Varoufakis gründet neue Bewegung „Vielleicht werden wir scheitern“

Der ehemalige griechische Finanzminister will mit einer paneuropäischen Bewegung Europa demokratisieren. Quelle: dpa

Yanis Varoufakis‘ zweiter Versuch: Griechenlands gescheiterter Ex-Finanzminister gründet eine europäische Bewegung mit dem sperrigen Namen „Democracy in Europe Movement 2025“. Das Ziel ist äußerst ambitioniert.

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Bescheidenheit ist nicht gerade eine Charaktereigenschaft von Yanis Varoufakis. Als griechischer Finanzminister nutzte er die ihm gebotene Bühne gerne, um sich zu inszenieren. Nun kehrt er zurück. Und das ausgerechnet in Berlin. In der Volksbühne startete er am Dienstag mit Mitstreitern aus ganz Europa eine neue Bewegung: „Democracy in Europe Movement 2025 (DiEM25)“ lautet der Name, ähnlich sperrig wie auch viele von Varoufakis‘ Vorträgen.

Varoufakis geht es nach eigenem Bekunden um die ganze große Aufgabe: „Der rasche Zerfall Europas muss gestoppt werden“, sagte er am Dienstag bei der Vorstellung seines neuen Projekts. Die Rettung eines ganzen Kontinents – darunter macht es der marxistische Ökonom nicht.

Das galt auch schon für seine Zeit als Finanzminister. In seinen unzähligen Interviews machte er immer deutlich, dass er sich nicht zuerst um die Athener Kassenlage sorge, sondern vor allem um die Wirtschafts- und Währungsunion. Die müsse, so die Überzeugung von Varoufakis, vom Spardiktat der Bundesregierung befreit werden.

Als griechischer Finanzminister ist ihm das nicht gelungen. Das gibt er auch selbst zu. „Ich bin gescheitert“, gestand er kürzlich im griechischen Fernsehen. Athen musste nach monatelangem Streit mit den EU-Partnern schließlich doch die ungeliebten Spar- und Reformauflagen akzeptieren. Zuvor hatte Varoufakis schon sein Amt verloren. Nur 111 Tage war er Finanzminister.

Ob der zweite Versuch der Rettung Europas nun erfolgreicher verlaufen wird? Varoufakis lässt seinen vollmundigen Ankündigungen eine Einschränkung folgen. „Vielleicht wird diese Bewegung auch scheitern, aber wir werden es versuchen“, sagte er bei der Vorstellung von DiEM25.

Der Ex-Finanzminister stellte sein Projekt zusammen mit dem kroatischen Autor Srecko Horvat vor. Die Bewegung solle politisch unabhängig sein, es sei keine Parteigründung geplant. Die Bewegung stehe Linken, Grünen und Liberalen aus ganz Europa offen, sagte Varoufakis. Man will sich zunächst per Internet vernetzen und sich später dann Veranstaltungen in unterschiedlichen Ländern treffen.


Merkel-Zitat zum Gründungstag

Den ganzen Dienstag über diskutieren in der Volksbühne Politiker, Ökonomen, Intellektuelle und Aktivisten über die Lage Europas. Es ging vor allem um die Euro- und die Flüchtlingskrise. „Die Europäische Union erlebt eine Desintegration, und sie erlebt sie ziemlich schnell“, sagte Varoufakis. Es gehe darum, die Rückkehr zu Nationalstaaten und zu neuen Mauern zu verhindern. Die EU-Institutionen hätten „spektakulär versagt“. Deshalb brauche es eine Demokratisierung.

Dass Varoufakis und seine Mitstreiter sich ausgerechnet die deutsche Hauptstadt für ihre Gründung ausgesucht haben, ist auch ein Signal. Schließlich hatte Varoufakis der Bundesregierung im vergangenen Jahr vorgeworfen, sie spiele sich zum Herrscher Europas auf, zwinge den anderen Euro-Staaten ihr Wirtschaftsmodell auf. Andererseits sei Deutschland nun mal „das Herz Europas“, sagte Varoufakis. Deshalb solle die neue pan-europäische Bewegung hier gestartet werden.

Zudem sehen Varoufakis und seine linken Mitstreiter Bundeskanzlerin Angela Merkel neuerdings weniger kritisch. Haben sie sich lange an ihrem Sparkurs gerieben, so erkennen sie nun ihre Flüchtlingspolitik ausdrücklich an.

„Es ist großartig, ein solches Zeichen der Menschlichkeit von einem politischen Gegner zu sehen“, sagte er kürzlich. Und bei der Gründungsveranstaltung in der Volksbühne wird die Bundeskanzlerin von Varoufakis‘ kroatischem Mitstreiter Srecko Horvat sogar zitiert. Ob DiEM25 nun wirklich Europa retten wird? „Wir können es schaffen.“

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