Wahl zum Parlamentspräsidenten Parlamentarisches Postengeschacher

Guy Verhofstadt zieht sich überraschend aus der Kampfabstimmung um die Nachfolge vom EU-Parlamentspräsident zurück. Im Gegenzug bekommt Verhofstadt einen Posten für die Liberalen – im Parlament sowie in der Kommission.

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Der Chef der liberalen Alde-Fraktion hat seine Bewerbung als Parlamentspräsident zurückgezogen – stattdessen unterstützt er einen Konkurrent. Quelle: Reuters

Brüssel Eigentlich geht es heute in Straßburg nur um ein Amt: Das Plenum des Europaparlament wählt einen neuen Parlamentspräsidenten. Martin Schulz räumt den Posten nach zwei jeweils zweineinhalbjährigen Amtszeiten und wechselt in die Bundespolitik in Berlin. Um die Nachfolge wollten sich eigentlich sieben Kandidaten bewerben. Doch unmittelbar vor Beginn der Abstimmung zog einer seine Kandidatur zurück: Guy Verhofstadt, Chef der liberalen Alde-Fraktion will nicht mehr Parlamentspräsident werden und unterstützt stattdessen den Bewerber der christdemokratischen EVP, Antonio Tajani.

Den Rückzug ließ sich Verhofstadt von der EVP gut bezahlen: Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion versprach ihm,  zwei wichtige Posten an liberale Politiker zu geben. Einer davon befindet sich gar nicht im Europaparlament, sondern in der EU-Kommission: Kommissionschef Jean-Claude Juncker soll eine Frau zum Vize berufen, die den Liberalen nahesteht: Entweder EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager oder EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sollen Vizepräsidentin der Kommission werden. Das habe die EVP Verhofstadt versprochen, sagte ein Sprecher des Parlamentariers auf Anfrage. Da Kommissionschef Jean-Claude Juncker der christdemokratischen EVP angehört, könne die EVP ein solches Versprechen abgeben.

Verhofstadt sicherte sich noch einen zweiten Posten: Ein Liberaler soll Chef der Gruppe der Ausschussvorsitzenden im Europaparlament werden und damit entscheidenden Einfluss auf die politische Themensetzung in den Ausschüssen bekommen. Verhofstadt setzte außerdem durch, dass das Europaparlament eine „Reflektionsgruppe“ über die Zukunft der EU einsetzt. Der ehemalige belgische Premier fordert seit langem eine EU-Vertragsreform mit dem Ziel, die EU-Staaten enger zusammenzubringen. Dafür gibt es in der EU momentan kaum Unterstützung.

Die Absprache zwischen der christdemokratischen EVP und der liberalen Alde bedeutet nicht, dass EVP-Kandidat Antonio Tajani heute die absolute Mehrheit auf sich vereinigen kann. Tajani ist umstritten – nicht zuletzt wegen seiner Nähe zu Silvio Berlusconi: Sozialisten, Grüne und linke Abgeordnete wollen ihn nicht wählen. Insgesamt könnte es bis zu vier Wahlgänge geben. Das Votum kann sich also bis zum Abend hinziehen.

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