Wahlen in Indien Die Konsequenzen der Bargeld-Krise

Demnächst dürfen die Inder in mehreren Bundesstaaten wählen. Der Urnengang wird zur Abstimmung über den radikalen Schnitt des Regierungschefs – und dürfte den wirtschaftlichen Kurs des Landes stark beeinflussen.

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Die Bargeldreform in Indien trifft vor allem die ärmere Bevölkerung. Quelle: AP

Bangkok Vom indischen Regierungschef Narendra Modi heißt es, dass er statt zu schlafen nur ein paar Atemübungen machen muss. Seine Yoga-Techniken wird der Politiker in den kommenden Wochen brauchen: Ihm steht ein Wahlmarathon in fünf Bundesstaaten bevor, der sich über mehreren Wochen hinziehen und seinen vollen Einsatz fordern wird.

Selten wurden regionale Parlamentswahlen in Indien mit so großer Spannung erwartet – und selten dürften sie so großen Einfluss auf den gesamten Subkontinent gehabt haben. Nur drei Monate nach der radikalen Bargeld-Reform sind die an diesem Wochenende beginnenden Urnengänge vor allem eine Abstimmung über die Politik des Regierungschefs und seine wirtschaftsliberale Agenda.

Sein größter Coup hallt noch immer nach. Am 8. November erklärte Modi 500- und 1000-Rupien-Noten per TV-Ansprache kurzerhand für ungültig – und damit rund 86 Prozent des indischen Bargeldbestandes. Der überraschende Schritt stürzte Teile der indischen Wirtschaft in eine Krise. Über Wochen mussten viele Inder stundenlang an Bankautomaten warten, um endlich wieder an Bargeld zu kommen. Vor allem die arme Bevölkerung ohne Kreditkarten und Smartphones musste leiden.

Die Regierung preist den Kahlschlag als notwendiges Instrument gegen Korruption und Steuerhinterziehung – und Modi präsentiert sich nun als starker Mann, der die Betrüger zur Rechenschaft zieht. In seinen Wahlkampfreden spricht er von einem „heiligen Moment” und verklärt die Entbehrungen der Bevölkerungen schon fast zu einem religiösen Opfer. Ob die Maßnahme das wirtschaftliche Durcheinander tatsächlich wert war, ist unter Ökonomen dagegen höchst umstritten.

Klar ist, dass Modi vor den wichtigen Wahlen alles auf eine Karte gesetzt hat. Ob er mit der Bargeld-Reform sein Macher-Image gestärkt hat oder das Chaos seine Organisationsfähigkeit in Frage stellt, darüber gehen die Meinungen in der indischen Bevölkerung weit auseinander. Nach den Wahlen wird man schlauer sein: „Die Ergebnisse der Regionalwahlen werden ein Hauptindikator für die Parlamentswahlen 2019 und darüber, wie Modis Kampf gegen das Schwarzgeld gesehen wird”, urteilt die Bank of America Merrill Lynch.

Die Opposition sieht in der Bargeld-Reform endlich einen wunden Punkt des lange unangreifbar wirkenden Regierungschefs. Und sie hat sich zusammengetan. Im wichtigsten Bundesstaat Uttar Pradesh haben die Kongresspartei und der Samajwadi Partei Akhilesh Yadav ein linkes Bündnis geschmiedet. Sollten sie regional erfolgreich sein, wird der aufstrebende Samajwadi-Chef Akhilesh Yadav bereits als möglicher Gegenkandidat gehandelt. Er wäre ein „eine bedeutende politische Bedrohung für Modi und mögliche Alternative als nationaler Anführer”, analysiert das Beratungsunternehmen Eurasia.


Ass im Ärmel

Vor den Wahlen hat der Regierungschef allerdings noch einmal ein Ass aus dem Ärmel geschüttelt. Diese Woche hat die Regierung einen spendablen Haushalt vorgelegt. In einer lang erwarteten Rede kündigte Finanzminister Arun Jaitley eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Armutsbekämpfung an. Das dürfte Modi bei den nun anstehenden Wahlen vor allem in Uttar Pradesh helfen, dem mit fast 200 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Bundesstaat, der stark ländlich geprägt ist.

Sollte Modi erfolgreich sein, hätte er die nötige Rückendeckung seine Reformagenda weiter umzusetzen. Außerdem käme er seinem Ziel einer Mehrheit im indischen Oberhaus etwas näher. „Ein starkes Abschneiden der Modi-Partei könnte die Kräfteverhältnisse stark verändern und damit auch dich die langfristigen Wachstumsaussichten”, analysiert Shilan Shah, Indien-Ökonom des Beratungsunternehmens Capital Economics.

Bisher sind Modis Regierungspartei BJP und ihre Verbündeten im Oberhaus deutlich in der Unterzahl – und konnten wichtige Reformvorhaben deswegen nicht umsetzen. Noch immer wartet die Wirtschaft deswegen beispielsweise auf eine dringend benötigte Vereinfachung der Landvergabe.

Das zeigt sich auch in Zahlen: Auf dem Ease of Doing Business Index der Weltbank, den Modi selbst als Gradmesser für seinen Erfolg nimmt, hat sich Indien kaum verbessert und rangiert weiterhin nur auf Platz 130 von 190 Staaten. Zwar wird die indische Volkswirtschaft laut dem Internationalen Währungsfonds dieses Jahr um 7,2 Prozent wachsen und wäre damit die dynamischste große Volkswirtschaft der Welt. Doch hatte Modi ein Wachstum von deutlich mehr als acht Prozent versprochen. Ohnehin sind die offiziellen Wachstumszahlen mit Vorsicht zu genießen: Wirtschaftsindikatoren wie die Industrieproduktion zeigen traurigeres Bild.

Klar ist aber auch, dass Modi seine Pläne noch nicht verwirklicht sieht. Dass er 2019 wieder antreten wird, steht außer Frage. Wie gut seine Chancen sein werden, weiß er bereits am 11. März, wenn die Ergebnisse der Wahlen in den Bundesstaaten bekannt gegeben werden. Dann wird sich zeigen, ob die Ära Modi gerade erst beginnt – oder sich bereits wieder dem Ende nähert.

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