Vorwahl der Konservativen Überraschungsstar Fillon wirft Sarkozy raus

Der frühere Premierminister François Fillon zieht mit großem Vorsprung in die Stichwahl um die Präsidentschaftskandidatur. Nicolas Sarkozy muss sich geschlagen geben – und zeigt sich als fairer Verlierer.

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Überraschend deutlich hat der Franzose die erste Runde der Vorwahl der Konservativen gewonnen. Quelle: AFP

Paris Frankreichs Ex-Premier François Fillon hat mit 44 Prozent der Stimmen überraschend bei der ersten Runde der Vorwahl der Konservativen am besten abgeschnitten. Er hat nun die größten Chancen, die Stichwahl am Sonntag zu gewinnen und im Mai 2017 der nächste Staatspräsident zu werden. Die Sensation der Abstimmung, an der rund vier Millionen Franzosen teilnahmen: Nicolas Sarkozy ist mit nur 20 Prozent eliminiert.

Mit den Worten: „Ich werde in Zukunft mehr private und weniger politische Aufregung erleben“ beendete er am Sonntagabend seine politische Karriere. Allerdings hatte er schon nach seiner Wahlniederlage gegen François Hollande 2012 seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Ex-Premier und –Außenminister Alain Juppé, der lange als unangefochtener Favorit galt, landete mit nur 28 Prozent auf dem zweiten Platz.  

Der 71-jährige Juppé gab indirekt zu, dass Fillon nun als wahrscheinlicher Sieger gilt. „Ich setze den Kampf fort“, sagte er, weil am Abend sogar schon Gerüchte über seinen Rückzug aufkamen, und versuchte, seinen Anhängern Mut zu machen: „Heute haben wir eine Überraschung erlebt, aber am kommenden Sonntag werden wir die nächste erleben.“

Doch dürfte es für ihn sehr schwer werden, noch an Fillon vorbeizuziehen. Nicht nur, weil der Abstand sehr groß ist, sondern weil Juppé wenig Reserven hat, die er noch mobilisieren könnte – angeblich haben bereits 15 Prozent Linke für Juppé gestimmt, um Sarkozy zu verhindern – sondern auch, weil er kaum von der Übertragung von Stimmen anderer Kandidaten profitieren dürfte. Sarkozy ruft nun zur Wahl von Fillon auf.

Fillons überragender Erfolg ist auch eine Niederlage für die Demoskopen. Keiner hatte ein so starkes Ergebnis des Ex-Premiers auch nur im Entferntesten in Aussicht gestellt. Lange hatten die Meinungsforscher Fillon überhaupt nicht auf der Rechnung und erwarteten, dass Juppé und Sarkozy die Wahl unter sich ausmachen würden. Erst nach der letzten von drei TV-Debatten der sieben Kandidaten in der vergangenen Woche tauchten Umfragen auf, die Fillon klar unter den ersten drei zeigten.

Die übrigen vier Kandidaten, die an der Vorwahl teilnahmen, landeten mit Werten zwischen 2,5 und 0,3 Prozent weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Fillon gab sich bei seinem Auftritt nach der Vorwahl bereits fast wie der Sieger: „Ich werde mich nun um die Sammlung aller Franzosen bemühen, wir brauchen alle“, sagte er und griff zum Mittel des Pathos: „Die Hoffnung kommt von einem freien Volk, das verlangt, gehört zu werden.“ Die  Franzosen  wollten „ein bürokratisches Regime brechen, das ihre Kreativität aufhält.“ Fillon steigerte sich sogar noch mit seinem Schlusssatz: „Nichts kann eine Nation aufhalten, die für ihre Würde aufsteht.“


Vorwahl nicht nur wegen Fillon eine Überraschung

Diese Vorwahl ist nicht nur wegen der Person Fillon eine Überraschung, sondern auch, weil Frankreichs Konservative damit komplett gegen die populistische Welle in Europa stimmen. Sie haben einen Anti-Populisten gewählt. Fillons Programm ist wirtschaftlich äußerst liberal, er will den Staat verkleinern, spricht kaum von den Verlierern der Globalisierung und will Frankreich absolut nicht aus der internationalen Arbeitsteilung zurückziehen. Außerdem hat er sich nicht europaskeptisch geäußert, sondern will eine Stärkung der Eurozone. Fillon ist, wenn man so will, die Personifizierung all dessen, wogegen die Populisten anrennen.

Überschneidungen mit Sarkozy gibt es dagegen bei seiner harten Linie gegen den politischen Islam. In gesellschaftspolitischen Fragen ist Fillon sogar noch rechter als Sarkozy: Während Sarkozy angekündigt hatte, er würde die lange bekämpfte Ehe für Homosexuelle nicht mehr ändern, hat Fillon sich die Unterstützung der Gegner der Homo-Ehe gesichert.

Man kann das Ergebnis wohl so lesen: Die Teilnehmer der Vorwahl wollen einen harten Schnitt mit fünf Jahren Hollande und keinen sanften Übergang, sondern harte wirtschaftliche Reformen. Sie wollen einen Kandidaten mit klaren, rechten Positionen. Deshalb hat Juppé, der gesellschaftspolitisch liberal ist,  bei weitem nicht so gut abgeschnitten wie erwartet. Aber die Wähler wollten nicht Sarkozy, der seinen Wahlkampf über Frankreichs angeblich vom Islam bedrohte Identität führte. Dem Ex-Präsidenten hängen zu viele Affären an, er ist zu verbraucht, seine Glaubwürdigkeit im Hinblick auf Reformen ist dahin, weil er fünf Jahre Zeit dafür hatte, aber nur wenig zuwege gebracht hat. 

Gewinnt Fillon am Sonntag die Stichwahl, hat er die besten Aussichten, der neue Staatspräsident zu werden. Bereits in den ersten sechs Monaten will er das Gros seiner Reformen starten, wie eine Anhebung der Mehrwertsteuer, Ausgabensenkungen und die Verkleinerung des Beamtenapparats. Doch der Wahlkampf, der nun lange sechs Monate dauern wird, dürfte noch äußerst spannend werden.

Mit Fillon, der rechtspopulistischen Marine Le Pen und dem linksliberalen Emmanuel Macron gibt es drei völlig unterschiedliche politische Angebote. Die Sozialisten müssen noch entscheiden, wen sie ins Rennen schicken, und davor muss Präsident Hollande sich endlich darüber klar werden, ob er angesichts seiner katastrophalen Umfragewerte einem anderen den Vortritt lässt oder dennoch das Unmögliche versucht und dann so gut wie sicher bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ausscheidet.

Eines steht jetzt schon fest: Die Franzosen sind nicht politikmüde, und die Konservativen sind nicht bereit, ihr Land den Populisten zu überlassen.

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