Verschwörungstheorien „Trump geht viel strategischer vor als seine Gegner glauben“

Populismus und Verschwörungstheorien erleben eine Renaissance. Wie geschickt sich Donald Trump und Co. dies zunutze machen. Quelle: imago images

Populistische Bewegungen erstarken, durch das Internet sind Verschwörungstheorien wieder viel präsenter. Wie geschickt sich einige Mächtige dies zunutze machen, erklärt der Amerikanist Michael Butter.

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Herr Butter, um an rund sechs Milliarden Dollar für den Bau seiner Mauer zu kommen, hat Donald Trump in den USA einen Nationalen Notstand ausgerufen, den er mit einer „Invasion“ von „Drogen, Menschenschmugglern und kriminellen Banden“ begründet. Gegner verweisen diese Begründung ins Märchenreich. Benötigt Politik heute keine Rückkopplung zur Realität mehr?
Untersuchungen zeigen, dass populistische Rhetorik Krisen oft erst produziert. Populisten rufen solange: „Wir haben eine Krise“, bis alle die Situation als Krise anerkennen. Dann präsentieren sie sich selbst als Lösung. Trumps Kernwählerschaft glaubt wirklich, dass es eine Krise an der Grenze gibt und dass gehandelt werden muss. Das sind immerhin 35 Prozent der US-Bürger, die entsprechend „informiert“ durch Breitbart.com denken, Trump sei der beste und fleißigste Präsident, den die USA jemals hatten.

Im Grunde ist Trumps Rede von einer „Invasion“ nur möglich, weil über Jahrzehnte hinweg das amerikanische Mediensystem zerfaserte und die beiden großen amerikanischen Parteien weiter auseinanderdrifteten. Trump ist ein Produkt dieses Systems, treibt es weiter auf die Spitze und nutzt es sehr geschickt aus.

Seit seiner Antrittsrede 2015 arbeitet Trump mit fiktiven Bedrohungen. Wie viele Populisten konstruiert er eine Realität, in der er sich als Kämpfer gegen eine korrupte Elite inszeniert, die das amerikanische Volk hintergeht. Ist das nur populistische Übertreibung oder schon eine Verschwörungstheorie?
Die populistische Vereinfachung und Zuspitzung nimmt häufig verschwörungstheoretische Züge an, aber das ist nicht zwingend. Denken Sie an den Flüchtlingstrack aus Mittelamerika, der vor ein paar Monaten in Richtung der US-Grenze wanderte. Trump sagte, das sei eine gesteuerte Bewegung, von George Soros organisiert. Das ist klar eine Verschwörungstheorie – wir haben korrumpierte Leute im Hinterzimmer, die alles orchestrieren und einen perfiden Plan verfolgen. Die aktuelle Diskussion über die Grenzmauer beruht dagegen nicht so sehr auf verschwörungstheoretischen Elementen – da geht es eher um Ausländerhass.

Zur Person

Zu Anfang seiner Wahlkampagne hat Trump Versatzstücke aus Verschwörungstheorien genutzt, bis die Washington Post einen Audiomitschnitt veröffentlichte, in dem Trump sich mit seinem rüden Umgang mit Frauen brüstete. Sechs Tage später, am 13. Oktober 2016, verbreitete Trump selbst aktiv Verschwörungstheorien. Da sagte er erstmals, der „Clinton-Apparat“ plane die Zerstörung der USA, es gäbe geheime Pläne mit internationalen Bankiers. Welche Rolle spielt das Instrument der Verschwörungstheorie für ihn?
Trump geht viel strategischer vor als seine Gegner das glauben. Seinen Twitter-Account setzt er überaus geschickt ein. Er nutzte die Versatzstücke im Vorwahlkampf und im Wahlkampf, um den Verschwörungstheoretikern zu signalisieren: Ich bin einer von euch, mich könnt ihr wählen. Zu diesem Zeitpunkt kämpfte er noch um die moderaten Wähler der Mitte, die in der Regel den US-Wahlkampf entscheiden. Die fühlen sich abgeschreckt durch irre Verschwörungstheorien. Erst als der Audiomitschnitt an die Öffentlichkeit geriet und Trump in den Umfragen jenseits eines statistischen Fehlers eindeutig hinten lag, wechselte er den Kurs, weil nun klar war, dass er die moderaten Wähler der Mitte verloren geben musste. Er wusste aber, dass er sich auf die überzeugten Republikaner verlassen konnte, die stets für jeden Republikaner stimmen. Dazu hat er diejenigen besonders motiviert, die empfänglich sind für populistische Rhetorik und für Verschwörungstheorien, die sonst nicht wählen gehen, weil kein Kandidat sie repräsentiert.

Kann ein Populist ganz ohne Verschwörungstheorien auskommen?
Es gibt bisher sehr wenig Forschung, die das systematisch analysiert. Ich glaube, dass es zwischen der populistischen und der verschwörungstheoretischen Argumentation strukturelle Ähnlichkeiten gibt. Das wiederum macht es Populisten leicht, Verschwörungstheorien in ihre Rhetorik zu integrieren und Verschwörungstheoretiker und Nicht-Verschwörungstheoretiker zusammen zu bringen. Aber ich bezweifle, dass das eine zwingende Verbindung ist.

Welche Ähnlichkeiten sehen Sie?
Die Begriffe „Verschwörungstheoretiker“ und „Populist“ sind abwertende Begriffe. Mitglieder populistischer Bewegungen haben zudem Sympathien für Verschwörungstheoretiker, auch wenn sie mit den Theorien selbst nichts anfangen können.

Warum dann?
Weil beide Gruppen das Gefühl haben, liberale Eliten schauen auf sie verächtlich herab. Beide Gruppen sind tendenziell eher konservativ und wollen eine alte, verklärte Ordnung bewahren, das klingt ja auch in Trumps Slogan „Make America great again“ an. Und zeitgenössische Verschwörungstheorien nehmen häufig Eliten in den Blick, genauso wie Populisten. Letztlich bieten Populismus und Verschwörungstheorien verschiedene Erklärungen dafür, warum Eliten vermeintlich korrupt sind und sich gegen die Interessen des Volks richten. Wenn jemand bei Pegida schreit: „Merkel muss weg“, dann macht es für die Praxis des Protests keinen Unterschied, ob er Merkel einfach nur für unfähig hält oder glaubt, sie sei Teil einer Weltverschwörung.

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