US-Wahlkampf Nur wer Geld hat

Seite 2/2

USA werden nie Sozialstaat nach europäischem Vorbild

Obamas Konkurrenten
Die Kandidaten der Republikaner
Herman Cain Quelle: dapd
Michele Bachman Quelle: REUTERS
Jon Huntsman Quelle: dapd
Newt Gingrich Quelle: REUTERS
Rick Perry Quelle: dapd
Rick Santorum Quelle: dpa

Die "Elite", gegen die man rebelliert, sind weniger die Großverdiener und die Vermögenden als die intellektuellen Liberalen, die Latte-macchiato-Trinker und Europa-Liebhaber und die angeblich von ihnen beherrschte Bürokratie. Das jüngste Beispiel für diese Stoßrichtung des Volkszorns ist die Tea-Party-Bewegung, die als Lehre aus der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht etwa eine aktive Reformpolitik fordert, sondern noch mehr Markt und noch weniger Staat. Der Kapitalismus hat es in den USA auf eine erstaunliche Weise geschafft, populär zu bleiben. Wenn jetzt die Ungleichheit als Wahlkampfthema auftaucht, wird diese marktgläubige Weltsicht infrage gestellt. Das ist, wer immer am Ende als republikanischer Kandidat übrig bleibt, günstig für Barack Obama. Die Vereinigten Staaten werden nie ein sozialdemokratisches Land, ein Wohlfahrtsstaat nach europäischem Muster werden.

Politisch verwundbar

Aber dass man sich mit der Business-Elite nicht anlegen dürfte, ist durchaus kein Naturgesetz in den USA. Franklin D. Roosevelt hat in den 1930er Jahren die herrschenden Wirtschaftsinteressen mit einer Radikalität herausgefordert, die heute unerhört wäre. Und er hat damit Mehrheiten gewonnen. Nicht nur die Liebe zu free enterprise liegt in den amerikanischen historischen Genen, sondern auch der Widerwille gegen Privilegien, Unfairness und Herrschaftsallüren.

Poverty US Quelle: REUTERS

Obama bleibt ein politisch verwundbarer Präsident. Solange die wirtschaftliche Erholung fragil und die Arbeitslosigkeit hoch ist, muss er seine Abwahl im November fürchten. Auch ist die Kritik der Republikaner an ihm nicht komplett unberechtigt. Tatsächlich ist kein starker Wille zum Sparen und zu unangenehmen Besitzstandseingriffen bei der Obama-Regierung erkennbar, und ihre gesellschaftspolitischen Reflexe sind nicht, wie bei der Wahl 2008 versprochen, originell-überparteilich, sondern ziemlich konventionell links. Dass der Präsident einmal den öffentlichen Dienst oder irgendeine fortschrittliche Lobbygruppe mutig verärgert hätte, ist nicht erinnerlich.

Amerikanisches Gesellschaftsmodell

Trotzdem ist seine Leistung beachtlich – viel beachtlicher, als die Obama-Hasser auf der Rechten und die Obama-Enttäuschten auf der Linken wahrhaben wollen, die ihm nicht verzeihen, dass er das Gefangenenlager Guantánamo nicht geschlossen oder zu viele neoliberale Wirtschaftsberater beschäftigt hat. Etwas größer muss man den Rahmen schon anlegen, wenn in diesem Jahr ein gerechtes Urteil über Barack Obamas erste Amtszeit fallen soll.

Unter dem ungeheuren Druck der Krise und des gefährlichen politischen Frusts im eigenen Land hat er die Vereinigten Staaten global berechenbar gehalten. Er hat den Rückbau der unhaltbar gewordenen Übermachtstellung der USA in der Welt begonnen. Jetzt hat er die Chance, sein Bild von der Zukunft des amerikanischen Gesellschaftsmodells zu entwerfen. Die Debatte über die Ungleichheit ist dazu ein notwendiger Anfang.

Der Artikel ist zuerst erschienen bei Zeit Online

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%