Volkskongress in Peking Eine so große Geldspritze wie nach der Finanzkrise ist in China diesmal nicht drin

Die Coronakrise hat China schwer getroffen. Zum Auftakt des Volkskongresses gab es eine Schweigeminute für die Opfer der Pandemie. Quelle: AP

Zum Auftakt des Volkskongresses in Peking sagt Chinas Führung der von Corona geschwächten Wirtschaft Milliarden zu. Die Hilfen fallen aber geringer aus, als Unternehmen im Vorfeld gehofft hatten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Chinas Premierminister Li Keqiang ist die Anspannung anzusehen, als er am Freitag in der Großen Halle des Volkes den Volkskongress eröffnet. Schweißtropfen stehen ihm auf der Stirn, als er den Jahresbericht der Regierung vorträgt.

Damit, dass der Volkskongress, dessen Auftakt jedes Jahr auf den 5. März fällt, nun mit mehr als zwei Monaten Verspätung endlich beginnen konnte, will Peking ein wichtiges Signal in die Welt senden: Nachdem das Schlimmste in der Coronapandemie überstanden ist, soll nun wieder Normalität einkehren.

Doch die Bilder aus dem Herzen der chinesischen Hauptstadt machen deutlich, dass vieles eben noch nicht wieder ganz normal ist: Li trägt zwar keinen Mundschutz, als er ans Rednerpult tritt. Fast alle der knapp 3000 Delegierten aber schon. Mit einer Schweigeminute wird an die Opfer der Pandemie gedacht. Dann fängt Li an zu sprechen - für nur eine Stunde und damit so kurz wie nie in der jüngeren Geschichte des Volkskongresses.

Die gute Botschaft des Premiers an die Wirtschaft lautet: Ja, es wird weitere milliardenschwere Hilfen geben, um das Land wieder in Schwung zu bringen. Ein so gewaltiges Konjunkturprogramm wie 2008 nach der Finanzkrise ist aber nicht drin.

Damals summierte sich das größte Konjunkturpaket in der Geschichte des Landes auf vier Billionen Yuan (etwa eine halbe Billion Euro), oder zwölf Prozent des BIPs. Da sich Chinas Wirtschaftsleistung seit der Finanzkrise fast verdreifacht hat, würden zwölf Prozent des Wachstums heute fast zwölf Billionen Yuan an Hilfen entsprechen.

Davon ist das neue Regierungspaket aber auch dann weit entfernt, wenn man sämtliche Maßnahmen zusammenrechnet:

Vorgesehen ist demnach die zusätzliche Ausgabe von Staatsanleihen im Wert von einer Billionen Yuan (rund 128 Milliarden Euro), mit denen die Wirtschaft neuen Schwung erhalten soll. Zur Finanzierung neuer Infrastruktur soll zusätzlich der Umfang regionaler ausgegebener Anleihen von 2,15 auf 3,75 Billionen Yuan im Vergleich zum Vorjahr erhöht werden. Das Haushaltsdefizit der Regierung wird laut dem Plan von 2,8 auf 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Durch Abgaben- und Steuersenkungen sollen Unternehmen 2,5 Billionen Yuan einsparen.

„Dies sind außergewöhnliche Maßnahmen für ungewöhnliche Zeiten“, rechtfertigt Regierungschef Li die zusätzlichen Ausgaben.

Laut Regierungsbericht werde auch sichergestellt, dass kleine- und mittelgroße Firmen einen signifikant besseren Zugang zu Krediten erhalten und die Finanzierungskosten sinken.

In einer Abkehr von der üblichen Praxis setzt der Premier in diesem Jahr „wegen der großen Unsicherheiten“ durch die Corona-Krise kein Ziel für das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft mit 6,1 Prozent innerhalb der Vorgabe der Regierung von 6,0 bis 6,5 Prozent gewachsen. Sie ist aber im ersten Quartal 2020 um 6,8 Prozent eingebrochen.

„Gegenwärtig und in der näheren Zukunft wird China vor Herausforderungen stehen wie nie zuvor“, schwört Li die Delegierten am Freitag ein. China verfüge jedoch über eine „starke wirtschaftliche Grundlage“, ein „enormes Marktpotenzial und Hunderte Millionen intelligenter und fleißiger Menschen“.

Auch fleißige Menschen ändern aber nichts daran, dass sich die Regierung auf weniger Beschäftigung einstellt.

Die Arbeitslosigkeit dürfte steigen. Nach einem Ziel für die städtische Arbeitslosenquote von 5,5 Prozent im vergangenen Jahr, gab Li am Freitag für dieses Jahr ein Ziel von sechs Prozent aus. Statt elf Millionen sollen nur noch neun Millionen Jobs geschaffen werden.

Dass Peking nicht mehr so aus den Vollen schöpft wie noch 2009 nach der Finanzkrise hat einen triftigen Grund: Der Geldregen und günstige Kredite kurbelte zwar die Wirtschaft an, kamen aber zu einem hohen Preis. Die Verschuldung des Staates und der Unternehmen stieg in Folge der Maßnahmen bis Ende 2019 auf über 300 Prozent des BIP, was nun den Spielraum im Kampf gegen den Corona-Abschwung einschränkt.

Zwar bot Peking der Wirtschaftslobby des Landes nicht so viel wie erhofft. Dafür kamen aber die Nationalisten auf ihrer Kosten:

Überraschend soll während des Volkskongress ein umstrittenes Sicherheitsgesetz für Hongkong beraten werden. Die prodemokratische Opposition in der chinesischen Sonderverwaltungsregion fürchtet, zum Ziel dieses Gesetzes zu werden. Es wird sich voraussichtlich gegen Aktivitäten richten, die Peking als subversiv empfindet oder die auf eine Unabhängigkeit abzielen könnten.

Die Hongkonger Demokratiebewegung ist über das geplante Gesetz entsetzt. Vieles spricht dafür, dass nach der Corona-Pause die Proteste mit voller Wucht in das Finanzzentrum zurückkehren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%