USA Amazon kämpft für massive Erhöhung des Mindestlohns – das steckt dahinter

Der Vorstoß für einen höheren Mindestlohn in den USA nimmt an Fahrt auf. Quelle: imago images

Biden will in den USA einen höheren Mindestlohn einführen. Unterstützung bekommt er von unerwarteter Seite: vom Big Business. Welche Unternehmen dafür kämpfen und warum.

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Der Vorstoß für einen höheren Mindestlohn in den USA nimmt an Fahrt auf. Seit Wochen arbeiten die Demokraten im Kongress an einer Gesetzesvorlage, die die Lohnuntergrenze auf Bundesebene von derzeit 7,25 Dollar auf 15 Dollar im Jahr 2025 mehr als verdoppeln würde. Es ist eine der höchsten Prioritäten der neuen Biden Administration und der knappen Mehrheit seiner Partei in Repräsentantenhaus und Senat, die ihren Wählern einen kräftigen Anstieg versprochen haben. Die Arbeiten laufen unter Hochdruck. Schon im März könnte ein entsprechendes Gesetz in Washington zur Abstimmung gestellt werden.

Unterstützung bekommen die neuen Machthaber in der amerikanischen Hauptstadt von unerwarteter Seite: vom Big Business. Eine ganze Reihe großer und einflussreicher Unternehmen spricht sich mittlerweile ebenfalls für einen deutlich höheren Mindestlohn aus. Damit reicht die Allianz für 15 Dollar pro Stunde mittlerweile vom demokratischen Sozialisten Bernie Sanders bis zu Jeff Bezos – dem reichsten Menschen der Welt.

Dessen Gründung Amazon gehört zu den wichtigsten Unternehmen, die sich für den höheren Mindestlohn einsetzen. Seit 2018 gilt die Lohnuntergrenze ohnehin bereits im amerikanischen Teil des Konzerns. Jetzt spricht sich die Führung auch für eine gesetzliche Lösung aus. Man unterstütze die Bemühungen der Demokraten, das „Einkommen von Millionen von Arbeitskräften zu erhöhen und die nationale Wirtschaft anzukurbeln“, so Senior Vice President Jay Carney in einem Beitrag auf dem Unternehmensblog.

Carney diente vor seiner Zeit im Unternehmen Ex-US-Präsident Barack Obama als Sprecher. Eine gewisse Nähe zu progressiven Anliegen darf man ihm also durchaus unterstellen. Doch ein landesweiter Mindestlohn würde auch Amazon mutmaßlich helfen. Da der Konzern ohnehin bereits 15 Dollar pro Stunde bezahlt, würde eine Anhebung kaum zusätzliche Kosten verursachen. Für die Konkurrenz könnte es allerdings erheblich teurer werden.

Ein globaler Vorkämpfer für höhere Mindestlöhne wird aus Amazon trotz der Unterstützung in den USA nicht. In Deutschland etwa bezieht das Unternehmen gegenüber der WirtschaftsWoche keine Position zur Frage, ob auch hierzulande eine höhere Lohnuntergrenze wünschenswert wäre. Stattdessen verweist ein Sprecher darauf, dass das Lohnniveau bereits heute mehrere Euro über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt.

Andere deutsche Unternehmen gehen da weiter. Einzelhändler Lidl etwa spricht sich „deutlich für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns sowie für die Tarifbindung aus“, so ein Sprecher. Das Unternehmen kennt sich mit hohen Lohnuntergrenzen aus. In der Schweiz erhöhte sie das Mindestgehalt kürzlich um 6,2 Prozent – auf 24,50 Franken. In den USA hat das Unternehmen zudem bereits ebenfalls in mehreren Regionen eine Lohnuntergrenze von 15 Dollar eingezogen.

von Henryk Hielscher, Matthias Hohensee, Michael Kroker, Cornelius Welp, Silke Wettach

Auch andere deutsche Unternehmen in den Vereinigten Staaten haben mit der Vorstellung eines höheren Mindestlohns kein Problem: „Die größte Herausforderung im Hinblick auf Arbeitskräfte für deutsche Tochtergesellschaften in den USA ist die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften“, so Mark Tomkins von der deutschen Außenhandelskammer in Chicago. „Die mögliche Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde wird darauf keinen grundlegenden Einfluss haben.“

Ob die Erhöhung tatsächlich durch den Kongress kommt, hängt jedoch vor allem von der Unterstützung amerikanischer Unternehmen ab. Und die gibt es auch unabhängig von Amazon. Einzelhandelsriese Target etwa hat die Untergrenze bereits eingeführt. Gleiches gilt für Hobby Lobby und die Supermarktkette Walmart, den größten Arbeitgeber in den USA. Und auch Fast-Food-Riese McDonald’s hat den Widerstand mittlerweile aufgegeben. Man werde an Lobbyaktivitäten gegen die Erhöhung nicht mehr teilnehmen, so das Unternehmen bereits 2019.

Trotz dieser prominenten Unterstützer: An Widerstand gegen das Vorhaben mangelt es dennoch nicht. Organisiert wird er derzeit vor allem über die Verbände. Die National Restaurant Association warnte etwa zuletzt, die Erhöhung könnte „mehr Schaden als Gutes“ anrichten. Auch die International Franchise Association erklärte das Anliegen für konterproduktiv: „Die Löhne für einen Teil der Belegschaften mehr als zu verdoppeln wird angeschlagene Unternehmen weiter beschädigen und die wirtschaftliche Erholung ausbremsen“, so Cheflobbyist Matt Haller. Ähnlich äußerte sich Kevin Kuhlmann von der National Federation of Independent Businesses. Großunternehmen könnten die höheren Kosten womöglich abfedern, so Kuhlmann, „doch für Kleinunternehmen würde es nur noch schwerer werden, mit ihnen zu konkurrieren“.

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Unterstützt werden diese Warnungen von einem aktuellen Bericht, den das überparteiliche Congressional Budget Office (CBO) in dieser Woche veröffentlichte. Demnach würde die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar bis 2025 rund 1,4 Millionen Jobs gefährden. Ob diese Prognose allerdings die Bewegung hin zu einer höheren Lohnuntergrenze noch aufhalten kann, ist eine andere Frage. Denn die Öffentlichkeit wünscht sich die Erhöhung. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung hält Umfragen zufolge den aktuellen Mindestlohns von 7,25 Dollar für zu niedrig. Rund zwei Drittel unterstützen die 15 Dollar.

Mehr zum Thema: Der neue US-Präsident Joe Biden möchte in seinem Land einen der weltweit höchsten Mindestlöhne einführen. Das könnte den amerikanischen Arbeitsmarkt spalten.

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