Waffenhandel Russlands Rüstungsindustrie boomt

Russlands Waffen sind internationale Exportschlager - auch dank der Zulieferer aus dem Ausland. Ein Embargo würde Russland Milliarden kosten.

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China holt im weltweiten Waffenhandel auf
Ein Panzer bei einer Militär-Parade in Venezuela Quelle: dapd
Menschen hängen eine algerische Flagge auf Quelle: REUTERS
Die deutsche Fregatte "Hessen" Quelle: dpa/dpaweb
 Die griechische Fregatte Salamis und zwei kleinere Marine-Schnellboote Quelle: dpa/dpaweb
Drei F/A-18 Kampfflugzeuge Quelle: REUTERS
Ein Soldat schaut durch das Zielkreuz eines Maschinengwehrs Quelle: dpa/dpaweb
Ein chinesisches U-Boot taucht ab Quelle: dapd

Was uns nicht umbringt, macht uns stark. Diesen Eindruck wollen russische Politiker und kremlnahe Experten zur Zeit vermitteln, wenn es um westliche Sanktionen gegen Moskau geht. Der Grundtenor: Wenn der Westen Sanktionen gegen Russland verhängt, dann kann das Land endlich seine Abhängigkeit von Importen überwinden und eigene Industriezweige aufbauen. Am Ende werde es dem Land nur noch besser gehen.

Auch Wladimir Putin setzte gestern sein Pokerface auf, während er über die Zukunft der Rüstungsindustrie sprach. Russland sei in der Lage, alles selber herzustellen. „Zudem ist es eine Frage der nationalen Sicherheit, dass wir auf Rüstungsimporte künftig verzichten müssen“, sagte Putin. Auch wegen der politischen Risiken auf Seiten der Lieferanten.

Ernste Lage

Die scheinbare Selbstsicherheit sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Der Kreml hat den Ernst der Lage durchaus erkannt. Denn auch wenn der Importverzicht wie eine vorbeugende Maßnahme wirkt - de facto sieht sich Russland seit Monaten einem westlichen Waffenembargo gegenüber. „Aufgrund der aktuellen politischen Lage werden keine Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen oder sonstigen Rüstungsgütern nach Russland erteilt“, heißt es etwa beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das über Rüstungsgeschäfte deutscher Firmen wacht.

Chronologie - Dramatische Tage auf der Krim

Im vergangenen Jahr genehmigte die BAFA den Export von Waffen und so genannten Dual-Use-Gütern, die etwa in der Waffenproduktion eingesetzt werden können, im Wert von rund 400 Millionen Euro. In diesem Jahr dürfte es ein Bruchteil dieser Summe werden.

Zwar sind aktuell Genehmigungen im Wert von insgesamt 150 Millionen Euro erteilt. Kritische Geschäfte wie etwa die Fertigstellung eines Übungszentrums für die russische Armee durch Rheinmetall versucht die Regierung zu bremsen. Noch offene Genehmigungen aus dem laufenden Jahr belaufen sich auf 2,5 Millionen Euro.

Zweitgrößter Waffenexporteur

Die Liefersummen erscheinen nicht gerade groß. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Russland sich in den vergangenen Jahren zum zweitgrößten Waffenexporteur aufgeschwungen hat. Jährlich liefern russische Panzerschmieden und Flugzeugfabriken Kriegsgerät im Wert von 15 Milliarden Dollar. Die Auftragsbücher von Rosoboronexport, dem für Rüstungshandel zuständigen Staatskonzern, sind mit rund 50 Milliarden Dollar prall gefüllt.

In den vergangenen zehn Jahren konnte Russland seine Exporte vervierfachen. „Das liegt vor allem am wachsenden Waffenbedarf, aber auch an der staatlichen Unterstützung für die Rüstungsindustrie“, erklärt Ruslan Puchow,Direktor des Zentrums für Analyse von Strategien und Technologien in Moskau. Russland hat seine Rüstungsbranche in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Aufträgen gepeppelt und so die Produktion von modernen Waffen ermöglicht. 2013 stieg das Verteidigungsbudget des Landes auf etwa 70 Milliarden Dollar, vier Mal so viel wie 2003.

Russische Exportschlager

Die Einfuhr von tatsächlichen Kriegswaffen nach Russland ist dagegen minimal. Vor zwei Jahren bezifferte Rosoboronexport diese auf knapp 100 Millionen Dollar jährlich. So ist etwa aus Deutschland seit 2005 kein einziger Export von Kriegsgerät genehmigt worden. Die meisten Waffenexporten nach Russland machen dagegen Jagdgewehre und Handfeuerwaffen aus. Größere Deals, wie der heißdiskutierte Verkauf von zwei französischen Hubschrauberträgern, italienischen Geländewagen oder israelischen Dronen, sind eher die Ausnahme.

Die größten Rüstungsschmieden der Welt
Rüstung Quelle: dapd
Krauss-Maffei Wegmann Quelle: dapd
Diehl Stiftung Quelle: dpa/dpaweb
ThyssenKrupp Quelle: dpa
 Rheinmetall Quelle: dpa/dpaweb
Thales Quelle: REUTERS
Finmeccanica Quelle: REUTERS

Anders sieht es dagegen beim Import von Komponenten oder von Maschinen aus, die für die Produktion von Waffen benötigt werden. Hier sind Einfuhren längst zur Norm geworden. So hat sich Russland in den vergangenen Jahren an die Top-10 der Exportmärkte für die französische Rüstungsindustrie herangepirscht. Frankreich lieferte etwa Wärmebild-Optik im Wert von 80 Millionen Dollar, die in russischen T-90 Panzern verbaut wird. Diese wiederum sind ein russischer Exportschlager im Geschäft mit Indien. Der russische Staatskonzern Rostec produziert zudem gemeinsam mit Sagem aus Frankreich Navigationssysteme für Flugzeuge. Diese kommen zum Beispiel in modernen Su-30 Jets, zum Einsatz, die ebenfalls weltweit begehrt sind.

Die Rüstungsweltmeister

Als Achillesferse der Branche bezeichnen Experten zudem den Elektronikbereich. „Rund 50 Prozent der Mikroelektronik für die Rüstungsindustrie müssen importiert werden, während die eigenen Hersteller lediglich die Entwicklungen von gestern nachbauen“, kritisiert Alexander Larionow vom Ingeneurbüro Vympel, das sich auf Raketen spezialisiert.

Andere Experten schätzen die Abhängigkeit von ausländischer Elektronik im High-Tech-Bereich sogar auf 70 Prozent. Deutschland lieferte 2013 genehmigungspflichtige Elektronik im Wert von 20 Millionen Euro, ein Jahr davor waren es 60 Millionen.

Von Importen abhängig

Insbesondere die Krim-Krise hat das Problem der Importabhängigkeit in die russische Öffentlichkeit befördert. Denn die Ukraine war bisher Russlands größter Waffenlieferant. Nun hat Kiew den Export von Rüstungsgütern nach Russland untersagt. Dabei sind insbesondere die Hersteller von Hubschraubern, einem weiteren Exportschlager Russlands, zu 80 Prozent auf Antriebstechnik aus dem Nachbarland angewiesen.

Bereits im Frühjahr wurde die sogenannten Importsubstitution im Rüstungssektor zum Thema Nummer eins in Militärkreisen. Seitdem hat es immer wieder Gespräche auf höchster Ebene gegeben. Zur Zeit arbeite die Regierung an einem detaillierten Plan, erklärte kürzlich Dmitri Rogosin, der für die Rüstungsindustrie zuständige Vizepremier. Dieser soll schon bald Putin und der Regierung vorgelegt werden.

Schon jetzt ist klar, dass die russischen Hersteller sich wohl über einen weiteren Geldregen freuen dürfen. Doch während die Rüstungsindustrie jubelt, bleiben Experten skeptisch. Allein die russische Raumfahrtagentur beziffert die Kosten der Importunabhängigkeit in den kommenden vier Jahren auf eine Milliarde Dollar. „Theoretisch hat Putin natürlich Recht, dass Russland alles selber herstellen könnte“, meint auch der Militärexperte Alexander Golz. Die Kosten dafür dürften allerdings immens sein.

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