Donald Trump hat die Latte hoch gelegt. Anfang Februar kündigte der US-Präsident "phänomenale" Pläne zu einer Steuerreform an. Sie sollten bereits Anfang März präsentiert werden - doch nichts geschah. Mittlerweile ist es April, und es herrscht mehr Unklarheit denn je. Der nicht zuletzt an den Finanzmärkten erwartete große Wurf dürfte nicht so schnell kommen wie erhofft. Denn Trump fehlt es bislang schlicht am geeigneten Personal für die aufwendige Arbeit an den Details.
In seiner Regierungsmannschaft gibt es zwar reichlich ehemalige Wall-Street-Manager, aber noch kein Team an bewährten Steuerexperten, die eine große Reform meistern können. Und auch noch niemanden, der die Federführung bei der Mammutaufgabe übernimmt. Der Posten eines für die Steuerpolitik zuständigen Staatssekretärs im Hause von Finanzminister Steven Mnuchin ist vakant.
"Sie sind noch dabei zu klären, wer überhaupt zuständig sein soll", sagt William Hoagland, Vizepräsident des Forschungsinstituts Policy Center. Der Kandidat müsse sich nicht nur beim Präsidenten Gehör verschaffen können und dessen Unterstützung haben. Er benötige auch über hinreichende fachliche Unterstützung, um den Dschungel des Steuerrechts zu durchforsten und einen brauchbaren Gesetzesentwurf zu präsentieren. Und nicht zuletzt müsse er diesen dann den tief zerstrittenen Parlamentariern verkaufen können, erläutert Hoagland.
Konfliktfelder der US-Regierung mit Deutschland
Die neue US-Regierung hat frühere Äußerungen von Trump, dass die Nato "obsolet" sei, mittlerweile korrigiert. Die neue Konfliktlinie verläuft entlang der Selbstverpflichtung der Nato-Staaten, bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Sicherheit auszugeben. Die USA geben wesentlich mehr aus, Deutschland sehr viel weniger. Trump wird Merkel drängen, die Ausgaben schneller anzuheben als sie versprochen hat.
Die Sorge über eine zu starke Hinwendung Trumps zu Russlands Präsident Wladimir Putin sind verflogen. Dennoch besteht große Unsicherheit über den amerikanischen Russland-Kurs, der sich auf viele Konflikte von Syrien bis zur Ukraine auswirken kann.
Während Trump vor allem den Anti-Terrorkampf gegen Islamisten betont, geht es Deutschland stärker um die Stabilisierung von Ländern - auch mit Blick auf künftige Flüchtlingsbewegungen. Die US-Regierung hat sich zum Engagement in Afghanistan bekannt, was Merkel lobte. Was Trump in Libyen und Syrien genau will, ist bisher unbekannt.
Ein zentraler Streitpunkt könnte der Umgang mit dem aus der EU ausscheidenden Großbritannien werden. Trump hat den Brexit als Vorbild auch für andere EU-Staaten bezeichnet. Merkel betont die Einheit der EU - auch in Handelsfragen.
Führende Vertreter der Trump-Regierung haben angekündigt, auch wirtschaftliche Probleme mit EU-Staaten bilateral klären zu wollen - ungeachtet möglicher EU-Zuständigkeit. Die Bundesregierung lehnt dies ab.
Dies betrifft etwa den deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Der Vorwurf der US-Regierung lautet, dass Deutschland etwa den niedrigen Euro-Kurs ausnutzt und dadurch mehr Waren in den USA absetzen kann als die USA etwa in Deutschland. Die Bundesregierung verweist dagegen auf die Zuständigkeit der EU (Handel) und der EZB (Währung).
In Washington wird die Einführung einer Grenzausgleichssteuer ("Border Adjustment Tax", BAT) zur Gegenfinanzierung der von Trump angekündigten Steuersenkungen diskutiert. Für die Exportnation Deutschland wäre das ein schwerer Schlag, weil es deutsche Produkte in den USA verteuern würde. Merkel hat bereits angedeutet, dass die EU entsprechend reagieren werde.
Trump hat sich bisher generell für protektionistische Ideen stark gemacht und selbst das nordamerikanische Nafta-Abkommen infrage gestellt. Ob er wie sein Vorgänger Barack Obama das angestrebte und von der Kanzlerin befürwortete Wirtschaftsabkommen TTIP mit der EU unterstützen wird, gilt als unsicher.
Trump hat sich mehrfach kritisch zu internationalen Vereinbarungen wie etwa zum Klimaschutz geäußert. Noch immer ist unsicher, ob die USA ihre Verpflichtungen etwa aus dem Pariser Klimaabkommen umsetzen werden.
Trump hat sich generell sehr skeptisch zur multilateralen Zusammenarbeit geäußert. Aus seiner Regierung kamen bereits Drohungen, die Zahlungen an die UN zu kürzen, die ihren Hauptsitz in New York hat. Auch humanitäre UN-Programme sollen gekürzt werden. Merkel plädiert dagegen für eine viel stärkere internationale Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Politikfeldern.
Trump hat Merkels Flüchtlingspolitik auch nach seiner Wahl noch scharf kritisiert und will selbst eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Merkel wiederum hat Abschottungspläne der USA mehrfach entschieden kritisiert.
Der frühere republikanische Senatsmitarbeiter kann profunde Erfahrungen vorweisen: Er arbeitete an der letzten umfassenden Steuerreform mit, die von Erfolg gekrönt war. Das war im Jahr 1986 unter Präsident Ronald Reagan. Seitdem haben sich dessen Nachfolger und der Kongress an derartigen Projekten die Zähne ausgebissen. Das Steuerrecht ist hochkomplex. Es gibt zahlreiche Schlupflöcher, die von den Nutznießern verbissen verteidigt werden. "Unter Reagan war das Vorgehen weitaus besser vorbereitet, durchorganisierter und langatmiger, und es gab eine starke Mannschaft von hochrangigen Technokraten, die die Dinge zusammenfügten", sagt Steven Rosenthal vom Forschungsinstitut Tax Policy Center. Unter Trump sei nichts davon der Fall.
Der Druck wächst
Mehr als zwei Monate nach Amtsantritt wächst der Druck auf den Präsidenten zusehends. Nachdem die von ihm vollmundig angekündigte Abschaffung der Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama (Obamacare) am Widerstand in der eigenen Partei scheiterte, ist Trumps zweite große Gesetzesinitiative zum Erfolg verdammt. Außerdem werden die Märkte unruhig: Sie haben die konjunkturfördernden Effekte der in Aussicht gestellten Wirtschaftspolitik bereits vorweggenommen und wollen nun, das der frühere Immobilienunternehmer liefert.
"Trump braucht nun dringend einen politischen Sieg", sagt Stephen Moore vom Forschungsinstitut Heritage Foundation. "Ich gehe davon aus, dass der Präsident eine deutlich aktivere Rolle spielen wird." Moore hat an den Steuerplänen mitgeschrieben, mit denen Trump in den Wahlkampf zog. Wie viel davon in einen Gesetzentwurf einfließen wird, ist unklar. Sie ähneln in Teilen einem Konzept von Trumps Parteikollege Paul Ryan. Doch auf den ranghöchsten Republikaner im Kongress dürfte sich der Präsident künftig nur noch bedingt verlassen. Denn die durchgefallenen Änderungen zu Obamacare gingen im Wesentlichen auf Ryan zurück.
Grundlegende Fragen zur Steuerreform sind bisher unbeantwortet. Offen ist etwa, ob Trump bereit ist, die zugesagten Entlastungen von Bürgern und Firmen auf Pump zu finanzieren und höhere Haushaltsdefizite in Kauf zu nehmen. In der Vergangenheit zielten derartige Versuche dagegen stets darauf ab, aufkommensneutral zu sein. Zu den zahlreichen diskutierten Optionen gehört auch eine Mehrwertsteuer nach europäischem Vorbild.
Heiße Debatten gibt es um eine von Ryan geforderte sogenannte Grenzausgleichssteuer. Damit würden Exportumsätze von US-Unternehmen steuerfrei, ihre Importkosten wären dagegen steuerlich nicht mehr abzugsfähig. Einer der Verlierer wäre Deutschland mit seiner stark exportorientierten Wirtschaft. Trump selbst hat sich zu dem Vorschlag noch nicht klar positioniert.
Offen ist zudem, bis wann Trumps "phänomenales" Projekt umgesetzt werden soll. Finanzminister Mnuchin hatte Ende Februar noch gesagt, die Steuerreform solle bis zur Sommerpause im August über die Bühne gehen. Doch Trumps Sprecher Sean Spicer räumte jüngst ein, dass der Zeitplan sich verschieben könne.