Volkskongress China setzt auf Wachstum, Wachstum, Wachstum

China gibt 6,5 Prozent Wirtschaftswachstum als Ziel aus. Drunter geht nicht, sonst würden nicht genug neue Jobs geschaffen, warnt der Premier. Doch selbst unter Funktionären regt sich Zweifel.

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Chinesische Soldaten während einer Militärparade in Peking. Quelle: dpa

Ruhig tritt Premierminister Li Keqiang an das Pult in der großen Halle des Volkes. Ein Rascheln hallt durch den riesigen Sitzungssaal, als die fast 3000 Delegierten zum Auftakt der jährlichen Tagung des Volkskongresses kollektiv die Seiten umblättern.

32 Seiten ist Lis Arbeitsbericht lang. Und er liest ihn Wort für Wort vor. Um „rund 6,5 Prozent“ soll die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in diesem Jahr wachsen, lautet eine zentrale Vorgabe des Premiers.

„Diese Zielvorgabe des diesjährigen Wirtschaftswachstums entspricht den wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und den realen Verhältnissen“, sagt Li. Schließlich sei das Wachstum nötig, um genug neue Arbeitsplätze zu schaffen. In diesem Jahr würden mit 7,95 Millionen so viele junge Chinesen ihr Studium abschließen wie niemals zuvor. Und für sie müsse eine ausreichende Anzahl neuer Stellen geschaffen werden.

Der Grund ist jedoch auch ein anderer. Die Vorgabe ist „verbunden mit der Forderung nach umfassender Vollendung des Aufbaus einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand“, fügt Li an. Noch von ihren Vorgängern hat die aktuelle Führungsriege um Premier Li Keqiang und Präsident Xi Jinping in Peking das Ziel geerbt, die Wirtschaftsleistung bis 2020 im Vergleich mit 2010 zu verdoppeln. Um das zu erreichen, darf die Wachstumsrate rechnerisch nicht unter 6,5 Prozent fallen.

Nach der Auftaktrede des Premiers auf der fünften Tagung des 12. nationalen Volkskongresses diskutieren die Delegierten auf den Gängen in der Großen Halle des Volkes. Die meisten weichen Nachfragen von Journalisten aus. „Ich bin erkältet und kann nicht reden“, lautet eine Standardantwort auf Nachfragen. Doch einige wenige Delegierten sprechen offen. Und ihre Aussagen sind außergewöhnlich kritisch dem Wachstumsziel gegenüber.

Der Hongkonger Geschäftsmann Michael Tien Puk-sun räumt direkt ein: „Das Ziel ist sehr hochgegriffen.“ Richte Peking alles darauf aus, die Marke zu erreichen, könnte das neue Schulden und ein Aufschieben dringend nötiger Reformen bedeuten. „Aber Premier Li hat auch einen Rückbau der Schwerindustrie und Abbau der Überkapazitäten angekündigt. Er will alles gleichzeitig erreichen“, sagt Tien.

Chinas Schulden wachsen rasant

Das Ziel hätte nicht unbedingt so hoch angesetzt werden müssen. Die Volkrepublik stecke in einem grundlegenden Umbau ihres Wachstumsmodells. Da sei es normal, wenn das Wirtschaftswachstum zwischenzeitig etwas schwächer ausfalle, sagte Tien.

Der Ökonom Li Yiang zeigte sich zwar überzeugt, dass China das Wachstumsziel erreichen könnte. Aber das komme zu einem Preis. „Die finanziellen Risiken nehmen zu“, sagt der Vizedirektor des Institutes für Finanzen und Bankwesen an der renommierten Akademie der Sozialwissenschaften.

Im Vorjahr hatte die Zielvorgabe für das Wirtschaftswachstum zwar mit „6,5 bis 7 Prozent“ noch über der aktuellen Vorgabe gelegen. Aber das internationale Umfeld bleibe schwierig. Und je größer die chinesische Volkswirtschaft sei, desto schwieriger werde es, ein weiterhin hohes Wachstum aufrechtzuerhalten.

Schon jetzt wächst die Gesamtverschuldung in China etwa doppelt so schnell wie die Gesamtwirtschaft. Gleichzeitig plant Peking für dieses Jahr eine höhere Neuverschuldung. Das Haushaltsdefizit soll im Vergleich zum Vorjahr um 200 Milliarden auf 2,38 Billionen Yuan (heute umgerechnet 324 Milliarden Euro) steigen. Das geht aus dem Haushaltsentwurf hervor, der am Sonntag vorgelegt wurde.

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