Charleston, South Carolina
Für einen nachhaltigen Aufschwung braucht Amerika ein Comeback der Industrie, die sich derzeit mit Investitionen zurückhält. Vor allem Green Tech soll nun neue Jobs schaffen.
Am Hafen von Charleston steht John Kelly mit einem bunten Blatt Papier in der Hand inmitten einer riesigen Baustelle. „Sehen Sie, hier, die Windturbinen können direkt an den Hafen geliefert und in unsere neue Halle geschafft werden“, schwärmt der Mann und tippt mit dem Zeigefinger auf der Computeranimation auf dem Papier herum. Noch ist von der neuen Halle nicht viel zu sehen, doch bis Mai 2013 soll auf dem Hafenareal, einem alten Warenlager der Marine, das größte und modernste Testzentrum für Windkraftturbinen der Welt entstehen. Kelly ist Direktor für ökonomische Entwicklung am Clemson University Restoration Institute in Charleston, wo das Projekt angesiedelt ist. Die US-Regierung pumpt 45 Millionen Dollar in das Testzentrum, weitere 53 Millionen Dollar schießt der Bundesstaat South Carolina zu. Rund 800 direkte und indirekte Jobs soll das Projekt schaffen, wenn hier bald Konzerne wie GE und Siemens neue Turbinen testen.
Ausgerechnet der tief republikanische Süden Amerikas profitiert damit von Präsident Obamas grüner Innovationsoffensive. Nicht nur die Förderung konventioneller Ressourcen wie Gas und Öl hat Obama in den vergangenen vier Jahren vorangetrieben, sondern auch Investitionen in alternative Energien. Bis 2020, so das Ziel, soll die Windenergie rund 20 Prozent der Energieerzeugung in den USA ausmachen – und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen.
Die größten Pleitekandidaten der USA
Kaliforniens Haushaltsloch brachte schon Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger zur Verzweiflung. Weder die Schließung von Gefängnissen noch die Sperrung von Nationalparks konnten die Finanzkrise des Landes lösen. In diesem Jahr wird im bevölkerungsreichsten US-Staat wohl eine Lücke im Haushalt von 25,4 Milliarden Dollar klaffen. Zur Einordnung: Das ist fast ein Drittel (29,3 Prozent) des Gesamtetats von 2011. Nun wird überall gespart – außer bei der Filmförderung für Hollywood.
Der fünftgrößte US-Staat war jahrelang die Heimat von US-Präsident Barack Obama. Er arbeitete in Chicago und ist noch heute in der „windy city“ äußert beliebt. Die Finanzlage des Landes ist besorgniserregend. Für 2012 erwartet Illinois ein Haushaltsloch von 15 Milliarden Dollar (44,9 Prozent des aktuellen Budgets). Die Bonität des Staates gilt schon jetzt als gering. Investoren leihen Illinois nur für hohe Zinsen ihr Geld. Die Schuldenspirale dreht sich damit immer weiter.
Der Bundesstaat an der Grenze zu Kanada hat nicht nur viele Gewässer ("Land der tausend Seen"), sondern auch viele Schulden. Für das Gesamtjahr 2012 gehen die Behörden von einem Haushaltsloch von knapp vier Milliarden US-Dollar aus. Schon im Juli 2011 war Minnesota zeitweise zahlungsunfähig. Zoos und Nationalparks wurden geschlossen, Bauarbeiten an Straßen wurden eingestellt und 22.000 staatliche Bedienstete in den unbezahlten Urlaub geschickt.
Der kleine Ostküstenstaat zwischen New York und Rhode Island steckt ebenfalls in der schwersten Finanzkrise seiner Geschichte. Im Haushalt 2012 fehlen 3,7 Milliarden Dollar (20,8 Prozent des 2011er-Etats). Selbst die private Elite-Uni Yale in Connecticut bleibt von der Krise nicht verschont. In ihrem Uni-Budget für 2011/12 fehlen 68 Millionen Dollar.
Der Südstaat musste in den vergangenen Jahren viele Tiefschläge verkrafte. Erst wütete Hurrikan „Katrina“ über das Land, dann folgte eine schmerzhafte Rezession und 2010 schließlich noch die Ölkatastrophe. Der Haushalt ist vollkommen überlastet. Es klafft 2012 ein Loch von 1,7 Milliarden US-Dollar (22 Prozent des 2011er-Etats).
Der Wüstenstaat ist durch eine Stadt weltbekannt: Las Vegas. Die Spielermetropole zieht jährlich Touristen aus allen Teilen der Erde an. Der Haushalt des Bundesstaates kann davon aber nicht profitieren. 2012 wird der Haushalt eine Lücke von 1,5 Milliarden Dollar aufweisen. Allerdings: Die Summe entspricht fast der Hälfte des derzeitigen Etats Nevadas.
Der nördliche Nachbar von Kalifornien wird 2012 wohl ein Haushaltsloch von 1,8 Milliarden US-Dollar verkraften müssen. Diese Summe beträgt ein Viertel des Gesamthaushaltes von 2011. Es wird drastisch gespart: Sowohl bei Kranken und Rentnern als auch bei Schülern und Studenten.
Hohe Arbeitslosenquote
Notwendig sind diese Jobs dringend. Auch vier Jahre nach der Finanzkrise sind immer noch Millionen von Amerikanern ohne Arbeit, vor allem die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist für US-Verhältnisse extrem hoch. Im September ist die Arbeitslosenquote zwar erstmals nach vier Jahren landesweit unter die acht Prozent gerutscht, doch in vom Strukturwandel betroffenen Staaten wie South Carolina liegt sie über dem nationalen Durchschnitt.
Das Problem: Statt Stellen zu schaffen, neue Fabriken zu bauen oder Maschinen zu kaufen, geben viele US-Industriekonzerne derzeit lieber Milliardensummen für den Rückkauf eigener Aktien aus. Seit 2009 liegt der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt in den USA unter dem historischen Durchschnitt.
Für Nikki Haley ist das Windprojekt darum umso wichtiger. Die republikanische Gouverneurin von South Carolina lässt keine Chance ungenutzt, die Industrie in ihrem strukturschwachen Bundesstaat anzukurbeln. Ihre einfache Strategie: „Wir haben gute Arbeiter, niedrige Löhne – und vor allem keine Gewerkschaften, die unseren Unternehmen das Leben schwer machen.“
South Carolina war lange von der Landwirtschaft geprägt, dann kam die Textilindustrie – und verschwand wieder. Bis Ende der Neunzigerjahre war die Küstenstadt Charleston ein wichtiger Standort der US-Marine; als ihn die Navy dichtmachte, gingen an die 7.000 Arbeitsplätze verloren. Daher war es ein echter Coup, den Gouverneurin Haley 2011 schaffte. Der US-Flugzeughersteller Boeing entschied sich, sein neues Langstreckenflugzeug Dreamliner in dem Südstaat zu bauen. Über 3.000 neue Jobs hat das Unternehmen hier geschaffen, freilich angelockt von hohen Fördergeldern. Rund 45 Millionen Dollar spendierte der Bundesstaat für ein Aus- und Weiterbildungsprogramm, damit der Konzern die richtigen Arbeiter zum Bau seiner Flugzeuge findet – denn die fehlten. Angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage bewarben sich Tausende auf die Stellen, kaum einer von ihnen hatte jemals zuvor mit Flugzeugen zu tun. „Da meldeten sich selbst Schiffsmechaniker und Marinesoldaten“, sagt Jim Maxon. Über zwei Jahre hinweg hat der Projektleiter mit Boeing-Ingenieuren am Trident Technical College in North-Charleston Hunderte ausgebildet, bevor sie in den Boeing-Job wechselten.