US-Wahlkampf Trump zerstört die Republikanische Partei

Die Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump entzweit Amerikas Konservative. Seine Niederlage ist vorgezeichnet – danach droht ein Überlebenskampf der "Grand Old Party".

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"Trump denkt, dass es ihn groß macht, wenn er Frauen erniedrigt"
Donald Trump leugnet beim dritten TV-Duell die Anschuldigungen mehrerer Frauen, er habe sie sexuell belästigt. Quelle: REUTERS
Hillary Clinton beim TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten in Las Vegas über die politische Erfahrung Donald Trumps. Quelle: AP
Donald Trump in Las Vegas über den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Quelle: dpa
Hillary Clinton bei der TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten Quelle: REUTERS
Donald Trump beim TV-Duell mit Hillary Clinton Quelle: AP
Die Demokratin Clinton reagierte mit harscher Kritik. Quelle: dpa
Trump attackierte Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre. Quelle: AP

Wer verstehen will, wie tief diese Republikanische Partei gesunken ist, muss im Steinberg Auditorium der Washington University in St. Louis nur auf die Bühne schauen. Dort treffen an einem milden Oktobersonntag die wichtigsten ökonomischen Berater der beiden Präsidentschaftskandidaten aufeinander. Gerade hat Gene Sperling gesprochen, Einflüsterer von Demokratin Hillary Clinton und ein vielfach bewährter Ökonom. Sperling hat nuanciert vorgetragen, wie sich Finanzkrisen erkennen und eindämmen lassen.

Und dann tritt auf die Bühne: Peter Navarro. Der Mann hat mal eine Talkshow moderiert und einen Dokumentarfilm gedreht. Darin wettert er zwei Stunden lang gegen die Währungs- und Wirtschaftspolitik Chinas, das laut Navarros Darstellung Tag und Nacht nichts anderes täte, als seine Währung künstlich niedrig zu halten, seine Arbeiter auszubeuten und seine Umwelt zu verpesten. So offensichtlich einseitig war der Film mit dem schönen Titel „Death by China“, dass die Kritiken verheerend ausfielen. Nur einer lobte die „wichtige Darstellung unserer Probleme mit China“: Donald Trump.

Navarro ist mittlerweile Trumps wichtigster Wirtschaftsberater. Und er spricht so, wie man sich die Alternative für Deutschland (AfD) auf Amerikanisch vorstellen würde. Wer ihm länger zuhört, versteht, woher Trump den Stoff für seine wirren Reden zur Wirtschaftspolitik bezieht. Allein der „Welthandel“ habe dazu geführt, dass in den vergangenen 15 Jahren in den USA 70 000 Fabriken geschlossen und fünf Millionen Jobs verloren gegangen seien, behauptet Navarro etwa. Er schüttelt sich am ganzen Körper, wenn er auf der Bühne in St. Louis „China“ nur aussprechen muss. Der Ökonom hält Importzölle von bis zu 43 Prozent für die einzige Sprache, die das aufstrebende Reich der Mitte verstehe. „So hohe Zölle würden China zu einer fairen Politik zwingen und amerikanische Konzerne bewegen, ihre Fabriken endlich wieder in die Heimat zu holen“, ruft Navarro in den Hörsaal. Zurück nach Charleston oder Detroit, Houston oder Oklahoma City.

So verstörend simpel der Auftritt auch ist – dass Navarro überhaupt so eine Bühne bekommt, offenbart, welch Wandlung die US-Konservativen vollzogen haben: Die einst so stolze Grand Old Party des ökonomischen Sachverstandes hat sich selbst zu einer anti-liberalen, noch dazu staats- und globalisierungsfeindlichen, protektionistischen Lobbytruppe degradiert.

Deren passende Galionsfigur heißt nun Trump. Er wähnt sich dabei in der Tradition von Republikaner-Ikone Ronald Reagan. Dessen Überzeugung war stets, der Staat sei das Problem, nicht die Lösung. Reagan kürzte deshalb Steuern, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Auch Trump will nun die Steuern massiv senken, für Unternehmen etwa auf 15 statt 35 Prozent Bundessteuern.

Die Marke Donald Trump

Doch es gibt da einen gravierenden Unterschied: Reagan tat all dies mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem tiefen Glauben an Amerikas grundsätzliche Anständigkeit. Trump hingegen hetzt und schimpft und spaltet. Mittlerweile sät er sogar Zweifel, ob die kommende Wahl fair verlaufen könne. Zudem sucht ausgerechnet der Milliardär mit weltweiten Geschäftsinteressen ganz anders als Reagan sein Heil in wirtschaftlicher Abschottung. Trump will Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko aufkündigen, solche mit Europa erst gar nicht verhandeln. Für ihn ist Freihandel das Grundübel für alle Probleme Amerikas.

Zum Beweis tourte Trump vor wenigen Tagen in den südöstlichen Bundesstaat North Carolina, um eine Liste jener Konzerne zu präsentieren, die Freihandelsabkommen schamlos ausnutzten, um Jobs nach Mexiko und Kanada zu verlagern. Ganz oben auf Trumps Liste: Daimler Trucks Nordamerika. Das Unternehmen habe in diesem Jahr 2771 Arbeiter in North Carolina entlassen, sieben Jahre zuvor aber eine Fabrik in Mexiko mit 1400 mexikanischen Arbeitern eröffnet, lautete der Vorwurf. Dass die Deutschen gleichzeitig ein Werk in South Carolina hochziehen und bis zu 1300 Jobs schaffen, erwähnte der Republikaner lieber nicht.

Ganz schön abgeschlagen

Es sind solche Töne, die Wirtschaftsliberalen unter den Republikanern Angst machen und die Partei ins Chaos stürzen. Eine ganze Riege konservativer Wirtschaftsexperten, angeführt vom Exweltbankpräsidenten Bob Zoellick, hat sich offen gegen ihn gestellt – und betont, Freihandel sei gerade Voraussetzung für US-Wohlstand.

Trumps Reaktion? Er schart Menschen um sich, die Globalisierung vor allem für eine globale Zumutung halten. Leute wie Rudolph Giuliani, einst Bürgermeister der Weltstadt New York, aber jetzt bemüht, die Welt von Amerika fernzuhalten. Bei einem Auftritt in Pennsylvania rief Giuliani gerade dem Publikum zu, er und Trump wollten auf keinen Fall eine Wirtschaftsordnung, die wie der europäische Binnenmarkt funktioniere. Ihre Maxime laute stattdessen: geschlossene Grenzen.

Schockierende Töne für eine republikanische Partei, die an ihre Spitze oft Vertreter der Wirtschaftselite wählte. Schon erinnert US-Beobachter die existenzielle Lage der Republikaner an das Jahr 1854. Damals spaltete sich ein progressiver Flügel von den konservativen Vorgängern ab, weil diese weiter Sklaven halten wollten. Nun, schreibt etwa der einflussreiche „New York Times“-Kolumnist Tom Friedman, sei eine ähnliche Allianz der rückwärts gewandten Kräfte zu beobachten, eine Melange aus Waffennarren, Tea-Party-Fanatikern, Leugnern des Klimawandels und latenten Rassisten. Friedman macht sich ernsthaft Sorgen, wie Amerika ohne vernünftige Republikaner funktionieren soll: Es brauche doch eine Partei, die marktorientiert denke und nicht immer alles dem Staat überlasse.

Die Wirtschaftsberater von Donald Trump

Aber könnten sich die Republikaner nach Trump überhaupt neu erfinden und wieder so eine solche Partei werden? Schon nach der krachenden Niederlage ihres glücklosen Bewerbers Mitt Romney 2012 gelobten sie, künftig etwa hispanische Wähler nicht länger auszugrenzen, die immer mehr Wähler stellen. Doch Kandidat Trump hetzt auch 2016 munter gegen Latinos. Die aktuelle Parteiführung hat sich noch immer nicht glaubhaft von ihm distanziert.

Dabei liegt Trump in Umfragen mittlerweile beinahe hoffnungslos zurück. Demokratin Clinton hat sogar angefangen, Wahlkampfgelder umzuschichten: Statt nur sich selbst zu bewerben, fördert sie nun gezielt auch demokratische Kandidaten für das Repräsentantenhaus und den Senat. Denn am 8. November wählen die Amerikaner nicht nur ihren Präsidenten, sondern auch eine Vielzahl von Vertretern für den Kongress.

Ein strategisch kluger Zug: Abgeordnetenhaus und Senat sind mächtige Institutionen im demokratischen System der USA. Sie müssen sämtlichen Gesetzen zustimmen. Der Senat bestimmt zudem über die Besetzung des obersten Verfassungsgerichts mit, das über Grundsatzfragen wie Abtreibung oder die Todesstrafe entscheidet. Dessen Richter werden auf Lebenszeit berufen. Derzeit halten sich Konservative und Liberale dort die Waage. Doch nach dem Tod eines Richters muss ein Nachfolger benannt werden. Wer ihn bestimmt, prägt indirekt Amerikas Gesellschaft auf Jahrzehnte.

Hillary Clinton

Acht Sitze Vorsprung haben die Konservativen noch im Senat. Und genau acht Rennen sind derzeit laut den Umfragen so eng, dass eine Prognose über den Ausgang nicht möglich ist. Sieben dieser acht umkämpften Sitze werden von Republikanern gehalten. Verteidigen die Republikaner ihre Mehrheit, könnten sie einer Präsidentin Clinton das Leben schwer machen und Gesetzesinitiativen torpedieren. Aber verlieren die Konservativen nicht nur das Präsidentschaftsrennen, sondern auch ihre Senatsmehrheit, könnten sie Clinton kaum noch bremsen.

Deshalb fürchten führende Republikaner längst nicht mehr eine Niederlage im Kampf um das Weiße Haus, sondern den Verlust ihrer wichtigen Blockademacht. Marco Rubio zum Beispiel, ein Vorwahl-Herausforderer von Trump und Exsenator in Florida. „Wir brauchen alle Mann an Bord“, ruft er bei einem Wahlkampfauftritt in Florida. Es klingt wie ein verzweifelter Aufruf, irgendwie noch zu retten, was zu retten ist. Und wer länger zuhört, merkt: Aus seiner Sicht geht das nur, wenn man den eigenen Kandidaten Trump auf den letzten Metern opfert.

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