Nur die größten erreichen auch die internationalen Medien: 2008 kam ans Licht, dass Milchpulver für Babynahrung mit Melanin verseucht war. 2011 gingen Bilder von explodierenden Wassermelonen durch das Internet - das Obst war mit Wachstumsbeschleunigern malträtiert worden. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Ekel-Arie mit dem Speiseöl-Skandal: Findige Ölverkäufer hatten altes Speiseöl aus Abwasserkanälen abgeschöpft und wieder an Restaurants verkauft. Auch ausländische Unternehmen sind vor den Lebensmittelskandalen nicht gefeit: Im Dezember wurde heraus, dass das Hühnerfleisch bei der in China sehr erfolgreichen Fastfood-Kette "Kentucky Fried Chicken" exzessiv hohe Antibiotika aufweisen. Der Umsatz ist seitdem massiv eingebrochen: Im Januar fielen die Verkäufe um 41 Prozent.
Anfangs dachte er noch, erzählt Wu, verseuchte Babynahrung betreffe ihn nicht. Er habe ja schließlich keine Kinder. Dann aber erfuhr er, dass billiges Schweinefleisch mit einem krebserregenden Additiv versetzt und als Rindfleisch deklariert worden war. "Rindfleisch mit Reis - das war mein Lieblingsgericht", sagt Wu. "Ich habe das fast jeden Tag gegessen, über ein halbes Jahr lang." Im Juni 2011 startete Wu seine Website. "Es geht uns alle an", sagt Wu. "Ich möchte, dass wir uns wenigstens darüber informieren können." Jetzt besuchen das Projekt jeden Tag mehr als 10.000 Internet-User.
Mittlerweile ist Lebensmittelsicherheit zu einem der größten Probleme des Landes geworden. Ein ganzes Volk ist verunsichert: 41 Prozent der Chinesen sehen altes Speiseöl, schwimmende Schweinekadaver und explodierende Wassermelonen als das größte Probleme des Landes, 2008 waren das nur acht Prozent.
Weshalb es in China zu so vielen Lebensmittelskandalen kommt, hat viele Ursachen - an fehlenden Gesetzen aber liegt es nicht unbedingt. "Das Problem ist die Umsetzung", sagt Xavier Burchard, Experte für Lebensmittelsicherheit beim EU-China Handelsprojekt. Es gebe zu viele Verantwortliche mit zu wenig Verantwortungsgefühl. "Beamte müssen nicht um ihren Job fürchten, wenn sie versagen", sagt auch Wu.