Wahl zum Bundespräsidenten wird verschoben Gefährliche Operette in Österreich

Österreich bekommt noch immer kein neues Staatsoberhaupt. Schlechter Klebstoff bremst die Nachbesetzung für die Wiener Hofburg aus. Die Posse wirkt lustig – hat jedoch ernste politische Folgen. Eine Analyse.

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Im Juli wurde Präsident Heinz Fischer verabschiedet – doch noch ist kein Nachfolger in Sicht. Quelle: dpa

Wien Kabarettisten hätten es sich nicht besser ausdenken können: Ein mieser Klebstoff verhindert die Wahl des Bundespräsidenten in Österreich. Die Verschiebung der ursprünglich für den 2. Oktober geplanten Stichwahl für das Staatsoberhaupt ist eine Blamage großen Ausmaßes.

Bereits die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die Stichwahl zwischen den ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen und seine rechtspopulistischen Konkurrenten Norbert Hofer wegen Schlampereien bei der Briefwahl wiederholen zu lassen, war eine Peinlichkeit für eine Demokratie im Herzen Europas.

Doch es ist nun noch viel schlimmer gekommen. Einen genauen Termin für den mittlerweile dritten Wahlgang konnte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag in Wien noch nicht nennen. Wahrscheinlich soll es der 27. November oder der 4. Dezember werden. Das Parlament muss nur mit einfacher Mehrheit über die Verschiebung der Wahl entscheiden.

Die fehlerhaften Klebestreifen auf den Wahlkarten waren den Bürokraten im Innenministerium zu spät aufgefallen. Die Druckerei konnte nicht mehr rechtszeitig reagieren. Österreich wird mit diesem administrativen Fiasko zu einer Lachnummer. Für die Wahl-Operette übernimmt in Wien niemand die Verantwortung.

Eigentlich ist der Rücktritt des für die Bundespräsidentenwahl zuständigen Innenminister Wolfgang Sobotka fällig. Doch der studierte Musiklehrer und leidenschaftliche Hobbydirigent plaudert sich einfach durch diesen unglaublichen Skandal. Die politische Klasse Österreichs liefert damit einen weiteren Nachweis für die nicht vorhandene Rücktrittskultur.

Leicht könnte man die Irrungen und Verwirrungen um die Bundespräsidentenwahl als unfreiwillig lustige Episode abtun. Doch die Unfähigkeit eine ordentliche Wahl zu organisieren, beschädigt das ohnehin schon geringe Vertrauen vieler Österreicher in ihre Exekutive und Legislative. Über Jahrzehnte war das höchste Staatsamt ein Erbhof der beiden Großparteien SPÖ und ÖVP. Doch deren Kandidaten schieden im ersten Wahlgang mit miserablen Ergebnissen erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik aus. Das bisherige System befindet sich in Selbstauflösung.


Österreich vor der Zerreißprobe

Das Fiasko um die Bundespräsidentenwahl illustriert die Zerreißprobe, in der sich Österreich befindet. Die verkrustete Zweite Republik – wirtschaftlich ohnehin nur noch Mittelmaß – ist geteilt. Auf der einen Seite des alten Zweiparteiensystems steht eine Unfähigkeit zur Modernisierung von Staat und Wirtschaft, auf der anderen der gnadenlose Populismus von rechts.

Die Führungsfähigkeit der Politiker wird von immer mehr Bürgern angezweifelt. Der Hoffnungsträger Christian Kern versprühte bei seinem Amtsantritt im Mai 2016 viel Optimismus – ein Neuanfang schien möglich. Doch er findet bislang noch nicht die Reset-Taste, um Österreich neu zu starten. Das Durchwurschteln in der zerrütteten Ehe von SPÖ und ÖVP geht noch weiter – zumindest bis Österreich in der Lage ist, endlich einen neuen Bundespräsidenten für die seit Monaten verwaiste Hofburg zu wählen.

Die Bevölkerung ist des Wählens überdrüssig. Die Operette um die Verschiebung der Bundespräsidentenwahl wird die Wahlbeteiligung noch weiter in den Keller schicken. Das ist in diesem Fall besonders fatal. Denn bei der Stichwahl im Mai siegte der ehemalige Grünen-Chef und Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen (72) mit nur rund 30.000 Stimmen Vorsprung gegen den Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer (45).

Wie geht die nun verschobene Wahlwiederholung, welche die FPÖ durchgesetzt hat, aus? In der zerrissenen Alpenrepublik könnte es Hofer am Ende besser gelingen, seine treue Anhängerschaft zu mobilisieren. Dann hätte Österreich als erste westliche Demokratie einen Rechtspopulisten als Staatsoberhaupt.

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