Vereinte Nationen Die Uno kann die größten Probleme der Welt nicht lösen

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Wie weiter?

Die Beurteilung der weltweiten Entwicklung scheitert immer da, wo sich die Politik einmischt. Besserung? Kaum in Sicht. Während die Weltgemeinschaft die verheerende Bilanz der Millenniumsziele am liebsten ausblendet, konzentriert sie sich derzeit auf den Nachfolgevertrag. Die „Sustainable Development Goals“ sollen im September verabschiedet werden, seit Mitte Juli sitzen die Unterhändler in New York zusammen. Der deutsche Verhandlungsvertreter Dietrich schwärmt: „Diesmal werden wir uns nicht nur auf soziale Aspekte konzentrieren, sondern auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: die soziale, die ökonomische und die ökologische.“

Die wichtigsten Fakten aus dem Wasserbericht
Die Nachfrage nach Energie und nach Wasser wird in den kommenden Jahrzehnten steigen. Dieser Anstieg führt zu erheblichen Herausforderungen und Belastungen in fast allen Regionen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Bis 2050 wird der globale Wasserbedarf voraussichtlich um rund 55 Prozent steigen. Bedingt wird dies vor allem durch die steigende Nachfrage in der industriellen Fertigung (plus 400 Prozent). Der spezifische Bedarf der Haushalte wird dagegen "nur" um 130 Prozent zunehmen. Mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung werden 2050 voraussichtlich in Gebieten mit starkem Wasserstress leben.Quelle: Weltwasserbericht 2014 Quelle: REUTERS
Die Versorgung mit Wasser und die Versorgung mit Energie sind wechselseitig abhängig. Entscheidungen in einem Sektor haben positive und negative Auswirkungen auf den jeweils anderen Sektor. Krisen wie Armut, Gesundheit und Hunger sind eng verbunden mit Wasser und Energie. Weltweit haben nach verschiedenen Schätzungen rund 768 Millionen bis 3,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer guten Wasserversorgung. 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender sanitärer Versorgung. In den meisten Fällen sind die Menschen, die unter Wassermangel leiden, auch von fehlender Energieversorgung betroffen: Mehr als 1,3 Milliarden Menschen haben keinen Strom und rund 2,6 Milliarden Menschen nutzen zum Kochen vor allem Holz. Quelle: dpa
Politik und Verwaltung, Planer und Praktiker können die Barrieren zwischen ihren jeweiligen Sektoren schrittweise überwinden. Der Staat kann durch innovative und pragmatische Ansätze die Versorgung mit Wasser und Energie effizienter machen und Kosten sparen. Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts für die Regierungen lautet, die vielfältigen Aspekte von Wasser und seiner Nutzung zu berücksichtigen. Quelle: dpa
Der Preis für Energie- und Wasserdienstleistungen sollte die Kosten für Bereitstellung und sozio-ökologische Folgen berücksichtigen. Die Grundbedürfnisse der Armen und Benachteiligten dürfen nicht beeinträchtigt werden. Der Zugang zu sauberem Wasser ist als Menschenrecht anerkannt - auf die Energieversorgung wird dies noch nicht angewandt. Quelle: obs
Der private Sektor kann eine größere Rolle bei Investitionen, Wartung und Betrieb von Wasser- und Energieinfrastruktur spielen. Energie ist ein gutes Geschäft, der Energiesektor kann daher viele Hebel in Bewegung setzen. Quelle: dpa
Auch die staatliche Unterstützung für Forschung und Entwicklung sind entscheidend für den Ausbau alternativer, erneuerbarer und weniger wasserintensiver Energieformen. Energie und Wasser können gemeinsam und synergetisch produziert werden. Es bietet sich etwa eine Kombination von Kraftwerken und Entsalzungsanlagen, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die Nutzung alternativer Wasserquellen für thermische Kraftwerkskühlung oder etwa Energierückgewinnung aus Abwasser an. Für die Suche nach neuen technischen Lösungswegen braucht es entsprechende politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, damit die Sektoren besser zusammenarbeiten. Quelle: dpa
Wasser und Energie stehen im Zentrum nachhaltiger Entwicklung und müssen solchermaßen anerkannt werden. Es muss ein Wandel hin zu einer nachhaltigen und wechselseitig kompatiblen Entwicklung von Wasser und Energie gefunden werden. So sehen die Experten etwa beim Fracking, das große Mengen an Wasser erfordert, Risiken für Wasserqualität und die menschliche Gesundheit. Quelle: REUTERS

Jan Vandemoortele ist da weniger optimistisch. Aus der UN hat er sich längst zurückgezogen, arbeitet heute als Dozent und Berater. „Die neuen Nachhaltigkeitsziele verursachen mir Kopfschmerzen“, sagt Vandemoortele. „Das hat nichts mehr mit unserer ursprünglichen Idee zu tun, einen unbestechlichen und nachvollziehbaren Gradmesser zu bestimmen.“ Am Ende wird wohl ein Katalog mit 14 Oberthemen und mehr als 100 einzelnen Zielen stehen. Vandemoortele hält, wie die meisten anderen Entwicklungsökonomen, eher das Gegenteil für notwendig: einen kürzeren Zielkatalog. „ Eine kritische Bilanz der Millenniumsziele hieße: Wir streichen die Ziele, die sich als nicht zielführend oder überprüfbar erwiesen haben“, sagt Vandemoortele.

Der Göttinger Forscher Klasen nennt vier Ziele, die dann übrig blieben: Einkommensarmut, Alphabetisierungsrate, Kindersterblichkeit und die Netto-Sparquote, also die Differenz zwischen realer Sparquote und Umweltschäden. Kriterien, die wie passgenaue Antworten auf die derzeitigen Katastrophen der Welt klingen: Flüchtlingsströme und Klimawandel.

Warum die Politik den Mut zur Knappheit dennoch wohl nicht aufbringen wird? Jeder kann sich genau das heraussuchen, was er braucht, um seinen Erfolg zu belegen. 2030 dürfte daher ein Jahr der Jubelfeiern werden: Die Ziele werden dann wieder alle irgendwie erfüllt sein. Und die Welt wieder kein bisschen besser aussehen.

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