Währung Goodbye Dollar

Explodierende Staatsschulden, Geldschwemme und Finanzkrise untergraben das Vertrauen in das globale Geld- und Währungssystem. Ohne eine grundlegende Reform drohen schon bald neue Krisen. Bei einer Neuordnung könnte Gold eine wichtige Rolle spielen.

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US-Notenpresse: Die Geldschwemme erodiert das Vertrauen in den Dollar Quelle: REUTERS

Eigentlich versteht sich Richard Smith als Künstler, nicht als Revolutionär. Doch was der New Yorker Designer da im Internet angezettelt hat, ist eine kleine Revolte. Auf der Web-Site www.dollarredesign.com ruft Smith dazu auf, den Dollar-Banknoten ein neues Gesicht zu verleihen. Bis zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli hat jeder Besucher die Möglichkeit, seine eigenen Ideen ins Netz zu stellen. Mehr als 80 Vorschläge hat Smith bereits gesammelt, darunter Kurioses wie einen Dollar mit dem Konterfei des Schauspielers Jack Nicholson und eine Banknote, auf der unter „sponsored by“ die Logos von General Motors, Merrill Lynch, AIG und der Citibank prangen.

Der Nimbus des Dollars wankt

Die Initiative für den Dollar begründet Smith, der schon für das Modemagazin „Vogue“ und die Brauerei Beck’s Bier Kampagnen entworfen hat, mit der aktuellen Wirtschaftskrise. „Ich habe mich gefragt, was wir verändern können, um die Wirtschaft wieder aufzubauen“, sagt Smith. Dabei sei ihm schnell klar geworden, dass der Dollar, die Visitenkarte der USA, ein „klassisches 08/15-Design“ habe und dringend ein „neues Image, ein Revival“ brauche. An US-Präsident Barack Obama schrieb er: „Wir leben in schwierigen Zeiten“ und „die Marke USA scheint zu bröckeln“. Ein neues Design für den Dollar sei daher ein erster Schritt, Währung und Wirtschaft wieder zu beleben.

Kosmetisches Facelifting wird da nicht reichen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat nicht nur das Vertrauen in den Dollar untergraben, sondern auch die Mängel des globalen Währungssystems schonungslos offengelegt. Der Nimbus vom Dollar als Leitwährung wankt. Die jahrelange Niedrigzinspolitik wichtiger Notenbanken, die anhaltenden Verschuldungsexzesse in den USA und die Anbindung der Wechselkurse von Schwellenländern an den Dollar haben entscheidend zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen.

Reformbedürftiges Währungssystem

Daher werden die Rufe nach einer Reform der internationalen Geld- und Währungsordnung immer lauter. Große Schwellenländer wie Russland und China haben schon begonnen, sich vom Dollar als Leitwährung abzusetzen. Ihren bilateralen Warenhandel wollen sie in Zukunft in nationaler Währung statt in Dollar abwickeln. Zudem fordern sie, den Greenback durch eine supranationale Reservewährung zu ersetzen. Ökonomen denken sogar über die Rückkehr zum Goldstandard sowie die Abschaffung der staatlichen Geldmonopole nach. Selbst in westlichen Zentralbankerkreisen heißt es hinter vorgehaltener Hand, das Währungssystem sei reformbedürftig.

Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahren massive Fehlentwicklungen aufgestaut. Im Mittelpunkt stehen die Notenbanken in den USA und China. Jedes Mal, wenn sich in der Wirtschaft ein Unwetter zusammenbraute, eilte die US-Notenbank Fed mit großzügigen Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen zu Hilfe. Doch anstatt die Wirtschaft nachhaltig zu genesen, pumpten die Geldspritzen immer neue Blasen auf, die dann platzten und die nächste Krise hervorriefen.

Gefährliche Schieflage 1. Wie das Wechselkurssystem

Neben der Fed wirkte auch die Notenbank in China an diesem Teufelskreislauf mit. Das Land hatte bereits Anfang der Neunzigerjahre auf eine exportorientierte Wachstumsstrategie gesetzt. Dazu werteten die Währungshüter den Yuan um knapp 50 Prozent gegenüber dem Dollar ab und verteidigten den niedrigen Wechselkurs. Von 2005 bis 2008 ließen sie auf Druck der USA zwar eine leichte Aufwertung zu, die blieb jedoch weit hinter dem Notwendigen zurück. Mit dem Rückenwind der billigen Währung segelten die Exporte Chinas von einem Rekord zum nächsten und katapultierten die Wachstumsraten der Wirtschaft auf zweistellige Raten.

Als Vorbild diente China dabei das exportgetriebene Wachstumsmodell, das Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraft setzte und das uns das Wirtschaftswunder bescherte. 1944 hatten sich die späteren Siegermächte im amerikanischen Kurort Bretton Woods auf eine Nachkriegs-Währungsordnung geeinigt, bei der alle beteiligten Währungen einen festen Wechselkurs zum Dollar hatten, der wiederum fest an Gold gebunden war. Die amerikanische Notenbank war verpflichtet, jederzeit Dollar in Gold zu tauschen.

Bindung zwischen Dollar und Gold längst gelockert

Als Deutschland dem System 1949 beitrat, geschah das auf Basis eines niedrigen Wechselkurses der D-Mark, was die Exporte kräftig ankurbelte. Das System zerbrach Anfang der Siebzigerjahre, als die US-Notenbank zur Finanzierung des Vietnam-Kriegs zu viele Dollar in Umlauf gebracht hatte und ihre Goldeinlöseverpflichtung nicht mehr erfüllen konnte.

Zwar ist die Bindung des Dollar an Gold längst Vergangenheit. Doch die festen Wechselkurse zum Greenback, die in den vergangenen Jahren neben China auch Singapur, Malaysia, Hongkong und viele Öl exportierende Staaten aus Nahost eingeführt haben, veranlassten Ökonomen, vom „Bretton-Woods-II-System“ zu sprechen.

Dieses System schien zunächst gut zu funktionieren. China lieferte dank seiner unterbewerteten Währung billige Produkte in die USA und förderte damit den Konsumrausch der US-Bürger. Um den Aufwertungsdruck auf den Yuan zu dämpfen, kauften die Chinesen Dollar an und pumpten im Gegenzug Yuan in die heimische Wirtschaft. Anschließend schleusten sie die Dollar in die USA zurück, indem sie amerikanische Staatsanleihen und andere Wertpapiere kauften.

Zweifel am Wechselkurssystem in Peking

Das Problem dabei: Die Chinesen trieben so die Kurse der US-Staatspapiere in luftige Höhen und die Effektivzinsen in den Keller. Zusammen mit den ultraniedrigen Leitzinsen der US-Notenbank förderte das die Verschuldung der US-Bürger und pustete die Immobilienblase immer weiter auf. Weil Staatsanleihen nur Mickerzinsen boten, gingen Investoren auf der Suche nach mehr Rendite immer größere Risiken ein und nährten spekulative Übertreibungen.

In China pumpte die Zentralbank im Zuge der Devisenmarktinterventionen immer mehr eigenes Geld in die Wirtschaft, und so schossen auch von Peking bis Shenzhen die Preise für Immobilien in die Höhe. Für Li Ruogu, Präsident der chinesischen Export-Import-Bank, ist das „auf den Dollar fixierte Wechselkurssystem daher eine der Hauptursachen für die Finanzkrise“.

Auch die Machthaber in Peking beginnen daher an ihrem Wechselkurssystem zu zweifeln. Im März erregte der Chef der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, große Aufmerksamkeit, als er die Abkehr vom Dollar als Leitwährung forderte und vorschlug, die Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer supranationalen Reservewährung auszubauen.

Gefährliche Schieflage 2.Wie das Wechselkurssystem

In der vergangenen Woche schlug Russlands Präsident Dmitri Medwedew in die gleiche Kerbe. „Wir müssen das internationale Währungssystem über die Schaffung neuer Reservewährungen stärken“, forderte Medwedew. Ebenso wie Zhou verlangt er, die Sonderziehungsrechte auszubauen und dabei den Rubel, den Yuan, Rohstoffe sowie Gold zu berücksichtigen.

Sonderziehungsrechte sind eine Kunstwährung für finanzielle Transaktionen zwischen Staaten und internationalen Einrichtungen. Sie werden als Währungskorb aus  Euro, Dollar, Pfund und Yen berechnet. Geht es nach dem Willen Chinas und Russlands, werden SZR in Zukunft auch als Zahlungsmittel im internationalen Warenverkehr und an den Finanzmärkten verwendet.

China fordert Reservewährung

Dass China und Russland ausgerechnet jetzt, wo der Dollar wegen der Finanzkrise ohnehin angezählt ist, Druck zur Reform des globalen Währungssystems machen, liegt vor allem an der Sorge, die USA könnten versuchen, ihre explodierenden Staatsschulden durch Inflation zu entwerten. Das würde den Dollar auf Talfahrt schicken und den Wert der chinesischen und russischen Devisenreserven dahinschmelzen lassen wie Schnee in der Sonne. Besonders China träfe das hart. Das Reich der Mitte besitzt mit rund zwei Billionen Dollar die größten Dollar-Reserven der Welt, von denen rund 1,5 Billionen in US-Staatsanleihen stecken.

Die Sorgen der Chinesen sind begründet. In den USA fordern prominente Ökonomen wie Gregory Mankiw, ehemaliger Wirtschaftsberater von George W. Bush, und Kenneth Rogoff, Ex-Chefvolkswirt des IWF, schon lautstark eine höhere Inflation. Die Teuerungsrate solle für mehrere Jahre auf sechs Prozent steigen, um „die Schuldenbombe zu entschärfen“, empfiehlt Rogoff. Verständlich, dass die Chinesen da unruhig werden und eine supranationale Reservewährung fordern.

Ob die Sonderziehungsrechte den Dollar als Leitwährung ersetzen können, ist jedoch trotz des lauten medialen Getöses aus Peking und Moskau fraglich. Um in den Währungskorb aufgenommen zu werden, müssten die Wechselkurse von Yuan und Rubel erst einmal freigegeben werden und beide Währungen uneingeschränkt gegen andere Devisen umtauschbar sein. Davon sind sie aber noch weit entfernt.

Shelton: Währung an Edelmetalle binden

Hinzu kommt, dass der IWF als Verwalter der SZR keine eigenen geldpolitischen Kompetenzen besitzt, die zur Emission und Steuerung einer Währung nötig sind. Über die Ausgabe neuer SZR müssten daher die Regierungen der IWF-Mitgliedsländer entscheiden. Das wäre mit einem langwierigen, konfliktreichen und hochpolitischen Entscheidungsprozess verbunden. Eine auf stabile Preise ausgerichtete Geldpolitik wäre damit de facto unmöglich. Fraglich ist darüber hinaus, ob die wirtschaftlich extrem heterogenen Länder alle unter den Hut einer gemeinsamen Währung passen.

Einige Ökonomen wie Judy Shelton fordern daher, die nationalen Währungen beizubehalten und diese an Edelmetalle wie Gold und Silber zu binden, um so für mehr währungspolitische Stabilität zu sorgen. „Es gibt kein Zahlungsmittel, das auf breitere Akzeptanz stößt als Gold“, sagt Shelton. Im Prinzip liefe das auf eine Wiederbelebung des Goldstandards hinaus.

Notenbanker Bernanke: Quelle: AP

Einen prominenten Befürworter hat der Goldstandard ausgerechnet in Alan Greenspan, dem ehemaligen US-Notenbankpräsidenten. 1966, lange bevor er sein Amt antrat, kritisierte er in einem Aufsatz über „Gold und wirtschaftliche Freiheit“, „die Abschaffung des Goldstandards“ habe es „den Verfechtern des Wohlfahrtsstaates ermöglicht, das Bankensystem für eine unbegrenzte Kreditexpansion zu missbrauchen“. Das habe zu ausufernden Staatsdefiziten, Geldmengenexpansionen und Inflation geführt. „Ohne Goldstandard gibt es keine Möglichkeit, Ersparnisse vor der Enteignung durch Inflation zu schützen“, konstatierte Greenspan damals.

Jahre später, als Notenbankchef, unternahm Greenspan keinerlei Anstalten, den Goldstandard neu zu beleben. Im Gegenteil: Seine Zinsbeschlüsse trugen mit zur Blasenbildung an den Vermögensmärkten bei. Dennoch bekennt er sich auch heute noch als Anhänger des Goldstandards. Gut möglich, dass die eigene Erfahrung mit einer regellosen Geldpolitik dieses Bekenntnis befördert hat.

Keynes: Weltwährung mit Deckung aus 30 Rohstoffen

Technisch gesehen wäre es durchaus möglich, die Währungen wieder an Gold zu binden. In den Tresoren der Notenbanken schlummern große Mengen des Edelmetalls. Die Zentralbanken der G20-Länder halten rund zwei Drittel der weltweiten Goldreserven. Rechnet man die Vorräte des IWF, der Europäischen Zentralbank und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich dazu, liegt der Anteil sogar bei knapp 80 Prozent.

Dennoch würde die Menge nicht reichen, um das weltweite Geld zu decken, ohne dass der Goldpreis in die Höhe schießt. Würde nur das Papiergeld an die aktuellen Goldbestände der USA (Eurozone) gekoppelt, ergäbe sich für eine Unze Gold ein theoretischer Gleichgewichtspreis von rund 6.852 Dollar (2.925 Euro). Bei einer vollen Deckung aller Währungen durch Gold würde sich der Preis für die Feinunze von derzeit 940 auf etwa 37.000 Dollar vervierzigfachen. Aus diesem Grund käme als Deckung wohl eher ein Korb aus mehreren Rohstoffen infrage, wie ihn der britische Ökonom John Maynard Keynes auf der Bretton-Woods-Konferenz vorgeschlagen hatte. Keynes schwebte vor, eine Weltwährung, die er Bancor nannte, zu etablieren. Ihr sollte ein Korb aus 30 Rohstoffen zugrunde liegen.

"Fataler Konstruktionsfehler"

Der Charme eines Gold- oder Rohstoffstandards besteht vor allem darin, dass er die Zentralbanken einem starren Korsett unterwirft, das ihnen eine zügellose Ausweitung der Geldmenge verbietet. Spekulative Blasen und Inflationsschübe gehörten dann der Vergangenheit an. Auch die Gefahr protektionistischer Abwertungswettläufe wäre durch die feste Bindung der Währungen an Gold gebannt.

Gleichwohl habe der Goldstandard einen „fatalen Konstruktionsfehler“, sagt Li Ruogu: „Der Widerspruch zwischen begrenzten Goldreserven und unbegrenzten Wachstumsmöglichkeiten der realen Wirtschaft führt langfristig zur monetären Unterversorgung und Deflation.“

Handelsraum: Gefährliche Quelle: dpa/dpaweb

Liberale Ökonomen plädieren deshalb für eine andere Reform des Geld- und Währungssystems. Sie wollen den Zentralbanken das Geldmonopol nehmen und die Produktion von Geld in private Hände legen. Dabei berufen sie sich auf die Ideen des österreichischen Wirtschaftsnobelpreisträgers Friedrich August von Hayek. Der hat konkurrierende Privatwährungen gefordert, weil die Geschichte staatlichen Geldes, von wenigen Ausnahmen abgesehen, „eine Geschichte voller Lug und Betrug“ sei. Der Wettbewerb zwischen privaten Geldemittenten sorge dagegen für gutes Geld, so Hayek.

Free-Banking als Alternative

Anders als beim Goldstandard, wo den Bürgern wieder ein staatliches Geldsystem übergestülpt würde, hätten die Menschen beim free-banking „die freie Wahl des Zahlungsmittels“, sagt Thorsten Polleit, Deutschland-Chefvolkswirt von Barclays Capital. So sei nicht von vornherein klar, welches Geld sich durchsetzen werde. Sicher aber sei, dass es gutes und wertstabiles Geld sei. „Niemand hält freiwillig schlechtes Geld, wenn er auf dem Markt gutes Geld bekommen kann“, sagt Polleit. Allerdings spreche einiges dafür, dass sich am Ende des Tages Edelmetalle oder durch sie gedecktes Geld als allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel durchsetzen werden.

Wie kann wirtschaftliches Chaos vermieden werden?

Einen Vorteil sieht Polleit auch darin, dass die Zentralbanken nach einer solchen Reform den Zins als wichtiges Steuerungsinstrument der Wirtschaft nicht mehr manipulieren können. „Der Zins wird wieder zu einem freien Marktphänomen, Fehlinvestitionen und Spekulationsblasen, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben, gehören dann der Vergangenheit an“, erklärt der Barclays-Ökonom.

Bliebe nur noch zu klären, wie in der Phase des Übergangs der Ausbruch von wirtschaftlichem Chaos vermieden werden kann. Schließlich dürfte kaum jemand ein Währungssystem akzeptieren, das ihn dazu nötigt, zehn oder mehr Währungen bei sich zu führen, weil er in Berlin mit einer anderen Währung zahlen muss als in Köln.

In diesem Durcheinander könnte ja Richard Smith helfen. Der New Yorker Designer weiß dank seines Dollar-Projektes jetzt nicht nur, wie man Papiergeld vermarktet. Er hat in den vergangenen Jahren auch schon für das World Gold Council, eine Vereinigung von Goldminengesellschafter, gearbeitet. Das Ziel der Kampagnen: die Nachfrage nach Gold anzukurbeln.

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