Vierte Vereidigung Sechs weitere Jahre Putin beginnen mit leeren Versprechen

Der russische Präsident verspricht Reformen in seiner vierten Amtszeit. Doch trotz harter Sanktionen wird daraus nichts, denn der Kreml fürchtet den Kontrollverlust.

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Russland: Wladimir Putins leere Versprechen Quelle: Reuters

Moskau Alle Augen richteten sich gespannt auf Wladimir Putin. Die Hand hat er auf ein rotes in Waranleder eingehülltes Exemplar der russischen Verfassung gelegt, die nur zur Vereidigung aus den Präsidentenbibliothek genommen wird. Der 65-Jährige schwört vor 3.500 Gästen im Kreml – darunter Rosneft-Aufsichtsratschef und Altkanzler Gerhard Schröder – die Rechte und Freiheiten der Menschen und Bürger zu achten. In seiner Rede spricht er über Wirtschaftsreformen – doch so progressiv wird es nicht.

Es ist bereits das vierte Mal, dass sich Putin als Präsident einschwören lässt. Seit seinem ersten Amtsantritt im Jahr 2000 findet die Zeremonie stets im prächtigen Andrejew-Saal des Großen Kremlpalastes statt, dort wo sich früher auch die Zaren krönen ließen. Sein Vorgänger Boris Jelzin hatte den Eid noch im zu Sowjetzeiten für Parteitage gebauten Staatlichen Kremlpalast abgelegt.

Auch wenn der Ablauf des Zeremoniells immer gleich ist, hat Putin diesmal kleine Veränderungen eingebaut: So ist er zur Demonstration der erfolgreichen Importsubstitution nicht im Mercedes, sondern einer eigens dafür in Russland hergestellten Limousine namens „Kortege“ vorgefahren. Im Saal verfolgen nicht nur Abgeordnete, wichtige Beamte und Funktionäre aus Wirtschaft und Kultur seine Rede, sondern auch Jugendliche aus Freiwilligenorganisationen.

Revolutionäres bekommen sie nicht zu hören. Putin bedankt sich noch einmal für die breite Unterstützung bei der Wahl, die er als „großes politisches Kapital“ bezeichnet. Er verspricht eine Stärkung Russlands in der internationalen Arena und eine Verbesserung der Lebensumstände der Russen. Er fordert einen „Durchbruch in allen Lebenssphären“, will diesen aber zugleich auf der Basis traditioneller Werte erreichen. Ähnlich hatte er sich nicht nur vor zwei Monaten bei der Rede zur Lage der Nation, sondern eigentlich auch schon 2012 bei seiner Rückkehr in den Kreml geäußert, als er Russlands technologische Wandlung ankündigte.

Bereits am Montagnachmittag hat Putin der Duma seine Kandidatur für den neuen Premierminister vorgelegt. Wenig überraschend bleibt alles beim Alten: Schon im Vorfeld der Amtseinführung waren Informationen aus dem Umkreis des Kremls durchgesickert, dass Dmitri Medwedew, der die Rede Putins zufrieden neben Schröder in der ersten Reihe verfolgte, seinen Posten behalten wird.

Vor einigen Monaten noch war Medwedews Abgang prognostiziert worden, seither hat Putin ihm mehrfach demonstrativ den Rücken gestärkt. Zuletzt am Sonntag, einen Tag vor seiner Amtseinführung, als er die Arbeit der Regierung zufriedenstellend nannte, sie für „ihre Offenheit und Dialogbereitschaft“ mit den Menschen lobte und betonte: „Der strategische Vektor der Entwicklung ist richtig vorgegeben.“ Die Duma wird Medwedew wohl bereits am Dienstag im Amt bestätigen.

Das bedeutet wohl auch, dass es in der Regierung nur kosmetische Änderungen geben wird. Deren Zusammenstellung soll innerhalb von zwei Wochen bekanntgegeben werden. Allenfalls wird mit einer Rückkehr von Putins altem Vertrauten Alexej Kudrin gerechnet. Dessen Berufung dient laut Politologen auch dazu, das angespannte Verhältnis zum Westen etwas zu lockern. Die Märkte dürften einen Posten für den Ex-Finanzminister in der Regierung begrüßen. Kudrin genießt bei Investoren weiter hohe Anerkennung.

Die wichtigsten politischen Entscheidungen werden allerdings weiter im Kreml getroffen. Ein genereller Kurswechsel ist daher nicht in Sicht: „Es gibt keine Zeit für ein Aufschaukeln“ des Bootes, warnte Putin in seiner Antrittsrede – der einzige Verweis auf die Proteste der Opposition am Wochenende, bei denen rund 1600 Menschen festgenommen worden waren.

Vom Ausmaß sind die Proteste nicht mit den Demonstrationen 2012 zu vergleichen. Nach dem Anschluss der Krim, dem Konflikt im ostukrainischen Donbass-Gebiet und den darauf folgenden wechselseitigen Sanktionen zwischen Russland und dem Westen hat sich das Lagerdenken verstärkt.

Die Mehrheit der Russen hat sich trotz bestehender Unzufriedenheit mit den sozialen und wirtschaftlichen Problemen um Putin gescharrt, jegliche Opposition gilt als verdächtig. Putin sitzt also fest im Sattel und wird auch seiner Politik und Rhetorik treu bleiben.

Das bedeutet andererseits auch, dass der Ost-West-Konflikt weiter anhalten und die Sanktionen nicht so schnell fallen werden. Im Gegenteil: Im Konflikt mit Washington drohen der russischen Wirtschaft potenziell neue Bürden.

Der jüngste Absturz von Rusal hat dabei gezeigt, wie empfindlich die exportorientierten rohstofflastigen Wirtschaftszweige gegenüber solchen Einschränkungen sind. Bei einer anhaltenden Isolierung droht zudem der technologische Rückstand Russlands noch zu größer zu werden.

Ohne grundlegende institutionelle Reformen ist auch ein weiteres Ziel des Präsidenten, ein schnelleres Wirtschaftswachstum als der weltweite Durchschnitt zu generieren, nicht zu erreichen. Solange die Ölpreise stabil bleiben, ist immerhin keine weitere Krise zu befürchten. Insofern ist es möglich, dass der Kreml noch versucht, die Probleme ein paar Jahre auszusitzen.

Eine Frage wird in der Zeit aber immer drängender: Was passiert nach 2024? Putin dürfte den Regeln der Verfassung zufolge nicht mehr antreten. Zudem ist er dann bereits 71 Jahre alt. Was ein Umschreiben der Verfassung zum Machterhalt bewirken kann, haben die Ereignisse bei Russlands engstem Bündnispartner im Kaukasus, Armenien, gezeigt: Dort musste der langjährige Staatschef Sersch Sargsjan am Ende dem Druck der Straße weichen.

Für den Kreml ist ein solches Szenario ausgeschlossen. Will Putin aber eine reibungslose Übergabe der Macht gewährleisten, muss er rechtzeitig mit dem Aufbau eines Nachfolgers beginnen.

Dmitri Medwedew scheint für diese Rolle, nachdem er von 2008 bis 2012 als Platzhalter diente, nicht geeignet. Seine Popularität liegt weit hinter der seines einstigen Tandem-Partners. Die Frage nach einem Putin-Nachfolger bleibt auf der Tagesordnung.

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