USA nach der Wahl Geteiltes Amerika

Barack Obama wurde wiedergewählt – doch fast die Hälfte der Bürger stimmte gegen ihn. Die USA sind gespaltener denn je und verschärfen die angespannte Lage der Supermacht.

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Impressionen zur Obama-Wiederwahl
Four more years: Präsident Barack Obama bedankt sich bei seinen Wähler. Es ist die erste Ansprache nach der Wiederwahl. Quelle: REUTERS
So sieht einer Siegerfamilie aus: Ehefrau Michelle, Töchter Malia und Sasha treten in Chicago mit dem neu gewählten US-Präsidenten Obama auf die Bühne. Quelle: REUTERS
Eine Unterstützerin weint während der neugewählte US-Präsident seine Ansprache hält. Quelle: dapd
Zuvor mussten seine Unterstützer noch zittern: Noch bevor die Nachricht der Wiederwahl von Barack Obama in der Welt war, warten seine Unterstützer in Chicago ge. Quelle: REUTERS
Auch in New York sind Menschen am Abend zusammengekommen: Ein Schwulenpaar auf dem Times Square in New York schaut gespannt auf die Bildschirme. Quelle: dapd
Es ist kalt auf dem Times Square, doch die Menschen sind zahlreich erschienen - auch wenn das Transportsystem in Big Apple nach dem Hurrikan Sandy immer noch nicht hundertprozentig funktioniert. Quelle: dpa
Dann kam kurz zur Mitternacht die Nachricht: Barack Obama ist wiedergewählt... Quelle: REUTERS

Der Empfang ist frostig. „Geschlossen. Nur Mitarbeiter-Treffen heute“, ruft Brian Delle aus dem verschlossenen Wahlkampf-Büro der Republikaner in Alexandria, Virginia. Seit gut zwölf Stunden steht fest, dass Mitt Romney, der Mann, für den Delle und seine Kollegen monatelang gekämpft haben, die Präsidentschaftswahl gegen Barack Obama verloren hat. Schwer- und widerwillig trabt der 29-Jährige zu der gläsernen Eingangstür. „Was für ein Scheiß-Tag“, sagt Delle zur Begrüßung.

57,4 Millionen US-Amerikaner sind mit einem ähnlichen Gefühl am Mittwochmorgen aufgestanden. So viele Bürger nämlich haben für den Machtwechsel gestimmt und gegen Amtsinhaber Barack Obama votiert. Der Präsident holte US-weit 50 Prozent der Stimmen, Romney kam auf 48 Prozent. Fast im ganzen Land verlor der Amtsinhaber an Rückhaltung, selbst in demokratischen Hochburgen wie Kalifornien oder Connecticut haben weniger Menschen für Obama gestimmt als vor vier Jahren.

Das sagen die Analysten

„Wir sind nicht so geteilt, wie unsere Politik das glauben machen will“, sagte der 51-Jährige in der Nacht zum Mittwoch nach seinem Sieg über den Republikaner Mitt Romney – offenbar geblendet von seinen Glücksgefühlen. Denn wahr ist, dass das Land tief gespalten ist, in allen wichtigen politischen Fragen. Die Gesundheitsreform wird von 48 Prozent der Bürger befürwortet, 44 Prozent lehnen sie ab. 43 Prozent der Wähler vom Dienstag finden, der Staat müsse sich mehr in die Wirtschaft einmischen, knapp 50 Prozent sagen, Washington solle den Unternehmen freie Fahrt gewähren. Auch in Steuerfragen und sozialpolitischen Themen ist die Stimmungslage ähnlich, eine kompakte Mehrheit gibt es auf kaum einem Politikfeld.

Liberales Umfeld an der Ost- und Westküste

Fast vier Jahre haben die Konservativen darauf gewartet, sich mit ihrer Meinung durchzusetzen und Barack Obama wieder aus dem Amt zu jagen. „Ich freue mich darauf, am Mittwoch aufzuwachen und einen neuen Präsidenten im Amt zu wissen“, freute sich Rentner Robert Donnell noch am Montag bei einer Wahlveranstaltung der Republikaner in Fairfax, Virginia. Die Eignung von Romney für das Präsidentenamt? Zweitrangig. Hauptsache Obama verschwindet. Daraus wurde bekanntlich nichts. „Es ist eine Schande“, sagt Wahlhelfer Brian Delle in Alexandria. Dann nickt er entschuldigend und drückt die Tür zum Wahlkampf-Büro zu.

Amerika ist einen Tag nach der Wahl gespaltener denn je. Auf der einen Seite gibt es die liberalen Bundesstaaten an der Ost- und Westküste. Rund um Seattle, San Francisco, New York und Washington, D.C siegte Obama haushoch. In Maryland und Maine haben sich die Wähler für die Einführung der Homo-Ehe ausgesprochen. In Colorado darf ab sofort legal Marihuana geraucht werden und Wisconsin stellt mit Tammy Baldwin die erste offen lesbische Senatorin.

Kalifornien gegen Texas, Kentucky gegen Washington

Merkel lädt Präsident Barack Obama ein
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den wiedergewählten Präsidenten Barack Obama zu einem Deutschland-Besuch eingeladen: "Es wäre mir eine Freude, Sie bald wieder als meinen Gast in Deutschland begrüßen zu können." In einem offiziellem Brief schreibt die Bundeskanzlerin: "Wir haben in den vergangenen Jahren eng und freundschaftlich zusammengearbeitet". Sie blickt hoffnungsvoll auf die Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen, "aber auch über die Bewältigung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, über unser gemeinsames Engagement in Afghanistan oder das iranische Nuklearprogramm. Ich freue mich darauf, dies fortsetzen zu können, damit unsere beiden Länder auch weiterhin Seite an Seite die wichtigen außenpolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir als Freunde und Verbündete stehen, gemeinsam meistern können". Quelle: dpa
Bundespräsident Joachim Gauck wünscht Barack Obama "Glück, Erfolg und Gottes Segen". Der deutsche Staatschef erklärte in dem am Mittwoch veröffentlichten Glückwunschschreibe: "Wir sind gefordert, die globalen Herausforderungen und Bedrohungen für Freiheit, Frieden, Wohlstand und unsere Umwelt anzunehmen. Dazu wird Deutschland an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika auch weiterhin verlässlich seinen Beitrag leisten". Der Bundespräsident hebt die gemeinsamen Werte "der Freiheit, der Menschenrechte und der Demokratie" hervor. "Nie werde ich vergessen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns Deutschen unverbrüchlich zur Seite standen, wann immer es um die Freiheit und Einheit unseres Landes ging". Quelle: dpa
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich am Rande eines Besuchs bei den Vereinten Nationen als erstes deutsches Regierungsmitglied zu Obamas Wiederwahl. Westerwelle: „In der Außenpolitik ist mit keinen Brüchen zu rechnen. Wir haben mit der Obama-Regierung sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben auch noch vieles gemeinsam vor.“Er appellierte am Mittwoch in New York an die USA, gemeinsam mit Russland nun die „Gunst der Stunde“ für weitere Abrüstungsschritte zu nutzen. Zugleich plädierte er für eine weitere Liberalisierung des Welthandels. „Das ist unsere wichtigste Erwartungshaltung an die USA, dass wir gemeinsam gegen Protektionismus arbeiten und mehr für Freihandel tun.“ Quelle: dpa
Der Präsident der EU-Kommission gratuliert per Twitter: "Warme Glückwünsche für Präsident Barack Obama. Ich freue mich auf eine Fortführung der Zusammenarbeit und ein noch stärkere Partnerschaft." Quelle: dpa
Starinvestor George Soros: "Die amerikanischen Wähler haben extremistische Positionen abgelehnt. Das öffnet die Tür für eine vernünftigere Politik. Die gewählten Republikaner werden in den kommenden Jahren hoffentlich bessere Partner sein - besonders notwendig ist das für die Vermeidung des sogenannten 'fiscal cliff'." Quelle: dpa
Frankreichs Präsident François Hollande hat die Wiederwahl von Barack Obama als „wichtigen Moment nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt“ bezeichnet. Die Wahl sei „eine klare Entscheidung für ein offenes, solidarisches, voll und ganz international engagiertes Amerika“, schrieb Hollande am Mittwoch nach Angaben des Élyséepalastes in Paris an Obama. Er setze auf eine Stärkung der Partnerschaft zwischen beiden Ländern. Gemeinsame Ziele seien mehr Wirtschaftswachstum, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Konfliktlösung vor allem im Nahen Osten. Quelle: dpa
Jerusalem: Der Vize-Außenminister Israels, Daniel Ayalon gratuliert per Twitter: "Präsident Obama wird ein ausgezeichneter Präsident für Israel sein". In den vergangenen Monaten hatte Mitt Romney Israel besucht. Quelle: dapd

Auf der anderen Seite: Das alte Amerika, der konservative Süden von Texas über Kentucky bis Georgia. Hier konnte Obama teilweise nicht mal ein Drittel der Wähler überzeugen. Der Präsident gilt hier weitläufig als „Sozialist“, der die Reichen ärmer macht und die Armen reicher. Und als „Verräter“, der die USA schwächt, indem er Einwanderer ins Land lässt und die Zahl der Massenvernichtungswaffen reduziert. „Noch vier Jahre Obama und wir können uns kaum noch verteidigen“, prognostiziert Rentner Robert Donnell.

US-Präsidentschaftswahl 2012

Für Obama ist die Spaltung Amerikas eine Bürde. Er hat im Süden des Landes kein Mandat für seine Politik. Das ist vor allem auch die Interpretation des US-Repräsentantenhauses, das auch nach der Neuwahl einiger Sitz in republikanischer Hand bleibt. „Für Steuererhöhungen gibt es keinen Spielraum“, erklärte Obamas alter und neuer Gegenspieler, der Vorsitzende des Hauses, John Boehner, am Mittwoch.

Obamas Notenspiegel

Der US-Präsident muss nun einzelne Konservative überzeugen, für demokratische Initiativen zu stimmen, um etwa den Staatshaushalt sanieren zu können. Sollte es keine Einigung geben, drohen am 1. Januar automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Milliardenhöhe, die die USA wieder in eine Rezession stürzen könnten. Die Ratingagentur Fitch warnte am Mittwoch, wenn es keine Einigung gebe, würden die USA nächstes Jahr ihre Bestnote „AAA“ verlieren.

Für einige Republikaner ist das Droh-Szenario längst kein Grund, einzulenken. Mehrere Abgeordnete sind bereit, so heißt es aus der US-Hauptstadt, einen Schock an den Märkten zu riskieren, wenn dies die „Kultur des Ausgebens“ ändern könnte. „Ich würde meine Hand dafür nicht ins Feuer legen, dass Republikaner und Demokraten vor Jahresende einen Deal hinbekommen“, sagt Josef Braml, US-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

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