USA, China und die EU „Wir sollten China nicht zum Feind erklären“

Flaggen von China und den USa nebeneinander Quelle: imago images

Die globalen Konflikte nehmen zu. Trotzdem sollte Europa sich nicht mit der scharfen US-Rhetorik gegenüber China gemeinmachen, aber eben auch nicht naiv gegenüber der aufstrebenden Weltmacht sein – fordert die Expertin Janka Oertel.

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Die Politikwissenschaftlerin und Sinologin Janka Oertel leitet das Asien-Programm beim European Council on Foreign Relations. Davor arbeitete sie beim German Marshall Fund of the United States und der Körber-Stiftung.

WirtschaftsWoche: Frau Oertel, die Konflikte zwischen den drei großen Blöcken USA, China und EU nehmen zu. Woran liegt das eigentlich?
Janka Oertel: Es kommt drauf an, wessen Perspektive man einnimmt. Fangen wir mit der europäischen an. Europa hat immer mehr das Gefühl, im Konflikt zwischen den USA und China zwischen den Stühlen zu sitzen und bisweilen die Füße nicht mehr auf den Boden zu bekommen. Wenn es irgendwie geht, wollen wir uns hier in Europa nicht entscheiden müssen, denn wirtschaftlich sind beide Partner für uns extrem wichtig. Wir merken aber zusehends, dass das nicht mehr geht – so wie beim Konflikt um 5G und Huawei. Denn auch Chinas Politik gegenüber Europa verändert sich und wird deutlich aggressiver.

Inwiefern?
In China dominiert inzwischen auch innenpolitisch das Narrativ des systemischen Wettstreits, der Referenzpunkt ist hier aber eher Washington als Brüssel: Die USA würden Chinas Aufstieg verhindern und den eigenen relativen Machtverlust nicht anerkennen wollen. Deshalb streut die Pekinger Propaganda zum Beispiel die These, dass der Ursprung des Coronavirus völlig unklar sei, dass es möglicherweise gar aus den USA nach China gekommen sein könnte. Europa wird in diesem Konflikt im Zweifel zum Kollateralschaden. Europäische Interessen, zum Beispiel mit Blick auf Hongkong, stehen sehr deutlich hinter Pekings innenpolitischen Erwägungen zurück.

von Julian Heißler, Jörn Petring, Max Haerder, Silke Wettach

Weil die Machthaber in Peking wissen, dass wir eh nur drohen, aber keine schärferen Mittel wählen?
Natürlich könnten wir hier in Europa über Sanktionen nachdenken. Aber dabei schwingt immer auch mit, dass ein schlechtes Verhältnis zu China den dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung gefährden könnte. Europas Optionen sind sehr eingeschränkt, wenn wir nicht einen wirklichen Konflikt mit Peking riskieren wollen.

Wie blicken die USA auf die sich verschärfenden globalen Konflikte?
Dort gibt es, wie bei vielen anderen Themen auch, derzeit zwei Ebenen: die Administration und den Präsidenten selbst. Donald Trump findet China toll, wenn ein Handelsabkommen nah ist und verdammt es, wenn er einen Schuldigen für die Wirtschafts- und Gesundheitskrise daheim braucht. Was die Administration in den Strategiepapieren darlegt, ist dagegen seit Jahren konsistent: Dort wurde der Systemkonflikt nüchtern analysiert. Die Schlussfolgerung ist, dass die USA alles daran setzen müssen, die eigene globale Führungsrolle zu erhalten. Für den Wettstreit mit China im wirtschaftlichen Bereich heißt dies auch, die Marktdominanz chinesischer Konzerne in Schlüsselindustrien zu verhindern.  

Was raten Sie Deutschen und Europäern?
Wir haben eine jahrzehntelang gewachsene Partnerschaft mit den USA. Trotzdem müssen wir uns nicht mit konfrontativer amerikanischer Rhetorik gemeinmachen. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht naiv sein: Wir sind global einem sich verschärfenden Wettbewerb insbesondere mit China ausgesetzt – sowohl politisch als auch ökonomisch. Das wiederum heißt aber nicht, dass wir unsere Volkswirtschaften gänzlich von der chinesischen entkoppeln müssen oder gar China zum Feind erklären sollten.

Sondern?
Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und dafür sorgen, dass unsere Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und wir klar sagen, wofür wir stehen. Das heißt auf internationaler Ebene, mit Nachdruck unsere Werte und Interessen deutlich zu machen. Für kritische Industrien heißt dies auch, genau zu schauen, wo Abhängigkeiten gegenüber China bestehen, die nicht vertretbar sind. Hier muss diversifiziert werden – das ist nicht schlecht für die Globalisierung, das kann sogar dazu beitragen, andere Regionen deutlich attraktiver zu machen.

Wir müssen besser werden anstatt zu versuchen, China zu ändern?
Ja, Letzteres wird uns ohnehin schwer gelingen. Fairere Wettbewerbsbedingungen für unsere Firmen in China herzustellen, bleibt auf absehbare Zeit schwierig. Derzeit ist das chinesische System klar darauf ausgerichtet, die heimischen Firmen zu bevorzugen. Wir können aber im Binnenmarkt und auf Drittmärkten eine Menge tun. Und haben damit zum Glück auch längst begonnen. Vor allem in Brüssel werden die Weichenstellungen vorgenommen – vom Investment Screening bis zum Wettbewerbsrecht. Außerdem ist die EU intensiv dabei, vor allem in Asien bilaterale Handelsabkommen abzuschließen, in denen sich unsere Werte und Standards widerspiegeln.

Was im Umkehrschluss allerdings auch heißt: So richtig Ernst nehmen wir die Welthandelsorganisation auch nicht.
Sie bleibt für Europa der Kern der internationalen Handelsordnung, aber so lange der Reformprozess stockt, muss die EU eben auch andere Optionen verfolgen.

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Technische Standards gelten als trockene und langweilige Materie. China aber hat begriffen, welche Bedeutung sie haben: Die neue Weltmacht setzt Normen zunehmend als effizientes geopolitisches Instrument ein.

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