Venezuela Zahlreiche Staaten stellen sich gegen Maduro

Der Streit um die Macht in Venezuela spitzt sich zu. Die umstrittene Verfassungsgebende Versammlung erklärt sich zur Top-Institution über allen anderen Regierungseinrichtungen.

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Die Verfassungsgebende Versammlung hat die Parlamentsräume eingenommen. Quelle: AP

Die neue Verfassungsgebende Versammlung in Venezuela hat sich über alle anderen Institutionen der Regierung gestellt. Ein entsprechendes Dekret gab sie am Dienstag (Ortszeit) heraus. Die Räume der von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung - dem eigentlichen Parlament - nahm sie auch gleich ein: Oppositionspolitiker durften nicht mehr in ihr Palastgebäude, nachdem die Präsidentin der Verfassungsversammlung, Delcy Rodriguez, mit Sicherheitskräften am späten Montag in die Einrichtung eingedrungen war.

Kurz vor der verfassungsgebenden Versammlung beantragte Oberstaatsanwältin Luisa Ortega ein Verbot der angesetzten Sitzung wegen mutmaßlicher Wahlmanipulation.

„Wir drohen keinem“, sagte Aristóbulo Istúriz, der Erste Vizepräsident der Verfassungsgebenden Versammlung. „Wir schauen nach Wegen der Koexistenz.“ Der Oppositionspolitiker Stalin González twitterte indes, die Übernahme des Parlamentsgebäudes sei im Zuge des Machtstreits erfolgt. „Die Regierung überfällt Orte, die sie nicht auf rechtmäßigem Wege gewinnen kann“, schrieb er. Die Opposition hat die Nationalversammlung seit den Wahlen 2015 geleitet.

Mit der Entscheidung der Verfassungsgebenden Versammlung, sich selbst die oberste Macht zuzusprechen, werden die Nationalversammlung, Ministerien und andere Behörden künftig vermutlich davon abgehalten, Einfluss auf beschlossene Gesetze der Verfassungsversammlung zu nehmen.

Das umstrittene Gremium hatte nach seinem Zusammentreffen am Freitag bereits die Generalstaatsanwältin des Landes abgesetzt. Sie gilt als Kritikerin der sozialistischen Regierung von Präsident Nicolás Maduro und hatte sich gegen die Verfassungsgebende Versammlung ausgesprochen. Zudem richtete die Versammlung einen „Wahrheitsausschuss“ ein, von dem erwartet wird, dass er auf Maduros politische Feinde abzielt.

Der auf der Seite der Regierung stehende Oberste Gerichtshof hatte am Dienstag einen für Bezirksgebiete der Hauptstadt Caracas zuständigen Bürgermeister zu 15 Monaten Haft verurteilt. Anlass war, dass er bei Protesten errichtete Straßenblockaden von Regierungsgegnern nicht hatte beseitigen lassen. Er ist der vierte Bürgermeister der Opposition, der in den vergangenen zwei Wochen vom Gericht ersucht wurde.

Der venezolanische Präsident ignoriert internationale Kritik und lässt weiter Oppositionelle festnehmen. Die Proteste sollen weitergehen.

Die erneute Sitzung der Verfassungsgebenden Versammlung fand am Dienstag unter wachsender Kritik aus dem Ausland statt. Die Außenminister von 17 Nationen verurteilten die Versammlung gemeinsam und erklärten, ihre Regierungen würden sie nicht anerkennen. Die Mitteilung, unter anderem verabschiedet von Repräsentanten aus Mexiko, Kanada und Argentinien, erfolgte kurz nachdem das Gremium den politischen Allmachtsanspruch für sich verkündet hatte. Unter den lateinamerikanischen Ländern fehlt bisher eine einheitliche Linie für gemeinsame Maßnahmen gegen Venezuela.

In Caracas kamen Vertreter der sogenannten Bolivarianischen Allianz für Amerika zusammen und erklärten die Verfassungsversammlung zu einem „souveränen Akt“, der dabei helfen solle, die Probleme im Land zu überwinden. Der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza teilte seinen Amtskollegen aus elf linksgerichteten Ländern wie Bolivien und Kuba mit, die US-Aggressionen in seinem Land seien in „eine sehr viel stärkere Phase“ eingetreten. Maduros Regierung hat für die Unruhen im Land wiederholt eine vermeintliche Einmischung des Auslands verantwortlich gemacht.

Nur einige wenige Dutzend Demonstranten folgten dem Aufruf der Opposition, auf den Straßen von Caracas gegen die Regierung zu protestieren. Zu Spitzenzeiten hatten die Demonstrationen Hunderttausende auf die Straßen getrieben, doch Angst und Resignation machen sich unter Regierungsgegnern immer breiter. Seit Beginn der Proteste starben mindestens 124 Menschen, Hunderte wurden verletzt oder festgenommen.

Ein am Dienstag veröffentlichter UN-Bericht machte die venezolanischen Streitkräfte für vier Todesfälle seit April verantwortlich. Weitere 27 Menschen seien durch bewaffnete Gruppen regierungstreuer Zivilisten getötet worden.

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