Verteidigungsbündnis Nato droht mit Debatte über atomare Nachrüstung

Nach den Tests russischer Marschflugkörper schließt der Nato-Generalsekretär eine Diskussion über atomare Nachrüstung in Europa nicht mehr aus.

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Der Nato-Generalsekretär will weiterhin auf den Dialog mit Russland setzen. Quelle: dpa

Brüssel Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schließt eine Diskussion über eine atomare Nachrüstung in Europa nicht mehr aus. Sollte Russland an seinen Marschflugkörpern vom Typ SSC-8 festhalten, bleibe dem Verteidigungsbündnis „nichts anderes übrig, als zu reagieren“, sagte der Norweger der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview zum Jahreswechsel. Über mögliche Elemente einer Reaktion wolle er allerdings nicht spekulieren, da dies „eine schwierige Situation nur noch schwieriger“ machen würde. Grundsätzlich gebe es „viele verschiedene Wege, wie die Nato reagieren könnte“.

Stoltenberg betonte, dass er weiter auf den Dialog mit Moskau setze. Es sei aber Russland, das aktuell den INF-Vertrag über den Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen breche. „Derzeit gibt es keine neuen US-Marschflugkörper in Europa, aber es gibt neue russische Marschflugkörper“, sagte er. Die SSC-8 sei mobil einsetzbar, lasse sich mit atomaren Sprengköpfen bestücken und könne europäische Städte erreichen. Wenn Russland nicht wieder vertragstreu werde, habe man „ein großes Problem“.

Als möglicher Termin für eine erste Debatte zum Thema Nachrüstung gilt bei der Nato das Verteidigungsministertreffen Mitte Februar. Die USA hatten Moskau Anfang Dezember ein Ultimatum von 60 Tagen gesetzt, um die Zerstörung der SSC-8 zuzusagen. Wenn Russland den Vertrag verletze, ergebe es für die USA keinen Sinn mehr, im Vertrag zu bleiben, erklärte damals US-Außenminister Mike Pompeo. Demnach könnten die USA theoretisch bereits Anfang Februar ihrerseits mit dem Bau neuer atomarer Mittelstreckensysteme beginnen.

Für ein Einlenken Russlands gibt es bislang keinerlei Anzeichen. Russlands Präsident Wladimir Putin weist die Vorwürfe der Vertragsverletzung zurück und unterstellt der US-Regierung, die Vorwürfe nur als Vorwand für ein eigenes Rüstungsprogramm zu nutzen. Er spielt damit darauf an, dass US-Militärs sich bereits seit längerem darüber beklagen, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende INF-Vertrag nur Amerikaner und Russen, aber nicht aufstrebende Militärmächte wie China bindet.

Für Europa ist die Entwicklung brisant, weil es nach der Entwicklung neuer US-Waffen aller Voraussicht nach eine Diskussion über ihre Stationierung in Europa geben würde. Nach Auffassung von Militärs ließen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern.

In Deutschland werden solche Szenarien höchst kritisch gesehen. „Nukleare Aufrüstung ist ganz sicher die falsche Antwort“, sagte jüngst Bundesaußenminister Heiko Maas. Die Nachrüstungslogik stamme aus dem Kalten Krieg und helfe nicht, um die Fragen von heute zu beantworten. „Eine Stationierung neuer Mittelstreckenraketen würde in Deutschland auf breiten Widerstand stoßen“, sagte er.

Stoltenberg äußerte dennoch die Hoffnung, dass die Nato im Fall der Fälle zusammenstehen werde. Das Außenministertreffen im Dezember habe aus seiner Sicht gezeigt, dass es den Willen gibt, die Sache gemeinsam im Rahmen der Nato anzugehen, sagte er. Sollte Russland nicht einlenken, müsse man sorgfältig die möglichen Konsequenzen bewerten und die unterschiedlichen Handlungsoptionen analysieren. „Am Ende sollte dann eine gemeinschaftliche Entscheidung der Nato stehen“, so Stoltenberg.

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