Verteidigungspolitik Macron will europäische Staaten stärker in die Pflicht nehmen

Die EU-Partner sollen mehr Verantwortung für ihre Verteidigung übernehmen. Auch die gegenseitige Beistandspflicht soll „mehr Substanz“ bekommen.

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„Europa kann seine Sicherheit nicht mehr allein den Vereinigten Staaten anvertrauen“, meint der französische Präsident. Quelle: dpa

Paris Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Europa in der Verteidigungspolitik unabhängiger vom großen Nato-Partner USA machen. „Europa kann seine Sicherheit nicht mehr allein den Vereinigten Staaten anvertrauen“, sagte Macron am Montag in einer Grundsatzrede vor französischen Diplomaten in Paris. Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik müsse deshalb grundlegend überprüft werden.

Er kündigte dafür eine Initiative für die kommenden Monate an. Macron plädierte auch für einen neuen Dialog mit Russland über sicherheitspolitische Fragen.

Macron forderte, der gegenseitigen Beistandspflicht der EU-Partner „mehr Substanz“ zu geben. Im Artikel 42 des EU-Vertrags heißt es: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung.“

Frankreich sei zu einer „konkreten Diskussion“ bereit, was die vertraglichen Verpflichtungen enthalten, sagte Macron. Was er sich genau vorstellt, ließ er aber offen. Er erinnerte daran, dass sein Land bereits Ende 2015 nach den islamistischen Terrorattacken in Paris unter Berufung auf die EU-Verträge militärische Unterstützung von Partnern eingefordert hatte.

Die Vorschläge reihen sich ein in eine Reihe von Ideen Macrons zur Stärkung der Europäischen Union. Der Staatschef der Atom- und UN-Veto-Macht Frankreich fordert schon länger eine „strategische Autonomie“ für Europa.

Hintergrund ist auch der Kurs der USA unter Präsident Donald Trump. Dieser hatte mehrfach Zweifel geweckt, ob er im Fall eines Angriffs auf ein Nato-Mitglied zum Beistandsprinzip der Nordatlantik-Allianz steht. Macron sagte: „Es ist heute an uns, unsere Verantwortung zu übernehmen und die europäische Sicherheit und Souveränität zu garantieren.“

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini verwies darauf, dass die Europäische Union bereits in den vergangenen Jahren Schritte unternommen habe, um die eigene Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur zu stärken. Als Beispiele nannte sie die Militärkooperation Pesco, den Aufbau eines europäischen Verteidigungsfonds sowie die neue Kommandozentrale für EU-Auslandseinsätze.

Macron erteilte überdies weiteren Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt derzeit eine Absage und begründete dies mit dem Kurs des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Dieser verfolge ein „pan-islamisches Projekt“, das regelmäßig als anti-europäisch dargestellt werde, sagte der Franzose. Er plädierte dagegen für eine „strategische Partnerschaft“ mit der Türkei und Russland, um die Länder an Europa zu „koppeln“. Damit nannte er den Nato-Partner und langjährigen EU-Beitrittskandidaten Türkei in einem Atemzug mit Moskau.

Macron unterstrich angesichts nationalistischer Tendenzen, dass Frankreich sich für einen starken Multilateralismus einsetzen wolle. So lud er die USA, die EU, China und Japan für November zu Gesprächen über eine Reform der Welthandelsorganisation WTO ein. Einen entsprechenden Vorstoß hatte Macron bereits vor Monaten angekündigt.

Vor dem Hintergrund des heftigen Handelskonfliktes zwischen den USA und China soll nun eine erste Konferenz am Rande der Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Waffenstillstands im Ersten Weltkrieg in Paris stattfinden. „Ich denke, dass wir in einigen Monaten ein wirksameres und gerechteres System schaffen können.“

Den Streit über den Umgang der EU mit auf dem Mittelmeer geborgenen Migranten sieht Macron als Ergebnis einer mangelnden europäischen Solidarität. Frankreich müsse gemeinsam mit „konstruktiven Partnern“ und der EU-Kommission dazu beitragen, ein dauerhaftes „solidarisches und wirksames“ System zu schaffen.

Wie dieses aussehen soll, sagte er nicht. In den vergangenen Monaten hatten Italien und Malta Schiffe mit geretteten Migranten mehrfach erst anlegen lassen, nachdem andere EU-Staaten sich bereit erklärt hatten, einen Teil der Menschen aufzunehmen. So hatte Mitte des Monats auch Deutschland zugestimmt, Migranten vom Rettungsschiff „Aquarius“ zu übernehmen.

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