Waldbrände Kalifornien in Flammen – und am Limit

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Der Exodus aus Kalifornien läuft

Als Newsom im Januar 2019 sein Amt als kalifornischer Gouverneur antrat, stand er unter dem Druck, das von seinem Vorgänger Jerry Brown für schwere Zeiten anlegte Finanzpolster auflösen zu müssen. Es sei viel zu groß, hieß es nicht nur bei den Republikanern, sondern auch in der eigenen Partei.

Dank boomender Digitalwirtschaft und Aktienmärkten war das Finaznpolster auf 21 Milliarden Dollar angewachsen. Nun ist es dahin. Eine Pandemie hatte niemand einkalkuliert.

Das Defizit in diesem Haushaltsjahr wird nun auf mindestens 54 Milliarden Dollar geschätzt. An noch höheren Abgaben und Einschränkungen von Leistungen wird der Staat nicht vorbeikommen. So soll die kalifornische Einkommenssteuer, die zusätzlich zur US-Einkommenssteuer anfällt, in der Spitze von 13,3 Prozent auf 16,8 Prozent erhöht werden.

In der Diskussion ist außerdem eine Sondersteuer von 0,4 Prozent auf Vermögen von mehr als 30 Millionen Dollar. Sie würde rund 30.000 Kalifornier treffen. „Wir kalkulieren mit Einnahmen von 7,5 Milliarden Dollar“, so ihr Initiator, der Abgeordnete Rob Bonta, der Oakland im kalifornischen Landesparlament vertritt. Um Kapitalflucht vorzubeugen – der Nachbarstaat Nevada etwa hat keine eigene Einkommenssteuer – soll die Abgabe auch beim Wegzug erhoben werden, auf einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren.

Die Legalität ist umstritten. Ebenso die Fragen, wie das Vermögen berechnet und die Summen eingetrieben werden sollen. Schon heute verfolgen kalifornische Steuerbehörden ehemalige Einwohner, die zwar in andere Staaten gezogen sind, aber weiterhin für einen kalifornischen Arbeitgeber tätig sind. „Wir sind in einer Ausnahmesituation durch Corona“, argumentiert Bonta. Zudem hätten die Betroffenen schließlich die Möglichkeiten Kaliforniens genutzt, um ihr Vermögen aufzubauen.

Das Datenanalyse-Unternehmen Palantir, das derzeit seinen Börsengang plant, hat überraschend bekanntgegeben, seinen Hauptsitz von Palo Alto nach Denver im US-Bundesstaat Colorado zu verlegen. Tesla und Space X-Gründer Elon Musk droht regelmäßig, sich mit seinen Unternehmen nach Texas abzusetzen. Auch wenn Palantir-Chef Alex Karp schon lange die hohen Lebenshaltungskosten im Silicon Valley als Wettbewerbsnachteil kritisiert, dürften auch die Steuern eine Rolle spielen.

Der Exodus aus Kalifornien läuft. Im vergangenen Jahr wanderten erstmals seit der Finanzkrise mehr Kalifornier aus, als Neuankömmlinge zuzogen.

Viele davon sind Einwanderer, die von der Tech-Branche rekrutiert werden. Noch ist es kein Strom. Das kalifornische Finanzministerium beziffert die Wegzügler für 2019 auf 197.000, rund 150.000Zuzügler kamen in den Golden State. Doch der durch Corona ausgelöste Trend zum Homeoffice könnte den Wegzug verstärken. Zudem liegen viele Arbeitsvisa auf Eis. Oder werden nicht mehr neu vergeben.


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In den Immobilienpreisen zeigt sich das bislang nicht. Zwar haben diese in San Francisco nachgegeben. Aber hauptsächlich bei kleineren Apartments, in denen selten Platz für ein Arbeitszimmer ist. Freistehende Häuser, noch dazu mit Garten, sind weiterhin Mangelware. Wer von zu Hause aus arbeiten kann, zieht deshalb in günstigere und weniger besiedelte Gegenden.

Am Lake Tahoe, einem majestätischen Bergsee, rund vier Autostunden von San Francisco entfernt, sind die Flüchtlinge aus der Bay Area wie Heuschrecken eingefallen. Immobilien sind knapp, es gibt Bietergefechte.

In Boise, im US-Bundesstaat Idaho wird Neuankömmlingen aus dem Golden State geraten, ihre kalifornischen Nummernschilder an den Autos möglichst schnell auszutauschen. Die Einheimischen sind der Konkurrenz satt und fürchten, dass sich die liberale Politik der Bay Area in ihrem mehrheitlich konservativen Landstrich verfängt. „Es sind Invasoren“, hatte Wayne Richey während des Bürgermeisterwahlkamp von Boise gehetzt; und versprochen, eine Mauer zu bauen. Der politische Außenseiter scheiterte zwar kläglich. Doch die Stimmung bleibt angespannt.

Die Kalifornier kämpfen derweil neben löchriger Infrastruktur mit weiteren Herausforderungen. Viele Versicherer kündigen derzeit Feuerpolicen und führen das hohe Risiko durch Waldbrände an. In den Regionen, in denen in den vergangenen Jahren Feuer tobten, dürfen sie das zwar bis Jahresende nicht tun, dank eines von der kalifornischen Regierung verhängten Moratoriums.

Dafür schlagen sie nun in den anderen Regionen zu. Als letzter Notnagel für Gekündigte dient eine vom Staat stabilisierte Versicherung, die allerdings teuer ist und Schadenssummen deckelt. Ähnlich wie die Erdbebenversicherung, die ebenfalls vom Staat gestützt wird. Viele Kalifornier sind nicht gegen Erdbeben versichert. Nicht nur, weil die Versicherung so teuer ist. Sie ist – im Gegensatz etwa zu einer Gebäudeversicherung – nicht von den Banken vorgeschrieben.



Immobilienmakler raten oft von ihr ab. Mit der Begründung, dass bei einem besonders verheerenden Erdbeben die Versicherung ihre Leistungen ohnehin nicht erfüllen kann, weil die Gelder dafür nicht ausreichen.

Der kalifornische Staat hatte im vergangenen Jahr eine große Werbekampagne für die Erdbebenversicherung gestartet. Doch die ist mittlerweile verpufft. Weil es 2019 mehrere größere Erdbeben gab, sind die Versicherungssummen für dieses Jahr verdoppelt worden. Und da es schließlich 2020 ist, wie es mittlerweile oft zynisch heißt, wäre ein massives Erdbeben als weitere Laune der Natur nicht verwunderlich. Es ist schließlich seit über 30 Jahren überfällig.

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