Wahlkampf zur Präsidentenwahl Linker Kandidat López Obrador greift in Mexiko nach der Macht

Goldman Sachs sieht eine klare Niederlage der aktuellen Regierung voraus. Die Märkte geben dem linken Kandidaten einen Vertrauensvorschuss.

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Linker Kandidat Andres Manuel Lopez Obrador startet laut Umfragen mit einem deutlichen Vorsprung in den Wahlkampf. Quelle: Reuters

Mexiko-Stadt Drei Mal ist mexikanisches Recht. Nach diesem Motto hat am Ostersonntag Andrés Manuel López Obrador seinen Wahlkampf für die Präsidentenwahl in Mexiko am 1. Juli begonnen. 100 Tage vor der Wahl scheint der Vorsprung des linksnationalistischen Bewerbers vor dem Regierungskandidaten José Antonio Meade und dem rechtsliberalen Bewerber Ricardo Anaya uneinholbar. Mehr als 15 Prozentpunkte liegt López Obrador vor den beiden anderen Aspiranten.

Vor allem die Wut über die aktuelle Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto lassen die Mexikaner massiv für López Obrador stimmen. Aus den Fugen geratener Drogenkrieg mit einer ungekannten Zahl von Morden und anderen Gewalttaten sowie Korruptionsskandale, hohe Inflation und schwaches Wachstum. Die Negativliste der Regierung ist lang.

Im vergangenen Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt um gerade einmal 2,2 Prozent, 2018 wird ein ähnlicher Wert erwartet. Für ein Schwellenland ist das viel zu wenig. „Die Menschen haben die Nase gestrichen voll“, sagt Francisco Martínez, ein Busfahrer, der am Sonntag zur Auftaktveranstaltung von López Obrador nach Ciudad Juárez an der Grenze zu den USA gekommen war. „Jetzt ist dieser Herr mal dran“.

Dieser Herr López Obrador, mit 64 Jahren ältester Kandidat im Rennen, war im Ringen um die Präsidentschaft des zweitgrößten Landes Lateinamerikas schon 2012 und 2006 unterlegen. Vor zwölf Jahren verspielte er einen ähnlich großen Vorsprung wie jetzt in den letzten Wochen des Wahlkampfs gegen den späteren Staatschef Felipe Calderón (2006 bis 2012).

Damals gab es allerdings starke Hinweise darauf, dass Calderón nur mit Betrug an die Macht kam. Zudem wurde López Obrador Opfer einer Diffamierungskampagne. Er sei eine „Gefahr für Mexiko“ und werde das Land in ein zweites Venezuela verwandeln, hieß es damals vonseiten seiner Gegner und der Wirtschaft. Am Ende verfingen diese Behauptungen.

Auch beim dritten Anlauf auf das höchste Staatsamt sah sich AMLO, wie López Obrador entsprechend der Anfangsbuchstaben seines Namens genannt wird, schon vor dem eigentlichen Auftakt des Wahlkampfes ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt.

Aber dieses Mal regiert er gelassener und keilt nicht zurück. Zudem sind die Mexikaner angesichts der Unfähigkeit und Bestechlichkeit der aktuellen und der Vorgängerregierungen so desillusioniert, dass diese Diffamierung kaum noch verfängt. Die Menschen wollen einen maximal radikalen Bruch des Systems. Und dafür steht nun mal der frühere Bürgermeister der Hauptstadt Mexico City am deutlichsten.

AMLO ist der anti-systemische Kandidat, auch wenn er selbst dem Apparat der Mafia- und Korruptionspartei PRI entstammt, die Mexiko von 1929 bis 2001 und nun seit 2012 wieder regiert. Aber der Politiker aus dem Bundesstaat Tabasco verließ die PRI früh, war Mitgründer der Linkspartei PRD und managte von 2000 bis 2005 erfolgreich die Megalopolis Mexiko-Stadt. Er schuf eine Grundversicherung für Arme und Alte und schied mit 84 Prozent Zustimmung aus dem Amt.


Wichtigste Themen: Korruption und Unsicherheit

Auch Goldman Sachs hält einen Wahlsieg von AMLO für nahezu unausweichlich. Die Wähler suchten eine „neue politische Ordnung“ und seien dafür bereit, für den Linkskandidaten zu stimmen, schreibt die New Yorker Investmentbank in einem Bericht mit dem Titel: „Mexiko – 100 Tage Unsicherheit und mögliche Tragödie.“ Es existiere eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die PRI die Wahl verliere und zudem viele Abgeordnete im neuen Parlament einbüße. „Die frühe und deutliche Führung von López Obrador in den Umfragen wird schwer in 100 Tagen aufzuholen sein.“

Zumal Peña Nieto den Mexikanern ein schweres wirtschaftliches Erbe hinterlasse. „Schwaches Wachstum, sinkende Ölförderung, hohe Zinsen und Inflation, schwieriger Zugang zu Konsumentenkrediten und sinkende Realeinkommen“ verbänden sich mit der scheidenden Regierung. Wahlentscheidend würden laut Goldman Sachs aber letztlich die Themen sein, welche die Mexikaner am stärksten sorgen: Korruption und Unsicherheit.

Sollte AMLO die Wahl gewinnen, könnte allerdings vor allem wirtschaftlich bald ein anderer Wind in Mexiko wehen. Der Linkskandidat ist ein Kritiker der Strukturreformen wie der Öffnung des Energiesektors, die er am liebsten zurückdrehen möchte. Zudem ist er gegen den Bau des neuen Flughafens von Mexiko-Stadt, dem Vorzeigeinfrastrukturprojekt von Peña Nieto.

„Trotz allem geben ihm die Märkte einen Vertrauensvorschuss“, urteilt Goldman Sachs. Er habe sich in der jüngsten Zeit „freundlicher gegenüber der Wirtschaft gegeben“. Allerdings könnte es sein, dass sich AMLO weniger einer strengen Haushaltspolitik verschreibt, die Mexikos makroökonomische Daten über die vergangenen Jahre weitgehend stabil gehalten habe.

Am Sonntag beim Wahlkampfauftakt an der US-Grenze schlug der Linkskandidat vor allem nationalistische Töne an und versprach eine gerechtere Gesellschaft. Keine ausländische Regierung dürfe die Mexikaner beleidigen, sagte AMLO an die Adresse der USA gerichtet, ohne diese explizit zu nennen. „Wir verlangen Respekt für die Mexikaner“.

Wirtschaftlich will er vor allem den Binnenkonsum stärken, die nationale Produktion anregen, was man als ein Statement gegen den Freihandel lesen könnte. Zudem will López Obrador Mexiko gleicher machen. Unter ihm werde die Regierung aufhören, „eine Fabrik neuer Reicher zu sein“. „Wir werden die Gehälter der da oben kürzen und von denen hier unten erhöhen.“

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