Wahl in Norwegen Die Macht der Kleinen

Bei den Wahlen in Norwegen deutet sich ein Sieg der Konservativen an. Doch noch müssen die Stützparteien der Regierungskoalition die Vierprozenthürde überwinden. Sie haben seit jeher eine besondere Rolle. Ein Kommentar.

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Die Zusammenarbeit mit den kleineren Parteien ist für die bisherige Ministerpräsidentin Erna Solberg nicht immer einfach gewesen. Quelle: AP

Stockholm Norwegen hat gewählt. Und doch weiß noch niemand, wie die nächste Regierung in Oslo aussehen wird. Die bisherige Koalition aus Konservativen und der rechtspopulistischen Fortschrittspartei kann sich noch nicht sicher sein, dass sie das Land auch in den kommenden vier Jahren regieren wird. Denn sie sind abhängig davon, dass auch ihre beiden Stützparteien, die Liberalen und die Christdemokraten, über die Vierprozenthürde kommen. Das war am Abend noch nicht klar.

Doch selbst wenn sie es schaffen, und dafür spricht einiges, warten auf die bisherige Ministerpräsidentin Erna Solberg schwierige Koalitionsverhandlungen. Die Macht der Kleinen wird ihr zu schaffen machen. Denn für die Unterstützung werden sie einen hohen Preis fordern. Das war schon bislang so, Solbergs Regierungszeit war von Kompromissen geprägt.

So musste sie immer wieder ihrem Juniorpartner, der Fortschrittspartei, entgegenkommen und die sowieso schon restriktive Einwanderungspolitik noch ein bisschen mehr verschärfen. Kompromisse waren auch notwendig, um sich die Stimmen der beiden Stützparteien zu sichern. Das wird sich, sollte Solberg auch in den kommenden vier Jahren regieren, nicht ändern. Es könnte sogar noch schwieriger werden. Denn die beiden Regierungsparteien haben gegenüber den Wahlen von vor vier Jahren leichte Stimmverluste hinnehmen müssen.

Dass die von den Sozialdemokraten angeführte Opposition daraus kein Kapital schlagen konnte, liegt an dem katastrophalen Abschneiden der größten norwegischen Partei. Die Sozialdemokraten von Jonas Gahr Støre legten eines ihrer schlechtesten Ergebnisse der vergangenen Jahrzehnte hin.

Støre hatte im Wahlkampf das Bild eines Landes in der Krise gezeichnet und mehr soziale Gerechtigkeit versprochen. Das Problem: Viele Wähler erkannten ihr eigenes Land in seiner Beschreibung nicht wieder. Zwar durchlebte Norwegen nach dem Ölpreissturz tatsächlich eine Krise, bei der rund 50.000 Arbeitsplätze in der Ölindustrie wegfielen. Doch das Land erholte sich schnell wieder, auch, weil man auf andere Industrien wie Fischfang und IT setzte.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei nur 4,3 Prozent, auch das Wirtschaftswachstum ist wieder angezogen. Außerdem ist Norwegen dank der riesigen Öl- und Gasvorkommen eines der reichsten Länder, deren Bürger nach einer Untersuchung der Vereinten Nationen zu den glücklichsten der Welt zählen. Dass er dann im Hochsteuerland Norwegen die Steuern noch ein bisschen anheben wollte, rief Unverständnis selbst im eigenen Lager hervor. Das Krisenbild von Støre entpuppte sich als Trugbild.

Aufs falsche Pferd gesetzt, könnte man auch sagen. Da hilft ihm auch nicht, dass die anderen Parteien des „roten Blocks“, wie die Oppositionsparteien in Norwegen genannt werden, zum Teil deutlich zulegten. Für den ehemaligen Außenminister Støre ist das Abschneiden seiner Partei eine Katastrophe. Immerhin haben seine Sozialdemokraten den norwegischen Sozialstaat über Jahrzehnte geprägt, waren in den vergangenen knapp einhundert Jahren stets stärkste Partei. Den Platz werden sie auch weiter behalten, doch mit einem Verlust von fast vier Prozent liegen sie nur noch knapp vor den Konservativen. Ein Rücktritt von Støre würde niemanden erstaunen.

Für den Klimaschutz ist der Ausgang der norwegischen Wahlen ebenfalls eine Katastrophe. Unabhängig davon, wer künftig das Land regieren wird, ist eines sicher: Die Erschließung neuer Ölfelder selbst in sensiblen Regionen bei den Lofoten oder in der Arktis wird weitergehen. Das haben Solberg und Støre immer wieder betont. Einzig die Grünen haben den Ausbau der Ölwirtschaft kategorisch ausgeschlossen. Umfragen hatten ihnen bis zu acht Prozent der Stimmen vorhergesagt. Doch mit nur rund drei Prozent der Stimmen zählen sie zu den großen Verlierern.

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