Chris Christie ist der Mann der nächsten Tage. Der Gouverneur von New Jersey hat in den letzten Wochen das „transition team“, also das Übergangsteam von Donald Trump geleitet. Er hat im Hintergrund Listen aufgestellt, wer Minister werden könnte, wer die wichtigsten Behörden leiten soll und wie Trump die Amtsgeschäfte am 20. Januar übernehmen wird.
Doch ausgerechnet Christie, der übergewichtige Republikaner, steht derzeit wegen eines Politik-Skandals in seinem Staat unter Druck. Enge Mitarbeiter von ihm hatten 2013 eine Brücke sperren lassen, um einen Verkehrsstau zu verursachen, der den demokratischen Bürgermeister der Stadt Fort Lee schaden sollte. War Christie involviert? Derzeit laufen staatsanwaltliche Untersuchungen.
Christie geht angeschlagen in die wichtige Vorbereitungszeit, bis Donald Trump am 20. Januar 2017 die Amtsgeschäfte von Barack Obama offiziell übernehmen wird. Der Zeitdruck ist groß. Denn Trump hatte sich im Wahlkampf kaum mit der personellen Zukunft seiner Regierung beschäftigt - schon allein deshalb, weil ein Sieg des Republikaners als unwahrscheinlich galt.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Doch nun muss Trump mit potenziellen Kandidaten Gespräche führen. Trump wird bis zu 4000 Top-Beamte ernennen müssen. Ein Viertel davon muss der Senat bestätigen. Doch Widerstand ist nicht zu erwarten. Die erste Kammer des Kongresses ist weiter in Republikaner-Hand. Gleichzeitig wird Trump den Großteil seines Kabinetts bis zum Erntedankfest am 24. November präsentieren.
Über die Namen seines Regierungsteams wird derzeit heftig spekuliert. Klar ist: Mike Pence wird Vize-Präsident der Vereinigten Staaten. Der Gouverneur des Bundesstaates Indiana war die gemäßigte Stimme im aufgeheizten Wahlkampf. Viele hielten ihn gar für den besseren Präsidenten. Er wird jetzt einer der wichtigsten Berater von Trump, selbst wenn der Vize-Präsident nach außen vor allem repräsentative Aufgaben übernimmt.
Auch Chris Christie werden Chancen auf einen wichtigen Posten eingeräumt. Er gilt als Anwärter auf den Job des Justizministers - vorausgesetzt, die Vorwürfe des Machtmissbrauchs bestätigen sich nicht.
Als Finanzminister wird Steve Mnuchin gehandelt, der bereits die Finanzen und Sponsorenaktivitäten der Trump-Kampagne im Blick hatte. Mnuchin hatte vor vier Jahren den Republikaner Matt Romney unterstützt – ein Zeichen, dass er eher dem moderaten Flügel der Partei angehört. Auch Milliardär und Großinvestor Carl Icahn gilt als Option für den Posten des Finanzministers.
Trump wird aber auch konservative Hardliner in sein Kabinett berufen. Rudi Giuliani, der frühere Bürgermeister von New York, gilt aus aussichtsreicher Kandidat. Er hat Trump früh die Treue geschworen und hat im Wahlkampf für eine Politik der harten Hand geworben. Giuliani könnte Innenminister werden.
Auf der Hardliner-Liste stehen auch skurrile Persönlichkeiten wie Joe Arpaio, der sich selbst als „Amerikas härtesten Sheriff“ bezeichnet. Arpaio hat wiederholt behauptet, dass Obamas Geburtsurkunde gefälscht sei. Auch er ist als Innenminister im Gespräch.
Die US-Bürger haben Wandel gewählt
Auch Newt Gingrich könnte ins Kabinett aufrücken. Der erzkonservative Katholik und frühere Sprecher des Repräsentantenhauses hat sich in den USA als Buchautor einen Namen gemacht. Sein jüngstes Werk „Treason“ beschreibt, wie das Establishment in Washington von einer Terrorzelle unterwandert wird. Gingrich gilt als konservativer Rechtsaußen seiner Partei.
Trumps Vorteil als Präsident: Gegenwehr im Kongress hat er zunächst nicht zu erwarten. Die US-Bürger haben einen Wandel auf ganzer Linie gewählt. Sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus haben die Republikaner ihre Mehrheit behalten. Trump kann bei vielen Themen durchregieren. Die ersten 100 Tage werden zeigen, welche Richtung Trump seiner Präsidentschaft geben wird.
So hat er bereits mehrfach angekündigt, die Gesundheitsreform von Barack Obama am ersten Tag „zu widerrufen und zu ersetzen“. Obama hat mehr als 20 Millionen Amerikanern den Zugang zur Krankenversicherung gewährt. Allerdings haben sich die Prämien für die Versicherungen um im Schnitt 25 Prozent erhöht. Der Widerstand gegen Obamacare ist einer der wenigen Punkte gewesen, die alle Republikaner vereint hat.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Zudem hat Trump angekündigt, in den ersten 100 Tagen „die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien auszusetzen“. Er wolle jede einzelne Regulierung, die in den vergangenen acht Jahren unter Obama erlassen wurde, einer näheren Überprüfung unterziehen – und gegebenenfalls streichen. Das Gleiche gelte für die nicht durch das Parlament gebrachten Verordnungen des Präsidenten. Obama hat etwa den in den USA aufgewachsenen Immigranten eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung gewährt. Solche Regelungen stehen auf der Kippe.
Fraglich ist, ob Trump die internationalen Handelsabkommen sofort aufkündigen wird. Er hat dies mehrfach im Wahlkampf angekündigt. Vor allem der Widerstand gegen das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta hat viele Wähler auf sein Seite geholt. Theoretisch kann ein US-Präsident Nafta einseitig kündigen. Die Kündigung würde sechs Monate später zum Tragen kommen.
Experten sind sich aber uneins, was dann passieren würde. Das wahrscheinlichste Szenario: Unternehmen, die sich langfristig auf die Einhaltung der Verträge eingestellt haben, würden klagen. Amerikanische Importeure würden leiden. Möglich ist, dass Trump sich Zeit lassen wird.
Die Frage wird ohnehin sein, ob Trump im Alleingang sämtliche Beziehungen zu seinen politischen Partnern abbrechen will. Trump braucht für viele Gesetzesvorhaben die Unterstützung der Republikaner im Kongress. Viele Mitglieder befürworten weiterhin Freihandel. Möglicherweise schlägt er hier ein langsameres Tempo an. Gleichwohl war der Widerstand gegen die „desaströsen Handelsabkommen“ ein zentraler Punkt, für den Trump gewählt wurde.
Bis 20. Januar wird Trump Minister und Behördenchefs nominieren und er wird die Weichen für die ersten Entscheidungen in seinen ersten 100 Tagen. Barack Obama ist ab heute eine "lame duck", also eine lahme Ente.