Wahlkampf-Debatte in Frankreich Macron gewinnt, Fillon kommt zurück

Le Pen gegrillt, Macron gewinnt, Fillon zurück im Rennen: Im französischen Präsidentschaftswahlkampf hat die erste TV-Debatte Aufschlussreiches geliefert. Vor allem, dass Neuling Emmanuel Macron keine Nerven zeigt.

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Emmanuel Macron und Francois Fillon am Montagabend während der Aufzeichnung beim Privatsender TF1: Die Diskussion war eine Premiere, denn noch nie in der Geschichte Frankreichs haben sich die Kandidaten bereits vor dem ersten Wahlgang in einer Fernsehsendung aneinander gemessen. Quelle: AFP

Paris Marine Le Pen war die Schnellste. Allerdings nur bei der Vorbesichtigung des Studios: Vor allen anderen Kandidaten ließ sich die Präsidentschaftsbewerberin des rechtsextremen Front National den Ring aus Acrylglas-Pulten zeigen, den der Privatsender TF1 am Montagabend als Rahmen für eine Debatte der fünf derzeit bestplatzierten Politiker aufgebaut hatte. Die Diskussion war eine Premiere: Noch nie in der Geschichte der Französischen Republik haben sich die Kandidaten bereits vor dem ersten Wahlgang in einer Fernsehsendung aneinander gemessen.

Vier starke, in zahlreichen Wahlkämpfen, teils in Vorwahlen gestählte Redner – der Konservative Francois Fillon, der Linke Jean-Luc Mélenchon, der Linkssozialist Benoit Hamon und Le Pen trafen auf einen Novizen, Emmanuel Macron. Sechs weitere vom Staatsrat bestätigte Kandidaten waren nicht eingeladen: TF1 wurde dafür von drei der Teilnehmer kritisiert, auch wenn es der Flüssigkeit und Intensität der Debatte zweifellos gedient hat.

Die Medien erwarteten einen Kampf aller gegen Macron, weil der als unabhängiger Kandidat mit den derzeit – neben Le Pen – besten Umfragewerten die Kreise aller anderen stört. Doch am Abend musste sich Marine Le Pen zunächst der heftigsten Angriffe erwehren. „Sie provozieren“, „sie hetzen die Franzosen gegeneinander auf“, „sie machen aus dem Misstrauen gegen Muslime ihre politische Handelsware“, warfen ihr Mélenchon, Macron und Hamon vor.

Einer, mit dem man angesichts seiner Skandale um Scheinbeschäftigung von Familienangehörigen kaum noch gerechnet hatte, machte eine eher starke Figur: Fillon. Er hatte offensichtlich die beste Strategie gewählt, gab den ruhenden Pol, stellte seine eigenen Vorschläge deutlich dar, griff die Gegenspieler nur selten, aber dann treffsicher an, etwa Le Pen, als sie Verteidigungsausgaben in Höhe von drei Prozent der Wirtschaftsleistung in Aussicht stellte: „Das kann man nicht ernst nehmen, Sie versprechen hier Geld, das sie nicht haben.“

Überlegen wirkte Fillon auch, als er Le Pen bei ihrem schwächsten Punkt packte, der Forderung nach dem Euro-Austritt, den sie von sich aus in drei Stunden nicht thematisierte: „Sie reden hier von Kaufkraft, dabei wollen sie das Land mit ihrem Euro-Austritt in den wirtschaftlichen K.o. schicken, sie wollen den Ruin der französischen Sparer und der Schuldner gleichzeitig.“ Fillon hatte außerdem unerwartetes Glück: Keiner seiner Gegner stellte ihn wegen seiner Skandale zur Rede.


Klarer Sieger in Umfragen

Macron hatte von allen Teilnehmern am meisten zu verlieren, weil er unerfahren und gleichzeitig sehr weit oben in den Umfragen ist. Der Abend war, wenn man die ganze Sendung verfolgte, kein voller Erfolg für ihn. Er schien oft nicht so recht seine Rolle zu finden: Häufig zurückhaltend, manchmal zum Angriff übergehend, dann wieder schweigsam, fast abseits stehend, öfters den verschiedensten Gegenkandidaten recht gebend, aber mit überraschenden Schwierigkeiten, das eigene Programm mit klaren Worten darzustellen, gegen Angriffe der Gegner zu verteidigen. Ganz am Ende hatte er eine starke Phase, als er sein Bekenntnis zu Europa, zu einer starken EU begründete und damit in die Konfrontation mit Le Pen ging.

In einer Blitzumfrage nach dem TV-Marathon gab es dennoch einen klaren Sieger: Macron. 29 Prozent der Befragten fanden ihn am überzeugendsten, gefolgt von Mélenchon, der einen guten Auftritt hatte, mit 20 und Fillon mit 19 Prozent. Gar 30 Prozent attestieren Macron das beste Programm und 31 Prozent, er habe die richtigen Eigenschaften, um Präsident zu werden. Bei dieser Frage folgen Fillon mit 24 und Le Pen mit 17 Prozent. In den nächsten Tagen wird man sehen, wie die Tiefenwirkung der Debatte auf die Wahlabsichten ist.

Fast dreieinhalb Stunden antworteten die Kandidaten auf die Fragen der beiden Moderatoren zur Bildung, zum Laizismus, zu Ökologie und Arbeitsplätzen, zur Arbeitszeit und dem Sozialsystem und schließlich zu Frankreichs Rolle in der Welt. Erstmals in einer politischen Debatte gehörte zu den Spielregeln, dass die Kandidaten sich auch ins Wort fallen und gegenseitig zur Rede stellen konnten. Und sie durften eigene Anhänger auf den Tribünen hinter sich platzieren, die allerdings keine Beifalls- oder Missfallensäußerungen von sich geben durften.

Gleich mit seinem Eingangsstatement platzierte Fillon seine wichtigste Botschaft: Er wolle der Präsident sein, „der Frankreich wieder aufrichtet“. Einen „unberechenbaren amerikanischen Präsidenten, chinesische Dominanz im Handel, die mörderische Bedrohung durch den IS“ nannte er als größte Gefahren für sein Land.

Für Mélenchon sind die größten Risiken der Klimawandel und die Bedrohung des Ökosystems, Kriege, in die Frankreich durch Bündnissysteme verwickelt werden könne, die er nicht will. Als erstes werde er die „Präsidential-Monarchie“ beseitigen, den die Fünfte Republik verkörpere, versprach der äußerst eloquente Linksaußen.


„Im Gegensatz zu ihnen, Madame Le Pen“

Macron vergeigte sein Auftaktstatement, er sprach zu lange über seinen persönlichen Werdegang und zu wenig über seine konkreten Vorhaben. Le Pen hielt es wie Fillon: Sie legte es hauptsächlich darauf an, ihre Kernbotschaften zu platzieren. Sie sei die „Garantin der nationalen Unabhängigkeit und der territorialen Integrität“, sie werde „den Kindern Frankreichs zuerst helfen, wir werden uns wiederbewaffnen im internationalen Wettbewerb, ohne uns von irgendwelchen supranationalen Strukturen maßregeln zu lassen.“

Die wohl härteste Konfrontation der ganzen Debatte entzündete sich am Thema Arbeitszeit und Kaufkraft. Fillon und Macron standen gegen Mélenchon und Hamon, die die Franzosen noch kürzer arbeiten lassen wollen. Fillon griff aber auch Macron an: „Sie wollen Verhandlungen über die Arbeitszeit in den Unternehmen, aber gleichzeitig die 35-Stunden-Woche im Gesetz beibehalten“, warf der Ex-Premier dem Sozialliberalen vor. So sei es immer: Macron nehme ein wenig von links und ein wenig von rechts, lege sich aber nicht fest, sagte Fillon.

Erstaunlich war, dass sich Macron ausgerechnet bei den wirtschaftlichen Kernfragen sowohl von Fillon als auch von den beiden Linken Hamon und Mélenchon in die Defensive treiben ließ. Denn hier hat er die größte Erfahrung und über wirtschaftliche Themen spricht er in der Regel souverän und überzeugend.

Selbstsicher und überzeugend war Macron dagegen bei den für ihn eher neuen Themen wie Sicherheit, Laizismus und internationale Beziehungen. „Im Gegensatz zu ihnen, Madame Le Pen, will ich nicht mit Putin paktieren, im Gegensatz zu Ihnen will ich ein starkes, aber verantwortungsvolles Frankreich und im Gegensatz zu ihnen will ich ein Frankreich in einem starken Europa“, hielt er der rechtsextremen Frontfrau vor.

Wenn die Wirkung Macrons auf die Millionen Fernsehzuschauer so ist, wie die Blitzumfrage es feststellt, kann er mit der Debatte mehr als zufrieden sein: 34 Tage vor dem ersten Wahlgang liegt er stabil vorne oder gleichauf mit Le Pen, die er im zweiten Wahlgang klar schlagen würde. Mit der TV-Debatte hat der erst 39-Jährige eine weitere Hürde auf dem Weg in den Elysée-Palast genommen.

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