Es war ein Überraschungsbesuch, der Donald Trump Auftrieb für den US-Wahlkampf geben sollte. Am Mittwoch sprach er in Mexiko City mit dem mexikanischen Präsidenten Peña Nieto das wohl heikelste Thema der nachbarstaatlichen Beziehungen an: den Bau einer Mauer, höher als alles, was bisher an der Grenze steht. Und Mexiko soll sie bezahlen. Doch die Frage, wer die Rechnung begleichen soll, sparte Trump im persönlichen Tête-à-Tête offenbar aus. „Wir haben darüber nicht gesprochen“, so Trump.
Per Twitter widersprach Nieto kurz nach dem Treffen: Er habe Trump „gleich zu Beginn des Treffens klar gemacht, dass Mexiko die Mauer nicht bezahlen“ werde. Damit stehen Aussage gegen Aussage.
Die Irritationen, die dieses Treffen ausgelöst hat, beschreiben den Wahlkampf um die US-Präsidentschaft sehr gut. Trump, der republikanische Rebell und Hardliner, sorgt seit Monaten mit wirren und zweideutigen Aussagen für Empörung. Er hetzt gegen jeden, der nicht weiß und männlich ist: gegen die elf Millionen illegalen Einwanderer, die er aus dem Land deportieren wolle. Er beleidigt muslimische Eltern, die ihren Sohn im Irak-Krieg verloren haben. Er verspottet Frauen, die für ihn nicht mehr sind als ein Sexobjekt.
Die Quittung lässt sich in den Wahlumfragen ablesen: Seit Wochen liegt Trump hinter der Demokratin Hillary Clinton. Zeitweise sahen ihn Marktforscher wie Ipsos sieben Prozentpunkte im Rückstand. Im Schnitt der letzten Umfragen liegen vier Prozentpunkte zwischen den Beiden. Hinzu kommt, dass Clinton in hart umkämpften Swing States wie Ohio, Florida und Michigan klar vorne liegt.
Die Marke Donald Trump
Als Baulöwe, Casinobetreiber, Golfclubbesitzer und Ausrichter von Schönheitswettbewerben hat der New Yorker ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar angehäuft – nach eigenen Angaben.
Trumps Satz „You’re fired“, mit dem er in der Show „The Apprentice“ ehrgeizige Jungunternehmer feuerte, wurde zum geflügelten Wort.
Trump spendete auch an Demokraten wie die Clintons, tritt nun aber für die Republikaner an.
Doch selbst wenn einflussreiche Republikaner wie Ohios Gouverneur John Kasich ihrem Parteifreund Trump offiziell die Gefolgschaft verweigern und Intellektuelle Trumps Lernkurve mit einer „Geraden auf der Nullline“ vergleichen, so darf man den Milliardär längst nicht abschreiben. Trump gilt als Mann, der gegen das Establishment einen Feldzug führt. Und deshalb ist er unberechenbar.
Die Umfragen spiegeln ohnehin nur eine Momentaufnahme wieder. Trump, der Anti-Kandidat, hat noch Chancen auf das Weiße Hazs. Und Clintons Vergangenheit könnte die Demokratin im Wahlkampf blockieren. Das macht das Rennen um die Präsidentschaftswahl am 8. November so spannend und schwer vorhersagbar. Vier Aspekte könnten Trump ins oberste Amt hieven.
1. Trump ist unbeliebt, aber womöglich wählbar
Zwar hat Trump zahlreiche Wählergruppen beleidigt: Schwarze, Latinos und Frauen.- ie Unterstützung in diesen Gruppen für Trump ist gering. Trump scharrt vor allem weiße Männer um sich, die nicht selten ungebildet sind und am sozialen Rand stehen.
Doch Trump ist dabei, den Spieß umzudrehen. Er attackiert nicht Clinton, die in ihrem Leben nachweislich viel für die schwarze Community getan hat. Sein Feind ist Barack Obama, dem er vorwirft, als erster schwarzer Präsident nichts für Afro-Amerikaner erreicht zu haben. Tatsächlich ist deren wirtschaftliche Situation auch acht Jahre nach Amtsantritt von Obama zum Teil katastrophal: hohe zweistellige Arbeitslosenzahlen in schwarzen Vierteln und deutlich mehr Schwarze in Armut als noch vor acht Jahren. Obama hat es versäumt, eine Brücke zu bauen.
Die Trump-Kampagne läuft noch nicht auf Hochtouren
Trumps Angebot an die black community wirkt zwar wenig überzeugend. „Was habt Ihr schon zu verlieren“, rief er den Schwarzen in Wahlkampfreden zu. Aber Trump steht als Unternehmer eher für jemanden, dem man zutraut, Jobs zu schaffen. Für arbeitslose Schwarze könnte das ein Argument sein, selbst einem verhassten Trump am Ende die Stimme zu geben.
Ähnlich schwammig ist die Situation bei einer anderen Klientel. Trump gilt als Macho, der mit sexistischen Aussagen etwa über flach-brüstige Frauen weibliche Wähler verschreckt. In Staaten wie Colorado, Virginia und North Carolina wählten vor vier Jahren Frauen mehrheitlich den republikanischen Herausforderer Mitt Romney. Trump liegt zurück. Doch Clinton selbst ist unter Frauen nicht sehr beliebt. Ihr Vorsprung wirkt brüchig. Hinzu kommt, dass sie den Trump-Sexismus nicht als Wahlkampfthema ausschlachten kann. Die frühere Affäre ihres Mannes Bill mit einer Praktikantin lässt das schlicht nicht zu.
2. Trumps Leute haben das Werbebudget noch nicht ausgeschöpft
Die Trump-Kampagne läuft noch nicht auf Hochtouren. Zwar reist er durchs Land und hält Wahlkampfreden. Doch Trumps Unterstützer, auch Political Action Committtees (PAC) genannt, haben noch nicht die gesamte Munition verschossen. Sie werben noch verhältnismäßig wenig.
So investieren beispielsweise Großspender, so genannte Super PACs, viel Geld in Werbung, um ihre Kandidaten zu unterstützen und Botschaften zu streuen. Eine der bekanntesten Lobbygruppen heißt „Priorities USA“ und unterstützt Hillary Clinton. Demokratische Super PACs haben etwa in Virginia zahlreiche Werbespots finanziert. In dem Swing State lag Clinton zeitweise acht Prozentpunkte vorn. Doch republikanische Super PACs halten sich bislang noch zurück. Demokraten wissen, dass das zu einem Problem werden kann, wenn die Republikaner hier nachlegen.
3. Der ungewisse Ausgang der E-Mail-Affäre
Die Affäre um den privaten E-Mail-Account von Hillary Clinton ist noch nicht ausgestanden. Clinton hat während ihrer Zeit als Außenministerin nachweislich dienstliche E-Mails über ihren privaten Account verschickt. Das kann man als Unachtsamkeit abtun, aber in den USA kann sich so etwas schnell zu einer Staatsaffäre aufschaukeln. Und das könnte passieren.
Denn ein Bericht des FBI hat zwar geschlussfolgert, dass gegen Clinton keine Klage erhoben werden muss. Doch Ende September wird es einen neuen Bericht geben. Sollte sich der Vorwurf bestätigen, dass Clinton tatsächlich geheime Informationen über ihren privaten E-Mail-Account verschickte, wird Trump dies ausschlachten. Sein Argument, Clinton sei als US-Präsidentin und Oberbefehlshaberin der Streitkräfte unfähig, könnte bei vielen Amerikanern verfangen.
Der "Jesse-Ventura-Effekt"
Außerdem könnte eine weiteres Thema eine große Rolle spielen: die Clinton Foundation. Die gemeinnützige Stiftung, die der 42. Präsident der Vereinigten Staaten Bill Clinton nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus 2001 gegründet hatte, könnte für Hillary zu einem Problem werden. Es gibt Vorwürfe, dass die damalige Außenministerin Clinton erst dann Delegationen empfangen hat, nachdem diese für die Stiftung gespendet haben. Konkret geht es um eine Spende des Kronprinzen von Bahrein, Salman bin Hamad al-Khalifa, der zeitnah zu seiner Spendenzahlung an die Stiftung einen Termin bei Hillary Clinton bekommen hat.
4. Der Gesundheitszustand von Hillary Clinton
Im Vergleich zum dynamischen Barack Obama wirken sowohl Trump als auch Clinton allenfalls wie rüstige Rentner. Trump ist 70 Jahre alt und Clinton 68. Doch vor allem bei der Demokratin gibt es Zweifel, ob sie den gesundheitlichen Anforderungen als US-Präsidentin gewachsen ist. Und Trump weiß dies für sich zu nutzen.
Clinton hatte vor wenigen Jahren nachweislich eine Gehirnerschütterung und soll bis heute das Medikament Coumadin einnehmen – ein Blutverdünner, der Blutgerinsel verhindert. Die Gesundheit Clintons hat in den vergangenen Wochen eine große Rolle im Wahlkampf gespielt. Gut möglich, dass auch dies den Ausgang der Wahl beeinflussen kann – zugunsten von Trump.
Und last but not least: Der Jesse-Ventura-Effekt. Ventura war in den Neunzigerjahren Profi-Wrestler in den USA. Er stellte sich in Minnesota als Querkopf und unabhängiger Kandidat zur Wahl des Gouverneurs – und wurde gewählt. Ganz einfach, weil er gegen das bisherige Establishment agierte. So stach er die Kandidaten der Demokraten und Republikaner aus. Sein damaliger Slogan im Wahlkampf: „Don't vote for politics as usual”. Irgendwie erinnert das an Donald Trump.