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Währungsunion Bulgarien drängt in die Euro-Zone

Die Regierung in Sofia will dem Europäischen Wechselkursmechanismus beitreten und so die Einführung des Euros vorbereiten. Das Land erfüllt die Beitrittskriterien – und doch haben Deutschland und Österreich Bedenken.

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Das Land drängt in die Euro-Zone. Quelle: Reuters

Sofia Eine Lizenz zum Drucken besitzen die Bulgaren bereits: Die EZB lässt an einem Standort in dem Balkan-Staat Euro-Banknoten herstellen. Doch benutzen dürfen die Bulgaren die begehrten Scheine nach wie vor nicht im eigenen Land. Finanzminister Wladislaw Goranow hat sich vorgenommen, das zu ändern. „Ich werde bis zur Jahresmitte einen Beitrittsantrag zum ERM II stellen“, sagte Goranow in Sofia.

Der Europäische Wechselkursmechanismus ERM II bildet quasi das Wartezimmer für den Euro. Wechselkurse von Beitrittswährungen dürfen darin nur begrenzt ab- oder aufwerten zum Euro. Für die bulgarische Währung ist das kein Problem, denn der Lew-Kurs ist bereits jetzt fest an den Euro gebunden. Mindestens zwei Jahre muss eine Währung im ERM II bestehen, bevor sie in den Euro aufgehen kann.

Alle Euro-Staaten mussten diese Phase durchlaufen und haben dafür selten länger als drei Jahre gebraucht. Das würde im Prinzip bedeuten, dass Bulgarien die europäische Einheitswährung vielleicht 2021 einführen könnte. Das Datum will Goranow allerdings nicht in den Mund nehmen. „Wir sind bereit, so lange im ERM II zu bleiben, wie es nötig ist“, sagt er.

Goranow versucht damit, Kritiker zu besänftigen. Nicht alle Euro-Staaten sind begeistert von der Idee, noch ein Land in ihren Kreis aufzunehmen. Nach Angaben von EU-Diplomaten haben Deutschland und Österreich Einwände erhoben.

Die deutschen Bedenken dürften mit der Euro-Schuldenkrise zu tun haben. Sie brachte schlagartig ans Licht, dass Volkswirtschaften wie Griechenland oder Portugal den Anforderungen der Währungsunion nicht gewachsen waren. Vor der Euro-Einführung löste man solche Wettbewerbsprobleme, in dem man seine Währung abwertete. Mit dem Euro ging das nicht mehr, weshalb manches südeuropäische Land unter einen enormen Druck geriet, Löhne und Preise zu senken. Soziale Verwerfungen und ein steiler Anstieg der Staatsverschuldung waren die Folge – mit den bekannten Auswirkungen auf die gesamte Euro-Zone.

Die Bulgaren glauben nicht, dass ihnen etwas Ähnliches passieren könnte. „Wir erfüllen alle formalen Kriterien für den Beitritt“, sagt Goranow. Die Fakten geben ihm recht. Bulgariens Staatsfinanzen stehen besser da als diejenigen mancher Euro-Staaten. Das Haushaltsdefizit beträgt Null Prozent, die Staatsverschuldung nur knapp 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der deutsche Schuldenberg ist knapp dreimal so hoch. Die Preissteigerungsrate ist mit 1,3 Prozent moderat und die Wirtschaft wächst mit zuletzt 3,9 Prozent deutlich über EU-Durchschnitt.

Goranow hat also gute Argumente, die inzwischen offenbar auch von der Europäischen Zentralbank gehört werden. Die Entscheidung darüber, wer dem ERM II beitreten darf, liegt bei der EZB. Aus der europäischen Notenbank kämen jetzt „ermutigende Signale“, berichtet Goranow, Er hoffe daher, dass die EZB die Tür zum ERM II nun aufmache.

Doch Deutschland und Österreich versuchen offenbar, das zu verhindern. Goranow nennt die beiden Länder nicht beim Namen. Doch er ist empört. Es scheine, dass manche Euro-Staaten kein weiteres Land an ihren Tisch lassen wollten. „Das ist nicht fair“, schimpft Goranow. Er forderte die Gegner eines bulgarischen Euro-Beitritts auf, ihre Argumente offen auf den Tisch zu legen: „Wir wollen wissen, was wir noch tun müssen.“

Aus Sicht der EU erfüllt das Land bei Justiz und Korruptionsbekämpfung immer noch nicht alle Kriterien. Es unterliegt deshalb dem sogenannten Kooperations- und Kontrollverfahren CMV, in dem die EU-Kommission regelmäßig die Umsetzung von Reformen beurteilt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wirbt jedoch dafür, dass alle EU-Länder möglichst rasch in den Euro aufgenommen werden. Derzeit sind es nur 19 der 28 EU-Mitgliedsstaaten. Für Bulgariens Bewerbung hatte er schon im Herbst seine Unterstützung erklärt.

Die Gegner eines bulgarischen Euro-Beitritts kommen in der Tat in Begründungsnöte. Die Bevölkerung des Balkan-Staates bekommt das Gefühl, als EU-Mitglied zweiter Klasse behandelt zu werden. Man sei nun seit über zehn Jahren EU-Mitglied, doch dürfe nach wie vor weder den Euro einführen noch dem grenzfreien Schengen-Raum beitreten, heißt es in Sofia. „Ich glaube, dass sowohl Rumänien als auch Bulgarien es verdienen, Mitglieder der Schengenzone zu werden“, sagte Regierungschef Boiko Borissow.

Solche Klagen kann die EU auf Dauer nicht ignorieren. Die Balkan-Staaten werden nämlich mittlerweile auch heftig von anderen Mächten umworben: Russland und China bemühen sich intensiv um die Länder, die sich von der EU vernachlässigt fühlen.

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