Wahl in Österreich Entzauberung der Populisten

Die Populisten sind gescheitert. Am Ende entschied sich der Wähler für Ehrlichkeit statt Propaganda. Für Europa bedeutet das vor allen Dingen eins: Es lohnt sich, für eine offene Gesellschaft zu kämpfen. Ein Kommentar.

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Der ehemalige Grünen-Chef van der Bellen gewinnt die Wahl in Österreich. Damit nimmt er europäischen Populisten den Wind aus den Segeln. Quelle: dpa

Wien Der Laborversuch in Österreich ist für Europas Rechtspopulisten misslungen. Mit einer raffinierten Schlammschlacht in Bierzelten und auf Fernsehschirmen sowie einer postfaktischen Kampagne in den sozialen Medien hatte die ehemalige Haider-Partei FPÖ mit ihrem Kandidaten Norbert Hofer vergeblich versucht, die Hofburg zu erobern und somit das erste rechtspopulistischen Staatsoberhaupt in Westeuropa zu stellen. Doch am Ende ist es anders gekommen: Der proeuropäische, pragmatische und ausgeruhte Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen hat so eindeutig im Duell um das höchste Staatsamt gesiegt, wie es kaum jemand in Österreich für möglich gehalten hätte. Getrost konnte daher der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka noch am Wahlabend zur ARD-Sendung „Anne Will“ nach Berlin jetten. Denn das amtliche Endergebnis nach der Auszählung der Briefwähler am Montag wird den Ausgang der Wahl nicht mehr ändern.

Der Sieg des ehemaligen Grünen-Chefs Van der Bellen entzaubert die Rechtspopulisten. Denn auch im angeblich so postfaktischen Zeitalter zählen am Ende beim Wähler doch Informationen, Analyse und Ehrlichkeit statt Propaganda, Verzerrung und Verführung. Aus der Alpenrepublik kommt mit der Niederlage von Nobert Hofer kein Rückenwind für die Wahlkämpfer Geert Wilders in den Niederlanden und Marine Le Pen in Frankreich. Europa atmet auf.

In Österreich haben sich die Wähler zwischen einer offenen Gesellschaft und einer geschlossenen Gesellschaft klar entschieden. Ein vergleichbares Votum steht auch in den Niederlanden und in Frankreich an. Der Soziologe Harald Welzer nennt die offene Gesellschaft zu Recht das „erfolgreichste Projekt“ der jüngeren Menschheitsgeschichte. Schließlich habe sie Westeuropa seit sieben Jahrzehnten Stabilität, Sicherheit und Wohlstand beschert.

Van der Bellen zeigt mit seinem Wahlsieg, dass es sich lohnt, Marktwirtschaft, Rechtsstaat, Weltoffenheit unerschrocken zu verteidigen. Er demonstrierte in dem fast einjährigen Wahlkampf auch, dass in einer sozial verantwortlichen Hochleistungsgesellschaft Zusammenhalt und Solidarität zum Ziel führen und nicht Spaltung sowie Egoismus.

Diejenigen, die ihre eigenen Vorurteile als Orientierung in einer globalen und unübersichtlich gewordenen Welt brauchen, ließ er nicht links liegen, sondern suchte Gespräche. Dialog statt Ausgrenzung – eine gute Voraussetzung um das zerrissene Land zu versöhnen.

Demokratie in Europa ist ein fragiles Geschöpf. Sie kann von Rechts- und Linkspopulisten leicht beschädigt, missbraucht oder gar zerstört werden. Deshalb ist es notwendig, dass nicht nur Politiker für die Demokratie und Europa einstehen, ihre Errungenschaften vermitteln, sondern auch Unternehmer und Wissenschaftler. Der in Wien geborene Philosoph Karl Popper formulierte: „Hören die Menschen auf, für eine offene Gesellschaft zu kämpfen, ist es mit allem vorbei – mit der Freiheit, mit der Demokratie und mit der Marktwirtschaft.“ Das ist die Botschaft, die von der Bundespräsidentenwahl in Österreich für Europa ausgeht.

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