USA-Atomwaffenprogramm Regierung will Abschreckung durch neue nukleare Optionen

Laut einem internen Dokument zur Atomwaffenstrategie wollen die USA ihr Atomwaffenarsenal grundlegend modernisieren. Durch Abschreckung soll vor allem der Frieden in Europa gesichert werden. Kritiker bezweifeln das.

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US-Regierung will Abschreckung durch neue nukleare Optionen Quelle: AP

Washington Erstmals seit dem Jahr 2010 haben die USA ihre Atomwaffenstrategie einer grundlegenden Revision unterzogen. Ein Entwurf des Abschlussberichts wurde in den vergangenen Tagen bekannt. Demnach wollen die USA - vor allem mit Blick auf Russland - ihr Atomwaffenarsenal umfassend modernisieren. Mit einer Strategie der Abschreckung sollen russische Bedrohungen gegen europäische Verbündete abgewendet werden. Ein Atomkrieg werde damit weniger wahrscheinlich. Kritiker befürchten genau das Gegenteil.

Das Dokument, das unter dem Titel „Überprüfung der nuklearen Situation“ firmiert, spricht sich für eine aggressivere Haltung der USA bei Atomwaffen aus. Es gehört zu einer Reihe von Studien, die Präsident Donald Trump seit Amtsantritt zur Sicherheitsstrategie in Auftrag gegeben hat.

In vielen Punkten bekräftigt die neue Studie die Atompolitik seines Amtsvorgängers Barack Obama, vor allem mit Blick auf die Erneuerung der Schlüsselelemente im Atomwaffenarsenal über die kommenden zwei Jahrzehnte. Die USA würden sich dabei an die bestehenden Abkommen zur Waffenkontrolle halten, heißt es darin. Allerdings werden die Aussichten für neue Abkommen dieser Art kritisch gesehen.

Es wird erwartet, dass die Ergebnisse Anfang Februar öffentlich gemacht werden, in engem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit Vorschlägen über den Stand und den künftigen Kurs der USA bei der Verteidigung gegen ballistische Raketen.

Anders als Obama sieht der Bericht im Auftrag Trumps jedoch nicht vor, die Bedeutung der Atomwaffen auf lange Sicht zu reduzieren. Wie Obama würde auch Trump Atomwaffen zwar nur unter „extremen Umständen“ einsetzen. Doch der Bericht setzt stärker auf die Abschreckung durch die Waffen - gerade mit Blick auf Russland und Europa.

Die „Huffington Post“ veröffentlichte am Donnerstag einen Entwurf des Nuklear-Berichts am Donnerstag online, die Nachrichtenagentur Associated Press erhielt unabhängig davon am Freitag eine Kopie des Papiers. Das Pentagon erklärte auf Anfrage, es handele sich um einen unfertigen Entwurf, der noch von Trump geprüft und gebilligt werden müsse.

Neben China ist es in erster Linie Russland, das dem Bericht zufolge ein schärferes Vorgehen in der Atomwaffenpolitik nötig macht. Die US-Regierung geht davon ans, dass Moskaus Politik und Handeln das Risiko einer Fehleinschätzung berge, die zu einer unkontrollierten Eskalation von Konflikten in Europa führen können.


Risikosenkung durch neue nukleare Optionen

Moskaus Doktrin ist unter dem Motto „eskalieren, um zu deeskalieren“ bekannt. Sie könnte nach Einschätzung der USA dazu führen, dass Russland bei einem begrenzten konventionell geführten Konflikt in Europa mit dem Einsatz von nuklearen Kurzstreckenwaffen drohen könnte und diese womöglich sogar einsetzen würde - in der Annahme, die USA und die Nato damit zum Einlenken zu bringen.

Der Bericht der US-Regierung sieht nun ein zweistufiges Vorgehen vor. Zunächst soll eine kleine Zahl von Langstreckenraketen auf den Trident-U-Booten auf Atomsprengköpfe mit einem kleineren Wirkungsgebiet umgerüstet werden.

Auf längere Sicht sollen dann wieder seegestützte, atombestückte Marschflugkörper (Cruise Missiles) zur Verfügung stehen - jene Atomwaffen aus dem kalten Krieg, die Obama im Jahr 2011 ausrangiert hatte. In Kombination sollen diese beiden Schritte regionale Aggression verhindern und Russland davon abhalten, begrenzt Atomwaffen einzusetzen.

Das Interesse am Zustand und der Rolle der US-Atomwaffen ist auch gewachsen, seit Nordkorea sein eigenes Atomwaffenarsenal entwickelt, das nach Angaben Pjöngjangs vor allem gegen die USA gerichtet ist.

Die US-Regierung sieht die Drohungen aus Nordkorea, zusammen mit der provozierenden Nuklear-Rhetorik aus Russland als Beweis dafür, dass die Vorstellung nicht weiter trägt, wonach die USA sich weniger auf Atomwaffen verlassen könnten oder ihre nationale Verteidigung hinten anstellen könnten. Ein weiteres Indiz dafür: In dem Bericht wird eine neue russische Waffe erwähnt, eine nuklear bestücktes Drohnentorpedo, das unter Wasser weit entfernte Ziele erreichen kann.

Die Autoren der US-Atomdoktrin argumentieren, dass neue nukleare Optionen, um Russland in Europa abzuschrecken, das Risiko eines Krieges verringern würden. Derzeit seien Flugzeuge, die mit Atomwaffen ausgerüstet werden könnten, die einzige Möglichkeit in Europa, nukleare Schläge zu führen. Das habe für Russland zunehmend an Abschreckung verloren, auch weil diese von der russischen Luftabwehr abgefangen werden könnten. Deswegen sei es so wichtig, auch wieder seegestützte Atomwaffenoptionen zu haben.

„Das ist nicht dafür gedacht, nukleare Kriege zu führen oder möglich zu machen“, heißt es in dem Bericht. Das Ziel sei, einen Atomkrieg unwahrscheinlicher zu machen, indem man sicherstelle, dass „potenzielle Feinde“ keinen Vorteil darin sähen, einen konventionellen Konflikt auf die nukleare Stufe zu eskalieren.

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