USA und Russland Moskau nimmt Flynn-Rücktritt persönlich

Michael Flynn, Sicherheitsberater von Donald Trump, ist Geschichte: Die politische Elite Russlands reagiert geschockt auf dessen Rücktritt – die Rede ist von einem „Schlag gegen die russisch-amerikanischen Beziehungen“.

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Bis zuletzt war Michael Flynn (r.) bei den wichtigen Telefonaten von US-Präsident Donald Trump anwesend. Quelle: Reuters

Moskau Kremlsprecher Dmitri Peskow blieb am Dienstag bei der seit Jahren bewährten Linie: Der Rücktritt Flynns sei eine „innere Angelegenheit“ der Vereinigten Staaten, sagte er und lehnte jeden weiteren Kommentar ab. Auch um nicht den Eindruck zu erwecken, Moskau sei besonders an Flynn interessiert gewesen. Andere Politiker waren weniger zurückhaltend. Sie werten den Rücktritt des US-Sicherheitsberaters Michael Flynn als schlechtes Zeichen für die bilateralen Beziehungen.

Es war ein herber Rückschlag für US-Präsident Donald Trump: Sein Nationaler Sicherheitsberater, Michael Flynn, ist mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Flynn, aus dem innersten Zirkel um Präsident Trump, räumte in seinem Rücktrittsgesuch ein, vor der Amtsübernahme der neuen Regierung mehrere Telefonate mit Russlands Botschafter in den USA geführt und „unvollständige Informationen“ dazu an Vizepräsident Mike Pence übermittelt zu haben.

Genauer geht es um den Vorwurf, dass Flynn mit dem Diplomaten Sergei Iwanowitsch Kisljak im Dezember über Sanktionen gegen Moskau gesprochen und dazu später falsche Angaben gemacht haben soll – unter anderem gegenüber Vizepräsident Mike Pence.

Der Kreml zeigt sich in seiner Reaktion am Dienstag zurückhaltend. Konstantin Kossatschow, als Chef des Außenausschusses im Föderationsrat, dem Oberhaus des Parlaments, einer der führenden Köpfe der russischen Außenpolitik, geht in Verteidigungshaltung. Er kommentierte die Abdankung des 59-Jährigen folgendermaßen: Flynn sei beileibe kein russophiler Politiker gewesen, dies sei schon aus dessen Buch „The Field of Fight“ ersichtlich geworden, in dem er Russland einer geplanten Allianz mit dem Iran gegen die USA verdächtigte.

Aber er sei offen gegenüber einem Dialog mit Moskau gewesen. „Selbst diese Bereitschaft zum Dialog mit den Russen wird von den Falken in Washington als Gedankenverbrechen betrachtet“, schrieb Kossatschow in Anspielung auf George Orwells Weltroman „1984“. Den Sicherheitsberater wegen Kontakten zum russischen Botschafter zum Rücktritt zu treiben, sei schlimmer als Paranoia, kritisierte der russische Senator weiter.

Auch Kossatschows Kollege Alexej Puschkow wittert in den Angriffen gegen Flynn eine größere Verschwörung: „Das Ziel ist nicht Flynn, sondern die Beziehungen zu Russland“, twitterte der Senator. Der Rauswurf Flynns sei nur der erste Akt des Dramas gewesen. „Jetzt ist das Ziel Trump selbst“, fügte er hinzu.

Als „negatives Signal“ und „Provokation“ bewertete der Chef des Duma-Komitees für Auswärtiges, Leonid Sluzki, die Abdankung. Dass die Kontakte zum russischen Botschafter, die für Sluzki „gewöhnliche diplomatische Praxis“ bedeuten, zum Rücktritt führten, ist für den Abgeordneten ein Zeichen dafür, dass das US-Establishment Trumps geplante Annäherung an Russland auf keinen Fall zulassen wolle.

Es gibt aber auch gemäßigtere Stimmen aus Moskau: Wladimir Batjuk, Leiter des Zentrums für Amerika- und Kanadaforschung an der russischen Akademie der Wissenschaften, macht in erster Linie Flynn selbst für seinen Rücktritt verantwortlich. Dessen Inkompetenz und Undiszipliniertheit hätten der Glaubwürdigkeit der US-Administration einen schweren Schlag zugefügt. Dass Flynn seine Kontakte nicht, wie nötig, offen gelegt habe, falle auf Trump zurück. Der Rücktritt ist insofern folgerichtig.

Auch der Moskauer Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow warnte im Gespräch mit dem Handelsblatt vor einer Dramatisierung der Lage: Die Kritik der Moskauer Politiker an Flynns Rücktritt charakterisierte er als „völlig überzogene Reaktionen“. Flynn sei zwar für die Verbesserung der Beziehungen zu Russland gewesen, doch dies nur aus einem Grund: Für den US-General sei der Islamismus der Feind Nummer eins, gegen den es alle Kräfte zu bündeln gelte und wofür er bereit sei, die Differenzen mit Russland hintenan zu stellen.

Während dies Vielen in Moskau als perspektivreicher Ansatz gelte, „zeigt die langjährige Erfahrung, dass eine Partnerschaft auf der Basis des Antiterrorkampfs nicht klappt“. Insgesamt ist Lukjanow überhaupt deutlich skeptischer gegenüber der Trump-Administration eingestellt, als die meisten russische Medien und Politiker. Zwar sind auch laut Lukjanow die russisch-amerikanischen Beziehungen unter Trumps Vorgänger Barack Obama in „die Sackgasse“ geführt worden, doch an eine deutliche Verbesserung unter dem 45. US-Präsidenten glaubt er nicht. Trump sei zwar bereit zum Dialog mit Russland, doch versuche er Gespräche „aus der Position der Stärke heraus“ zu führen. Das könnte schnell zur Abkühlung der Moskauer Euphorie führen, da ist er überzeugt.

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