Visa-Streit zwischen Türkei und USA Im Verfolgungswahn

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Schleichende Entfremdung

Die Türkei wiederum hält seit Monaten den protestantischen Pastor Andrew Brunson in Haft, dessen Freilassung Washington fordert. Auch ihm wird - ähnlich wie den deutschen Journalisten Denis Yücel und Mesale Tolu und dem Menschenrechtler Peter Steudtner - Verbindungen zur Terrororganisationen vorgeworfen. Erdogan würde den Pastor gern gegen Fetullah Gülen eintauschen.

Und schließlich steckt hinter der jüngsten Eskalation eine geopolitischen Entfremdung, die noch sehr gefährlich werden könnte.

Seit Monaten spitzen sich die Spannungen zwischen den beiden Nato-Partnern zu, was die türkischen Nachbarländer Irak und Syrien betrifft. Waren die beide Länder noch vor zwei Jahren vereint im Kampf gegen den syrischen Machthaber Assad und den IS, stehen sich ihre Interessen heute gegenüber. Im Juli gab Präsident Trump bekannt, seine Unterstützung der syrischen Rebellen einzustellen. Unterdessen will Erdogan zusammen mit Russland und dem Iran eine Sicherheitszone in der Provinz Idlib an der türkischen Grenze schaffen.

Noch wichtiger ist das Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden. Da sowohl Teheran als auch Ankara keinen unabhängigen Kurdenstaat tolerieren wollen, bringt sie das in gemeinsame Gegnerschaft zu den USA, die nach wie vor die Kurden im Nordirak mit Waffen beliefern.

Schlüsselstaat Türkei

Die USA brüskierte Erdogan jüngst, als er bekannt gab, ein Raketenabwehrsystem von Russland zu kaufen.

Die Konsequenzen der schleichenden Entfremdung der Türkei von der EU und Nato ignoriert die Regierung in Ankara bisher. In wirtschaftlicher Hinsicht fühlt sich Präsident Erdogan von den letzten Quartalszahlen bestätigt. Die türkische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal dieses Jahres 2017 um fünf Prozent. Ob die Zahlen nun verfälscht sind, wie manche Kritiker vermuten, oder nicht - mit Sicherheit lässt sich sagen: Wirtschaftlich entwickelt sich die Türkei weit unter ihrem Potenzial, und das nun schon seit bald zwei Jahren.

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