Herr Friedrich, nach der Einigung im Atomstreit mit Iran schwärmten 2015 zahlreiche deutsche Minister von den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sprach von „hervorragenden Rahmenbedingungen für einen Wirtschaftsboom.“ Wo ist der Boom?
Klaus Friedrich: Von einem Boom ist nichts zu sehen. Das waren aber auch überzogene Erwartungen. Der Iran hatte begrenzte Wachstumschancen und die hat er genutzt. In Anbetracht des politisch wie wirtschaftlich schwierigen Umfelds war von Anfang an klar, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Zur Person
Klaus Friedrich ist beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Experte für Themen wie Exportkontrolle, Embargos und Außenwirtschaftsrecht. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit Iran, Südostasien und Australien.
Wie sieht ein realistischer Blick auf die Wirtschaft Irans aus?
Die finanzielle Lage Irans war 2015 und 2016 unklar, wir wussten nicht, über wie viele Devisenreserven der Iran verfügte. Diese braucht das Land für Investitionen. Hinzu kommt, dass ein veritabler Teil der iranischen Einnahmen – und damit auch der Investitionskraft – an den Öleinnahmen hängt.
Und um den Ölpreis ist es aktuell nicht allzu gut bestellt.
Eben. Insofern verfolgte der VDMA eine konservative Schätzung der wirtschaftlichen Möglichkeiten Irans. Seither haben sich die Erdgas- und Öleinnahmen zwar insgesamt positiv entwickelt, aber wie es um die wirtschaftliche Kraft des Landes bestellt ist, ist weiterhin schwer einzuschätzen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte nach seinem Besuch bei US-Präsident Donald Trump, es scheine, als würde Trump nicht alles tun, um das Atomabkommen mit Iran zu retten. Das ist sehr diplomatisch ausgedrückt. Welche Auswirkungen hat das ständige Infragestellen des Abkommens?
Ein Teil der europäischen Exportwirtschaft lässt sich davon verunsichern. Das Hauptproblem ist aber die Zurückhaltung der Banken. Iran benötigt Kredite, um wichtige Projekte zu finanzieren. Diese Kredite sind momentan auf dem internationalen Parkett nicht zu bekommen, ergo muss Iran seine Investitionen aus Eigenmitteln finanzieren. Die fehlende Unterstützung durch internationale Banken ist und bleibt ein großes Problem, auch für deutsche Maschinenbauer.
Die waren vor zehn Jahren die wichtigsten Maschinenlieferanten für das Land – heute hat China diesen Platz eingenommen.
Als durch EU-Sanktionen viele Lieferungen deutscher und italienischer Maschinenbauer verboten wurden, ist China in die Lücke gestoßen. Allerdings hat sich der chinesische Maschinenbau weltweit positiv entwickelt – auch ohne die Sanktionen hätte China heute einen Marktanteil von über zehn Prozent in Iran.





Nun beherrscht China aber fast die Hälfte des Marktes. Sehen Sie Chancen für deutsche Produzenten?
Diesen Marktanteil wird China auf Dauer nicht halten können, einen Teil davon werden die deutschen Maschinenbauer sicher zurückerobern. Aber China hat einen entscheidenden Vorteil –und der hängt mit der Bankenproblematik zusammen: Geht es um Projekte, bei denen alles mit der externen Finanzierung steht und fällt, haben deutsche Maschinenbauer keine Chance. Chinesische Unternehmen bringen oft gleich die Finanzierung durch chinesische Banken mit. Wenn sich die Finanzierungslage in Europa nicht bessert, breitet sich China über wirtschaftliche Großprojekte weiter in Iran aus – und gewinnt so auch politische Einflussmöglichkeiten. Den gleichen Effekt hat das ständige Infragestellen des Atomabkommens, obwohl das Abkommen bis dato sehr erfolgreich ist.
Der US-Präsident und einige seiner Berater sehen das anders.
Alle iranischen Atomanlagen sind unter Kontrolle und werden überwacht. Nicht einmal US-Experten bestreiten, dass der Iran, im Gegensatz zu vorher, aktuell keine Atombombe bauen kann. Genau das war das Ziel des Abkommens für die internationale Gemeinschaft. Die Regierung von Hassan Ruhani wiederum sollte wirtschaftlich den Rücken freibekommen, für die Umsetzung innenpolitischer Ziele, und genau das ist jetzt gefährdet.
Nun geht es Trump nicht nur um das Atomabkommen an sich, sondern auch um die destabilisierende Rolle Irans in der Region. Was müsste das Land ändern, um kreditwürdiger zu werden?
Iran muss international mehr Vertrauen aufbauen. Da geht es nicht nur um die außenpolitische Rolle Irans, sondern auch um wirtschaftliche Reformen: etwa die Transparenz des Bankensystems und der Abbau struktureller Defizite der iranischen Industrie. Dem stehen leider innenpolitische Konflikte entgegen, zwischen Pragmatikern und politischen Hardlinern.
Letztere werden repräsentiert durch die Revolutionsgarden, erstere durch Präsident Ruhani und seine Anhänger.
Richtig, und auf Seiten der Konservativen sind massive wirtschaftliche Interessen im Spiel. Unter Ruhanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad konnten sie ihr Wirtschaftsimperium ausbauen, teilweise haben sie durch Schmuggel sogar von den Sanktionen profitiert. Daneben existieren aber auch ganz normale Staatsbetriebe und ein bedeutender privatwirtschaftlicher Sektor. Die müssen und wollen ihre Stellung in der iranischen Wirtschaft verbessern. Das will auch Ruhani, deswegen hat er das Atomabkommen geschlossen, kann es aber innenpolitisch nicht wirklich nutzen, weil das Abkommen von den USA ständig in Frage gestellt wird.