Volkskongress „Der Wettbewerb mit China tut dem Westen gut“

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„In China sind ebenso wie in allen anderen Ländern die Ressourcen knapp“

Die Regierung in Peking hält viele Unternehmen künstlich am Leben. Wird China zu einer Zombie-Wirtschaft?
Die Gefahr der Zombifizierung der Wirtschaft besteht nicht und betrifft wenn nur einige Staatsunternehmen. Aber weil der Staat diese Firmen kontrolliert, hat er auch die Mittel in der Hand, das Problem zu lösen, etwa indem er die Staatsunternehmen schließt. Genau das ist in den vergangenen Jahren passiert. Allerdings geht die Regierung dabei graduell vor, sie will keine Schocktherapie.   

Was passiert, wenn man zu lange mit der Bereinigung wartet, zeigt Japan. Die Regierung dort hat in den Neunzigerjahren marode Banken und Unternehmen ebenfalls künstlich am Leben gehalten. Die Folge war ein Jahrzehnt der Stagnation.
Die chinesische Regierung ist sich der Problematik Japans bewusst. Sie hat das japanische Modell genau studiert und versucht, die Fehler Japans zu vermeiden. Japan hatte zu dem Zeitpunkt, als die Zombifizierung seiner Wirtschaft einsetzte, bereits ein sehr hohes Pro-Kopf-Einkommen. China dagegen ist ein Land, das sich noch im Aufholprozess befindet. Daher ist das Potenzial für Produktivitätszuwächse größer als damals in Japan. Zumal in den nächsten Jahren viele gut ausgebildete junge Menschen auf den chinesischen Arbeitsmarkt drängen werden.

China will vom Billigproduzenten zum innovationsgetriebenen Hersteller höherwertiger Güter werden. Zugleich verschärft die Regierung ihre Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft. Kann eine staatlich gelenkte Wirtschaft zum globalen Innovationsführer werden?
Ich bin mir nicht sicher, ob nur der freie Markt Innovationen erzeugen kann. Es gibt Hinweise, dass auch der Staat Innovationspotentiale vorantreiben kann. Entscheidend ist letztlich die Frage, ob man Innovationen in marktfähige Produkte und Produktionsprozesse übersetzen kann. Der Wettbewerb fördert dies. Der chinesische Staat mag mächtig sein, trotzdem ist der Wettbewerb zwischen den Unternehmen in China knallhart. Deshalb sehe ich durchaus das Potenzial, dass China zum Innovationsführer in einigen Sektoren wird. Schauen Sie sich den Fintech-Bereich an, da ist China schon jetzt weltweit Spitze.

Und was passiert mit der Billigproduktion?
Die ist zum großen Teil schon in andere asiatische Länder abgewandert, nach Vietnam, Thailand und Malaysia. Dagegen sehen sich die stärker industrialisierten Länder Asiens wie Südkorea und Taiwan einem verstärkten Wettbewerbsdruck durch chinesische Konkurrenten ausgesetzt, weil diese auf der Wertschöpfungsleiter zu ihnen aufschließen.

Müssen auch die Europäer und die US-Amerikaner Angst haben, dass sie von den Chinesen eingeholt oder gar überholt werden?
In China sind ebenso wie in allen anderen Ländern die Ressourcen knapp. China muss sich daher auf die Branchen fokussieren, in denen es die größten komparativen Vorteile hat. Es wird daher nicht in allen Branchen zum Westen aufschließen. Grundsätzlich gilt: Mehr Wettbewerb tut auch den Industrieländern gut. Er zwingt sie, an ihrer eigenen Innovationsfähigkeit zu arbeiten und sich nach vorn zu bewegen. Die Industrieländer haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf ihren Lorbeeren ausgeruht. Jetzt müssen sie zum Sprung nach vorn ansetzen. China zwingt sie dazu.  

Der Sprung nach vorn könnte darin bestehen, dass die Industrieländer einen Teil der Produktion wieder nach Hause holen. Neuere Techniken wie der 3-D-Drucker erleichtern dies. Besteht da nicht die Gefahr, dass den Schwellenländern die Entwicklungschancen genommen werden?
Die Robotisierung in den Industrieländern ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass man die Produktion in großem Stil zurückverlagern könnte. Bei kleinen Losgrößen mag das gelingen. Aber wenn es um die Produktion von Massenwaren geht, sprechen die Kostenvorteile nach wie vor für eine Produktion in den Schwellenländern. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass eine gewisse Rückverlagerung der Produktion in die Industrieländer den Schwellenländern hilft. Denn sie verringert den politischen Druck in den Industrieländern, mit protektionistischen Maßnahmen gegen die Produkte aus den Schwellenländern vorzugehen. Diese können dann weiter vom Freihandel profitieren.

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