USA Willkommen im Sumpf

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Trump als Quittung für zu viel Polit-Clownerei

In den vergangenen 15 Jahren, spätestens aber mit der Finanzkrise, hat sich die finanzielle Entscheidungsgewalt von New York nach Washington verlagert. Nun bevölkern nicht mehr nur Thinktanks, Pharmafirmen und Rüstungsgiganten die Lobbymeile K-Street, sondern auch Banken, Anwälte, Geldgeschäftler. Viele Unternehmen investieren lieber in Government Affairs, als in Industriearbeitsplätze. „Mittlerweile hat jeder Kissenfabrikant ein Büro hier“, ist ein beliebtes Bonmot, das erst in den letzten Jahren in DC entstanden ist. Hier sitzt die Zentralbank Fed, die über den Dollar wacht, hier entscheiden die großen Aufsichtsbehörden über Fusionen, Verkäufe und Marktmanipulationen. So manche Order des US-Handelsministeriums prägt ja mittlerweile die Weltwirtschaft stärker als die Wall Street. Deutsche Konzerne wie Bayer, die sich gerade anschicken, Monsanto zu übernehmen, oder VW, die mit viel Geld und Mühe ihren Dieselskandal beigelegt haben, wissen genau darum.

Politik? Ist wenn jeder jedem einen Gefallen tut. Der Anwalt und Lobbyist Rich Gold ist einer jener Menschen im „System Washington“, die die Öffentlichkeit nicht kennt, die aber wahre Macht in ihren Händen halten. Was er aus der Anti-Establishment-Haltung vieler Amerikaner für Konsequenzen zieht? Einfach weitermachen wie bisher. Quelle: Scott Suchman für WirtschaftsWoche

Volkswagen etwa hat sich in unmittelbarer Nähe zum Weißen Haus eingemietet: 601 Pennsylvania Avenue. Hier residiert Anna-Maria Schneider, seit 30 Jahren im Business und zuständig für „Industry-Government Relations“. Früher pendelte sie jeden Tag vom Stadtrand, wo das alte VW-Büro lag, hierher. Dann kam der Dieselskandal. VW musste mit der US-Regierung enger zusammenarbeiten als je zuvor – und zog ins Stadtzentrum. Seither blickt Schneider von ihrem Balkon links zum Capitol und rechts zum Weißen Haus. „Viele in der Autoindustrie sind besorgt wegen der Steuerreform der Republikaner“, sagt sie. Deshalb versuche man nun die nächste Regierung zu bearbeiten. Vor allem die geplanten Einfuhrzölle auf Produkte aus Mexiko – wo Volkswagen viel produziert – will sie verhindern. Ob ihr das gelingt? „Wir Lobbyisten sind in der Vergangenheit unvorteilhaft dargestellt worden. Aber ich bin stolz auf das, was ich tue.“

Man könnte ja annehmen, dass Schneider und ihre Kollegen die Geschäfte am liebsten im Hinterzimmer abwickeln. Nicht so im postmodernen Washington. Hier gilt man dann als besonders erfolgreich, wenn der eigene Name nach einem Deal, einem Abendessen oder einer Party auf der Website Politico erscheint. Das wichtigste Medium des Politikbetriebs dient den Mächtigen seit 2007 als Spiegel der Eitelkeiten. Die Website hat den medialen Zinnober um die Politik nicht nur unendlich beschleunigt und den Blick der Akteure weg von der Welt und hin zu sich selbst gerichtet. Sie hat auch dafür gesorgt, dass sich die ohnehin schon wirtschaftlich angeschlagenen Zeitungen und Fernsehsender weniger um Inhalte kümmern als um deren Darstellung und Ausgestaltung. Im ganzen US-Wahlkampf 2016, so fand es kürzlich der weit beachtete Tyndall Reports heraus, wendeten die allabendlichen Politikshows der großen Networks zusammen gerade einmal 32 Sendeminuten für Inhalte auf – der Rest war Polit-Clownerei.

Die Quittung dafür ist Trump. Aber ob das Washingtoner Establishment im Wahlkampf erkannt hat, dass etwas falsch läuft in dieser Stadt?

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