Versöhnungssignal Hamas will Herrschaft im Gazastreifen aufgeben

Vor zehn Jahren riss die Hamas gewaltsam die Kontrolle des Gazastreifens an sich. Zuletzt warnten Menschenrechtler vor katastrophalen Zuständen in dem von Israel und Ägypten blockierten Gebiet. Jetzt lenkt die Hamas ein.

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Bewaffnete Anhänger der Hamas in Gaza-Stadt Quelle: dpa

Zehn Jahre nach der gewaltsamen Machtübernahme im Gazastreifen hat sich die Hamas bereit erklärt, die Verwaltung des blockierten Küstenstreifens am Mittelmeer abzugeben. Die radikal-islamische Palästinenserorganisation teilte am Sonntag mit, sie lade die Regierung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas im Westjordanland dazu ein, „in den Gazastreifen zu kommen und ihre Aufgaben sofort zu übernehmen“. Die rivalisierende Fatah von Abbas reagierte vorsichtig auf das Versöhnungsangebot.

In der Stellungnahme akzeptierte die Hamas weitere Kernforderungen von Abbas für eine innerpalästinensische Versöhnung. Es wurde jedoch damit gerechnet, dass die Hamas die Kontrolle ihrer Sicherheitskräfte behält.

Die Hamas erklärte sich bereit, ihr Verwaltungskomitee für den Gazastreifen aufzulösen. Außerdem stimme die Organisation allgemeinen Wahlen zu, hieß es in der Mitteilung. Der Schritt sei Ergebnis „großzügiger Bemühungen von Ägypten, eine palästinensische Versöhnung herbeizuführen“.

Fatah und Hamas hatten sich jahrelang einen blutigen Bruderkrieg geliefert. Bisher scheiterten alle Versöhnungsversuche. Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht im Gazastreifen an sich gerissen und die Fatah vertrieben. Seitdem herrschte die Fatah nur im Westjordanland, die Hamas im Gazastreifen, wo etwa zwei Millionen Menschen leben.

Der Hamas-Chef Ismail Hanija hielt sich zuletzt eine Woche lang mit einem Team zu Gesprächen in Kairo auf. Eine Fatah-Delegation kam vor zwei Tagen in der ägyptischen Hauptstadt an.

Mahmud al-Alul, Mitglied des Fatah-Zentralkomitees und Vize von Abbas, sprach im palästinensischen Rundfunk von „guten Nachrichten“. Er blieb jedoch skeptisch, ob dies wirklich zu einer umfassenden Versöhnung führen wird. „Es ist gut, dass die Hamas die Auflösung des Verwaltungskomitees (im Gazastreifen) erklärt hat sowie die Bereitschaft, die Kontrolle an die palästinensische Regierung zu übergeben, aber wir müssen abwarten und sehen, wie viele Bedingungen der vorherigen Abkommen wir umsetzen können“, sagte Al-Alul.

Die Hamas setzt weiter auf den bewaffneten Widerstand gegen Israel und den Anspruch auf das gesamte historische Palästina. Sie wird von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft. Israel hat eine Blockade über den Küstenstreifen verhängt, die von Ägypten mitgetragen wird. Innerhalb des letzten Jahrzehnts haben Israel und die Hamas drei Kriege gegeneinander geführt, die schwere Zerstörungen in dem Küstengebiet hinterlassen haben.

2014 bildeten die beiden größten Palästinenserorganisationen eine Einheitsregierung und kündigten allgemeine Wahlen an. Wie viele andere zuvor scheiterte jedoch auch diese Initiative.

Zuletzt hatte die Fatah-Organisation von Abbas den Druck auf die Hamas erhöht. Auf Wunsch von Abbas kürzte Israel etwa die Stromlieferungen in den Gazastreifen. Auch die Gehälter tausender öffentlicher Angestellter im Gazastreifen wurden gekürzt.

Die Einwohner hatten in den vergangenen Monaten nur wenige Stunden am Tag Strom zur Verfügung. UN-Generalsekretär António Guterres sprach Ende August bei einem Besuch in dem Küstenstreifen von „einer der dramatischsten humanitären Krisen“, die er je gesehen habe.

Seit 2006 gab es in den Palästinensergebieten keine Parlamentswahlen mehr. Die Hamas hatte damals die Mehrheit gewonnen.

Der UN-Nahostgesandte Nickolay Mladenov begrüßte den Schritt der Hamas am Sonntag und dankte Ägypten für den positiven Impuls. „Alle Beteiligten müssen die Gelegenheit ergreifen, ein neues Kapitel für das palästinensische Volk aufzuschlagen“, schrieb Mladenov auf Twitter. Er hoffe nun auf eine Verbesserung der humanitären Situation im Gazastreifen.

Unter ihrem ehemaligen Chef Chaled Meschaal galt die Hamas als enger Verbündeter Katars, das seit mehr als drei Monaten auch von Ägypten blockiert wird. Unter ihrem neuen Führer Hanija scheint die Hamas auf bessere Kontakte mit dem Nachbarland am Nil zu setzen und distanzierte sich von Katar und den islamistischen Muslimbrüdern, die Ägypten als Terroristen verfolgt und die enge Kontakte zu Katar aufgebaut haben

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