Wall Street: Wieder mehr Risiko wagen Mnuchin dreht Kapitalmarktregulierung zurück

Mit einer Reform der Kapitalmärkte will das US-Finanzministerium vor allem die Verbriefung von Krediten erleichtern. Genau dieser Bereich hat in der jüngsten Finanzkrise aber eine verhängnisvolle Rolle gespielt.

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Wird das Wall-Street-Casino wieder eröffnet? US-Finanzminister Steven Mnuchin will den Handel mit einem Kapitalmarktinstrument, das eine fatale Rolle in der Krise von 2008 gespielt hat, wieder stark deregulieren und sogar noch erweitern. Quelle: AP

New York Die gute Nachricht zuerst, auch wenn sie die weniger aufregende ist: Der Ton der neuen, gut 220 Seiten langen Vorschläge von US-Finanzminister Steven Mnuchin zur Reform der US-Kapitalmärkte ist sehr sachlich, die Empfehlungen sind überwiegend fein abgewogen. In Mnuchins Haus hat der Twitter-Politik-Stil offenbar noch keinen Einzug erhalten. Das galt auch schon für den ersten Teil seiner Empfehlungen, der vor einigen Monaten erschienen ist und sich direkt auf Banken bezieht. Beide Teile zusammen sollen die Leitlinie für US-Präsident Donald Trumps Politik gegenüber der Wall Street bilden.

Sehr genau hinsehen sollte man aber bei Mnuchins Vorschlägen zur Verbriefung von Krediten. Dieser Bereich hat in der Finanzkrise 2008 eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Damals haben Investmentbanken in großem Stil Immobilienkredite gebündelt, in verschiedene Risikoklassen verteilt, sie von Ratingagenturen mit überwiegend viel zu guten Noten beurteilen lassen und an zum Teil ahnungslose Investoren verkauft. Das alles drohte wenig später wie ein Kartenhaus zusammenbrechen und das Weltfinanzsystem mitzureißen – nur der massive finanzielle Einsatz von Regierungen und Notenbanken verhinderte eine noch größere Katastrophe.

Mnuchin ist der Meinung, dass die nachfolgende Regulation dieses Bereichs zu weit gegangen ist. „Die Reformen nach der Krise haben die Verbriefungen im Vergleich zu anderen, traditionelleren Finanzierungsformen wie etwa Bankeinlagen zu sehr benachteiligt“, schreibt der Finanzminister. Die USA vertrauen im Vergleich zu Europa viel mehr auf die Kapitalmärkte und weniger auf herkömmliches Bankgeschäft. Das hat ihnen nach der Krise eine schnellere Erholung ermöglicht. Vor allem deswegen, weil faule Kredite auf Kapitalmärkten zwar zu niedrigeren Preisen gehandelt werden, dabei aber keine Bankbilanzen in Gefahr bringen wie zurzeit etwa in Italien.

Umgekehrt sind in einer Krise Märkte oft weitaus unstabiler als traditionelle Finanzstrukturen. Das hat sich damals in Deutschland gezeigt: Die Genossenschaftsbanken, die fast ausschließlich traditionelles Geschäft betreiben, sind von der Krise weitgehend unberührt geblieben und haben damit besser abgeschnitten als ihre großen Konkurrenten. Auch JP-Morgan-Chef Jamie Dimon betont gerne, dass in der Krise allein die Banken noch Finanzmittel für die Kunden bereitgestellt haben, während die Märkte weitgehend ausgetrocknet seien.


Riskantes Spiel mit Verbriefungen

Mnuchins Vorschläge setzen an mehreren Punkten an. Einmal möchte er erreichen, dass Banken, die verbriefte Kredite in ihrer Bilanz halten, mit weniger Kapital als bisher unterlegt werden müssen. Ihn stört, dass Darlehen höher abgesichert werden müssen, wenn sie verbrieft und gebündelt werden, als wenn sie einzeln in der Bilanz stehen. Bisher gilt hier ein Risikoaufschlag von rund 50 Prozent. Den sollte man nach Meinung von Mnuchin „zumindest nicht erhöhen“, eigentlich möchte er ihn aber senken. Das bringt ihn in Konflikt mit dem Baseler Komitee, das internationale Regeln für Banken und Finanzmärkte erarbeitet. Denn die Baseler haben einen Risikoaufschlag von 100 Prozent ins Spiel gebracht.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Vorschläge, die in eine ähnliche Richtung gehen. So möchte der US-Finanzminister auch, dass Verbriefungen mit hoher Bonität als Liquiditätspolster für Banken anerkannt werden. Außerdem kritisiert er die Regel, dass in vielen Fällen die Banken, die die Verbriefung vornehmen, selber fünf Prozent davon behalten müssen. Er will das nicht ganz abschaffen, aber mehr Ausnahmen durchsetzen. Auch hier ist seine Grundgedanke, dass Verbriefungen mit guter Bonität auch entsprechend besser behandelt werden sollten.

Insgesamt zeigt sich, dass Mnuchin anscheinend sichere Verbriefungen privilegiert sehen möchte. Das setzt freilich voraus, dass immer klar zu entscheiden ist, wie hoch die Bonität solcher Kreditbündel tatsächlich ist. In der Finanzkrise haben Ratingagenturen sie systematisch zu gut eingestuft. Inzwischen vertrauen die Investoren nicht mehr allein auf Ratings, aber ob sie selber die Risiken besser beurteilen können, bleibt fraglich. Das Problem bei Mnuchins Vorschlägen ist daher, dass in einer Krise scheinbar gute Papiere sich plötzlich als schlecht und unverkäuflich erweisen können, so dass sie Verlustlöcher in die Kapitaldecken der Banken reißen und zugleich nicht mehr als liquide Mittel tauglich sind. In dem Fall könnten seine Vorschläge sich fatal auswirken.

Die Empfehlungen des US-Finanzministers auf anderen Gebieten sind offenbar harmloser. So möchte er den Kapitalmarktzugang für kleinere Unternehmen erleichtern. Er will die Liquidität im weit zersplitterten Aktienmarkt verbessern und macht dazu auch detailliierte Vorschläge, die darauf hinauslaufen, große Börsenanbieter zu bevorzugen. Im Handel mit Staatsanleihen möchte er mit zusätzlichen Vorschriften die Transparenz verbessern. Im Derivatebereich sollen die Wertpapieraufsicht (SEC) und die Derivateaufsicht (CFTC), deren Kompetenzen sich zum Teil überschneiden, sich besser abstimmen. Eine Zusammenlegung der beiden Behörden würde nach seiner Ansicht dagegen wenig bringen.

Einzelne Vorschläge des Ministers könnten zu Konflikten auf der internationalen Bühne führen, wie etwa die erwähnten Risikozuschlage für Verbriefungen. Auf der anderen Seite betont Mnuchin aber in vielen Fällen, vor allem beim Derivategeschäft, die Behörden sollten sich besser mit Aufsehern anderer Länder abstimmen und praktikable, „am Ergebnis orientierte“ Lösungen finden. Unter der Überschrift „Amerikanische Interessen vertreten“ finden sich sogar besonders viele Vorschläge zu internationaler Kooperation. Vielleicht will der Minister so verhindern, dass seine Ideen zu wenig nationalistisch klingen.

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