Vorbilder Taiwan, Hongkong, Südkorea So bekämpfen Chinas Nachbarn erfolgreich Corona

In Taiwan ist die Virusbekämpfung nicht föderalistisch geregelt. Die Entscheidungsgewalt liegt nicht in den Regionen, sondern bei einem zentralen Krisenmanagement. Quelle: imago images

Obwohl Taiwan direkter Nachbar der Volksrepublik China ist, hat sich die Lungenkrankheit dort kaum verbreitet. Auch Hongkong und Südkorea halten das Virus erfolgreich in Schach.

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Das demokratische Taiwan hat seinen großen Nachbarn China stets genau im Blick. Schließlich beansprucht die Volksrepublik die Inselrepublik seit jeher als eigenes Territorium. Genau hinzuschauen, was sich auf dem chinesischen Festland tut, ist für Taiwan also ohnehin Routine.

Alarmiert zu sein und ein natürliches Maß an Misstrauen hat den 23 Millionen Taiwanern jetzt wohl auch dabei geholfen, erfolgreich gegen die Ausbreitung des Coronavirus anzukämpfen. Obwohl zwischen beiden Ländern jährlich Millionen Menschen reisen, sind bisher, laut John Hopkins Universität, nur 53 Covid-19-Erkrankungen und ein Todesfall gemeldet.

Auch die chinesische Sonderverwaltungsregion Hongkong, Singapur, Südkorea und andere asiatische Nachbarn Chinas haben Maßnahmen ergriffen, von denen Deutschland und andere europäische Staaten lernen können.

von Philipp Frohn, Andreas Macho, Jürgen Salz

Keine Zeit zu verlieren, war zumindest für Taiwan der Schlüssel zum Erfolg. Bereits am 31. Dezember, am Tag also, als China gerade erst die Weltgesundheitsorganisation über eine „unbekannte Lungenkrankheit“ in der Millionenmetropole Wuhan alarmierte, begannen Taiwans Behörden schon damit, Menschen aus der Region bei der Einreise streng auf Symptome zu kontrollieren. Was folgte, war eine stufenweise Abschottung bis hin zu einem kompletten Flugstopp aus China und anderen betroffenen Ländern.

Taiwan zog frühzeitig Schlüsse, weil es 2003 während der ebenfalls von China ausgegangenen Sars-Epidemie für seine Nachlässigkeit zahlen musste. 73 Menschen kamen damals landesweit ums Leben. „Der Sars-Ausbruch hat uns gezeigt, dass wir von China keine zeitnahen und genauen Daten zum Krankheitsausbruch erwarten können“, sagt der taiwanische Gesundheitsexperte und Professor Chan Chang-Chuan.

44 Millionen Schutzmasken – und das schon im Januar

Die Staatsmedien der Volksrepublik betonen derzeit gerne, dass China der Welt mit seinen strikten Maßnahme einen Vorsprung gegeben habe, um sich vorzubereiten. In Taiwan ist man vom Gegenteil überzeugt: Besonders in der Anfangsphase der Epidemie hätten die Chinesen genau wie bei Sars mal wieder versucht, alles zu verschleiern und so kostbare Zeit verspielt.

Neben einer rigorosen und schnellen Abschottung profitierte Taiwan davon, dass es nach Sars sein Gesundheitssystem fit für die Bewältigung von großen Epidemie-Wellen machte. Die Regierung verbesserte die Schulung des medizinisches Personals, auch die Infektionskontrollen in Kliniken wurden verschärft. Wichtig auch: In Taiwan ist die Virusbekämpfung nicht föderalistisch geregelt. Die Entscheidungsgewalt liegt nicht in den Regionen, sondern bei einem zentralen Krisenmanagement.

Schon am 20. Januar, noch bevor die chinesische Regierung Wuhan isolierte und das Ausmaß des Corona-Ausbruchs langsam deutlich wurde, lag in Taiwan ein Vorrat von 44 Millionen Schutzmasken und andere medizinische Ausrüstung bereit, die an Krankenhäuser und Bürger verteilt werden konnte. Zudem wurde laut Chan eine „aggressive und umfassende Kontaktverfolgung“ von Virus-Fällen betrieben.

„Die Menschen hier nehmen es sehr ernst, in Zeiten von Epidemien Masken zu tragen“, berichtet Chan. Insbesondere in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln werde das Tragen von Masken als Mittel angesehen, um das Risiko einer Infektionen zu verringern. Die Masken würden die Bürger auch daran erinnern, im Alltag wachsam zu sein.

Auch Hongkong profitiert in der aktuellen Krise von schmerzhaften Lektionen, die die chinesische Sonderverwaltungsregion während der Sars-Epidemie machte. Sie kostete weltweit insgesamt 774 Menschen das Leben. 349 Todesopfer gab es auf dem gesamten chinesischen Festland – 299 in Hongkong. Viren haben an einem der am dichtesten besiedelten Orte der Welt eben leichtes Spiel.

Zwangsquarantäne unter strenger Kontrolle

Zwar zögerte Hongkongs Regierung in den ersten Wochen nach dem Coronavirus-Ausbruch, entschied sich dann aber doch, die Grenzen faktisch zu schließen. Wer jetzt noch vom Festland nach Hongkong reist, muss für 14 Tage in Zwangsquarantäne. Mit Anrufen und Ortung per Handy wird überprüft, ob die Isolation auch eingehalten wird. Wer trotzdem verschwindet, wird zur Fahndung ausgeschrieben.

„Eine der wichtigsten Lektionen, die wir von Sars gelernt haben, ist, dass soziale Distanzierung und Hygiene für die Kontrolle des Ausbruchs von entscheidender Bedeutung sind“, sagt der Hongkonger Virologe John Nicholls. Fahrstuhlknöpfe, Geldautomaten und andere Kontaktflächen sind in Hongkong derzeit mit Folien überzogen, die täglich mehrfach desinfiziert werden.

Zwar legte Hongkong nicht das komplette öffentliche Leben lahm – wie auf dem chinesischen Festland. Restaurants und Geschäfte sind weiterhin geöffnet, die meisten Menschen gehen morgens ins Büro. Allerdings schlossen die Behörden alle Schulen zügig. Seit Ende Januar bis voraussichtlich nach den Osterferien im April bleiben Bildungsstätten geschlossen. Bislang musste das Finanzzentrum 132 Infektionen und vier Tote verzeichnen.

Die Entwicklung in Südkorea ist für Deutschland besonders interessant, weil das Land ökonomisch und medizinisch vergleichbar gut aufgestellt ist. Die Gesundheitsbehörden meldeten am 20. Januar den ersten Nachweis. Betroffen war eine Chinesin, die aus Wuhan einreiste. Einen Monat später stiegen die Zahlen sprunghaft an. Betroffen war vor allem die Millionen-Stadt Daegu und die umliegende Region. Die größte Häufung gibt es unter Anhängern der christlichen Sekte Shincheonji-Kirche Jesu, die in Daegu stark vertreten ist.

Die gegen die Epidemie gerichteten Maßnahmen schränken das soziale Leben stark ein. Konzerte und Festivals wurden abgesagt, Museen und Büchereien bleiben geschlossen. Großunternehmen ordneten Heimarbeit an. Der Beginn des Schulhalbjahrs wurde verschoben. Die Regelung gilt auch für Kindergärten. Auch nationale und internationale Sportveranstaltungen mussten verschoben werden.

Drive-Through-Tests

Obwohl Südkorea bis Freitag mit 7900 Infektionen immerhin halb so viele Erkrankungen vorweist wie Italien, liegt die Sterberate im Vergleich deutlich niedriger. Während in Italien bei rund 15.000 Infektionen 1016 Todesfälle zu beklagen sind, kommt Südkorea bislang auf 67 Opfer.

Dies sei laut den südkoreanischen Behörden vor allem der schnellen Erkennung von Fällen zu verdanken. „Ich denke, wir konnten fast alle Fälle in Korea erfassen, darunter auch milde und symptomlose Fälle“, sagt Kim Dong Hyun von der Koreanischen Gesellschaft für Epidemiologie. Südkorea sei in dieser Hinsicht ein Ausnahmefall. 20.000 Menschen können täglich in dem ostasiatischen Land getestet werden.

Das geht seit einiger Zeit sogar bequem per Auto. In den Drive-Through-Zentren kurbelt man nur noch die Scheibe runter und gibt eine Speichelprobe ab. Wer den Erreger in sich trägt, wird kurze Zeit später telefonisch informiert.

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