Wahlkampf in Frankreich Macron setzt auf vorsichtige Reformen

Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat erste Angaben zu seinem Programm gemacht. Ein Revolutionär ist er nicht. Der Ex-Wirtschaftsminister weiß, dass man Franzosen nicht zu Reformen zwingen kann.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der französische Präsidentschaftskandidat will Reformen wagen, ohne Beamte oder Arbeitslose zu sehr zu verprellen. Quelle: Reuters

Paris Seit Wochen muss sich der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron anhören, dass er noch kein Programm hat. Nun kommt der Sozialliberale mit seiner Bewegung „En Marche“ in Fahrt. Das Programm, das nun schon zum Teil vorgestellt wurde, hat drei wesentliche Komponenten: Der Staat soll modernisiert, die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger und der Arbeitsmarkt reformiert werden. Der Haupttenor des Programms: „Das Wachstum in Frankreich ist zu schwach und muss angekurbelt werden“, betonten Jean Pisani-Ferry und Macrons Wirtschaftsexperten. Am 2. März sollen weitere Einzelheiten zum Wirtschaftsprogramm folgen.

Konkret will Macron Frankreich eine maximale Neuverschuldung von drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) verordnen, im Jahr 2017 sieht er 2,9 Prozent vor. Im Jahr 2022 soll tatsächlich nur noch ein Prozent erreicht werden. Die gesamte Staatsverschuldung soll von heute 97,8 Prozent vom BIP auf 93,2 Prozent im Jahr 2022 fallen.

Dafür will er 60 Millionen Euro Staatsausgaben in fünf Jahren einsparen. Dabei sollen 25 Milliarden im Staatsbudget eingespart werden, 15 Milliarden bei der Krankenversicherung, zehn Milliarden bei lokalen Behörden und zehn Milliarden bei der Arbeitslosenversicherung. Für die Rentenversicherung sind keine Veränderungen vorgesehen, auch keine Verlängerung des offiziellen Rentenalters, das derzeit bei 62 Jahren liegt. Ein geschickter Schachzug, denn Rentenreformen kommen in Frankreich nicht gut an und sorgten bisher immer für soziale Unruhen und Streiks.

Damit geht Macron vorsichtig an die Reformen und verordnet Frankreich nicht gleich eine Revolution, wie sein konservativer Konkurrent François Fillon, der 100 Milliarden Euro und 500.000 Beamtenstellen einsparen will. Derzeit liegen Frankreichs Staatsausgaben bei 55 des Bruttoinlandsproduktes, erreicht werden sollen 52 des BIP. Der Mittelwert der Eurozone liegt dagegen bei 48,5 Prozent.


Wie Macron die Kürzungen erreichen will

Wie will Macron diese Kürzungen genau erreichen? Unter anderem schlägt er vor, 120.000 Beamtenstellen zu streichen, davon 70.000 bei den lokalen Behörden, 50.000 beim Zentralstaat. Sie sollen wegfallen, wenn Beamte in Rente gehen. Jeder Minister soll zudem ein Sparziel auferlegt bekommen. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung soll die Zeitdauer reduziert werden. Außerdem wird es eine Neuorganisationen für unregelmäßige Arbeitsverhältnisse geben.

Es ist allerdings nicht geplant, die Arbeitslosenversicherung degressiv zu gestalten oder den im Europavergleich extrem hohen Plafond von 6200 Euro im Monat zu verringern. Durch strukturelle Reformen hofft Macrons Team, dass die Arbeitslosenquote von zehn Prozent auf sieben Prozent im Jahr 2022 fallen könnte.

Es soll nicht beim Sparen bleiben, um Frankreich zu reformieren. Macron will 50 Milliarden Euro öffentliche Gelder für die Zukunft investieren, davon 15 Milliarden im Energiebereich und 15 Milliarden für Ausbildung. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, sieht er weniger Steuern und Abgaben für Unternehmen und Privatleute vor. Die Steuern für Unternehmen sollen von 33,3 Prozent auf 25 Prozent sinken. Wie es für Privatleute aussieht, ist noch unklar.

Die Vermögenssteuer ISF, die auf alle Werte wie Immobilien, Geld oder Gemälde anfällt, dürfte auf die Immobilien beschränkt werden. Auf Kapitalerträge wie Dividenden, Mieteinnahmen und Zinsen soll die Steuer vereinfacht und gesenkt werden, damit mehr investiert wird. Sie soll künftig bei 30 Prozent liegen.

Macron plädiert auch für eine starke Position Europas, mehr Integration der Eurozone und ein echtes Budget, das von einem Finanz- und Wirtschaftsministerium verwaltet werden soll. In einem Interview mit „Les Echos“ betonte er in Bezug auf sein Programm: Frankreich müsse Deutschland in den ersten sechs Monaten der neuen Amtszeit des Präsidenten beweisen, dass es ein „zuverlässiger Partner“ sein. Nur mit strukturellen Reformen könne man das Vertrauen der Deutschen gewinnen.

In Frankreichs Medien bekam das Programm auch gleich eine Wertung: Es sei mehr sozialdemokratisch als sozialliberal, hieß es etwa bei dem Radiosender RTL, ein vorsichtiges, vernünftiges Programm. Deshalb ist auch die Hypothese des Wirtschaftswachstums mäßig: Unter zwei Prozent im Jahr. Für 2017 nur 1,4 Prozent, für 2022 dann 1,8 Prozent. Wirtschaftsexperten sehen nur 1,2 Prozent für 2017 voraus, es wäre also eine kleine Erhöhung.

Macron weiß, dass man die Franzosen, die gerne auf den Straßen protestieren, nicht mit der Peitsche zu Reformen zwingen kann, sondern eher behutsam im Vorbeigehen. Er wagt Reformen, ohne Beamte oder Arbeitslose zu sehr zu verprellen. Und ohne gleich die ganze Linke zu verschrecken, die sonst schnell zum linken Sozialisten Benoît Hamon überlaufen könnte. Damit versucht er Wählerstimmen sowohl aus dem linken wie dem rechten Lager zu gewinnen. Macron ist ein vorsichtiger Kandidat und kein Revolutionär.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%