratie der Welt. Wer Präsident der Vereinigten Staaten werden will, muss möglichst viele und reiche Spender um sich sammeln, die ihre Schatulle öffnen. Clinton hat derzeit besonders viele Förderer, Donald Trump eher nicht so.
Die Demokratin schart derzeit sogar so viele Großspender um sich wie noch kein anderer Kandidat zuvor. Insgesamt 1133 Leute haben der Demokratin für den Wahlkampf jeweils mindestens 100.000 Dollar gespendet. Das sind mehr als bei Barack Obama und George W. Bush zusammen. Hinzu kommen zahlreiche Kleinspenden. Allein in den Monaten August und September sammelte Clinton fast 300 Millionen Dollar ein. Zum Vergleich: Der Republikaner Trump akquirierte laut der Webseite „Politico“ gerade mal 262 Millionen Dollar – über den gesamten Wahlkampf hinweg gesehen.
Clintons wirtschaftspolitische Pläne
Clinton will in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit das umfassendste Investitionsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg in Infrastruktur, Industrie, Forschung und Entwicklung, Klimaschutz und Mittelstandförderung anstoßen. Sie will über fünf Jahre aus staatlichen und privaten Quellen 275 Milliarden Dollar mobilisieren, um die Verkehrs- und Netz-Infrastruktur zu verbessern. Damit und mit anderen Mitteln will sie über zehn Millionen neue Jobs schaffen. Die Industrie soll stärker werden. Gelingen soll das mit einer Partnerschaft von Wirtschaft, Arbeitnehmern, der Regierung und Verwaltungen sowie der Wissenschaft. Firmen sollen sich verpflichten, Jobs und Investitionen statt in Übersee in den USA zu halten. Dafür sollen sie finanzielle Vorteile genießen. Besonders gefördert werden sollen strukturschwache Regionen. Die Position der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften will Clinton stärken. Der Mindestlohn soll von 7,25 Dollar je Stunde auf zwölf, zuletzt war gar von 15 Dollar die Rede, erhöht werden.
Clinton verspricht ein gerechteres und einfacheres Steuersystem. Multi-Millionäre und Milliardäre sollen einen Steueraufschlag zahlen, Arbeitnehmerhaushalte und Familien entlastet werden. Steuerschlupflöcher für Firmen und Privatpersonen will Clinton schließen. Unternehmen, die ihre Gewinne in Steueroasen transferieren, sollen eine Extra-Steuer zahlen. Investitionen von Unternehmen in den USA selbst will sie begünstigen und dabei kleine Firmen besonders entlasten. Gleiches gilt für Familien, die Sonderlasten tragen, weil sie beispielsweise ältere und erkrankte Familienangehörige pflegen.
Die US-Finanzindustrie will Clinton enger an die Leine legen. Wall-Street-Riesen sollen einen Extra-Zuschlag zahlen, der sich nach ihrer Größe und ihrem Risikogewicht für die Branche richtet. Bestehende Möglichkeiten für Großbanken, Kundengelder in Hochrisikofeldern zu investieren, will sie beschneiden. Top-Banker sollen bei Verlusten ihrer Institute mit Bonus-Einbußen rechnen. Der Hochfrequenzhandel soll besteuert werden. Riesige und undurchschaubare Finanzriesen sollen stärker kontrolliert und im Zweifel aufgespalten werden. Clinton will Finanzmanager auch stärker in Mithaftung nehmen, wenn in ihren Instituten gegen geltendes Recht verstoßen wird.
Clinton verspricht, schärfer gegen Länder wie China vorzugehen, wenn diese internationale Freihandelsregeln verletzen und damit amerikanischen Arbeitsplätzen schaden. Sie will Nein sagen zu Handelsabkommen, wie der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP), die nicht den US-Standards genügen, etwa mit Blick auf die Bezahlung von Arbeitnehmern. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will sie neu verhandeln. Zum US-EU-Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit verhandelt wird, äußerte sie sich in jüngster Zeit zwar nicht direkt, doch war sie schon früher auch dazu auf Distanz gegangen und will in Freihandelsabkommen generell die amerikanischen Interessen besser zum Tragen kommen lassen. „Amerika fürchtet den Wettbewerb nicht“, gibt sie sich insgesamt kämpferisch.
In Umwelt- und Energiepolitik will Clinton Zeichen setzen. Sie will Amerika zur weltweiten „Supermacht“ des 21. Jahrhunderts in Sachen saubere Energie machen.
Clinton will Schluss damit machen damit, dass sich US-Bürger wegen einer College- oder Universitätsausbildung hoch verschulden. Sie will für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie und gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgen. Bei Krankheit und im Alter soll es mehr soziale Sicherheit geben.
Ginge es nach dem Geld, müsste Clinton das Präsidentschaftsrennen haushoch gewinnen. Die eingesammelten Dollar fließen in Zeitungs-, Radio- und TV-Werbung. Darin trommeln einfache Leute oder namhafte Persönlichkeiten wie Ex-CIA-Chef Michael Morell für die Demokratin. Am Ende jeder Werbung schließt Clinton mit den Worten: „I approve this message“, das heißt: sie billigt die Botschaft ausdrücklich.
Doch ob Clinton davon wirklich profitieren kann, ist umstritten. Tatsächlich könnte sich der Geldsegen sogar zu einem veritablen Nachteil für die Demokratin auftürmen. Denn damit bestätigt sich ihr größtes Vorurteil: dass Clinton eben Kandidatin der politischen, finanziellen und medialen Elite ist. Zu den Großspendern gehören unter anderem Steven Spielberg, Will Smith und Investmentlegende George Soros. Auch Geldgeber aus Japan, Großbritannien und Frankreich gehören dazu.
Trump versucht, den Geldreigen ihrer Gegnerin zum eigenen Vorteil auszunutzen. „Leute mit speziellen Interessen sagen dir genau, was sie wollen”, sagte Trump kürzlich während eines Wahlkampfauftritts. Seine Abneigung gegenüber der Lobby-Elite in Washington hat Trump erst an die Spitze der republikanischen Partei gebracht. Seine angebliche Unabhängigkeit gegenüber den politischen und wirtschaftlichen Eliten in den Vereinigten Staaten hat seine Glaubwürdigkeit bei den Wählern erhöht – und dazu geführt, dass er die Vorwahlen souverän gewann.
Geld ist der größte Stressfaktor in den USA
72 Prozent der Erwachsenen berichten, dass sie sich zumindest hin und wieder von Geldsorgen gestresst fühlen. 22 Prozent gaben an, dass Geld ein extremer Stressfaktor für sie ist. 26 Prozent gaben an, das ihre Geldsorgen sie fast immer begleiten
Auslöser für solche Stresssituationen sind etwa unerwartete Ausgaben, Rücklagen für die Rente zu schaffen und Ausgaben für lebensnotwendige Güter.
32 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Finanzen es nicht zulassen, einen gesunden Lebensstil zu führen.
Zwölf Prozent der Amerikaner haben im vergangenen Jahr einen eigentlich nötigen Arztbesuch aus Geldsorgen nicht gemacht.
Der Spenden-Reichtum Clintons bestätigt damit Trumps Kritik am Establishment. Hinzu kommen die gehackten E-Mails aus dem Umfeld der Demokratin, die eine Nähe zur Wirtschaftselite bestätigen. Kürzlich kam heraus, dass Clinton sich eine „öffentliche“ und eine „private“ Meinung zu eigen mache. Im Klartext: Wer Clinton wirklich ist und wofür sie steht, ist langjährigen Beobachtern nicht ganz klar – und erst recht nicht den Wählern.
Auch die jüngsten Wikileaks-Enthüllungen werfen kein gutes Licht auf Clinton. Sie bestätigen beispielsweise, dass Clintons Kampagnen-Manager John Podesta mit Großspender Jeffrey Katzenberg, dem Gründer von DreamWorks Animation, im März 2015 Mittagessen war. Zwölf Tage später bat Katzenberg um ein Gespräch mit Clinton. Einen Monat später folgte eine Bitte um ein Treffen mit Bill Clinton. Katzenberg hat eine Million Dollar für den Wahlkampf der Demokratin gespendet.
Auch mit Haim Saban, dem Chef der spanisch-sprachigen Medien-Gruppe Univision, hat es enge E-Mail-Konversationen gegeben, die Clinton und ihrem Team den Ruf einbringen könnten, für Geld politisches Entgegenkommen zu zeigen. Saban und seine Frau haben gemeinsam zehn Millionen Dollar für den Wahlkampf von Hillary gespendet.
Die gehackten E-Mails machen Clinton angreifbar. Vor allem bremsen sie die Kandidatin aus, gegen Trump offensiver vorzugehen. Derzeit hat man das Gefühl, Clinton suche eher die Ferne, um Fehler zu vermeiden.





Das liegt auch daran, dass Clinton weiterhin extrem unbeliebt ist – vor allem bei jungen Wählern, aber auch bei Frauen. Clinton gelingt es nicht, Trumps sexistische Aussagen zum eigenen Vorteil zu nutzen. Zwar hat Trumps Image deutlich gelitten, aber Clintons Vorsprung ist vergleichsweise gering. Sie schafft es nicht, die offensichtlich frauenfeindlichen Äußerungen Trumps gegen den Republikaner auszuspielen.
Dafür sorgen stattdessen andere. So wird Michelle Obama derzeit als Clintons Super-Waffe gesehen. Sie tourt durch die Staaten und macht Wahlkampf für Clinton. Man muss schon bis in die Sechzigerjahre zurückschauen, um Augenblicke zu finden, in denen sich eine First Lady vehement in den Wahlkampf eingemischt hat.
Michelle Obama sagte vor wenigen Tagen in New Hampshire: „Es ist egal, welcher Partei man angehört – ob Demokrat, Republikaner oder Unabhängige – keine Frau verdient es, so behandelt zu werden. Keiner verdient diese Art des Missbrauchs.” Ihre emotionale Rede hat gesessen. Sie hat viele Frauen überzeugt und die Nation bewegt.
Doch es war eben nicht Clinton, die in einer Welle der Sympathie die Gesellschaft gegen Trump vereint.