Warum eigentlich... ...gibt es verschiedene Ölpreise?

Beim Öl jagt ein Preisrekord den nächsten. Warum aber gilt für das schwarze Gold zwischen London und New York kein Einheitspreis?

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Der Ölpreis steigt und steigt Quelle: dpa

Seit Beginn der Ölpreisexplosion vor vier Jahren haben wir uns an die fast allabendliche schlechte Nachricht aus dem Fernsehen gewöhnt: schon wieder ein neuer Preisrekord beim Öl. Am nächsten Morgen folgt dann häufig die teilweise Entwarnung: Gewöhnlich scheint der Preis über Nacht um fast ein Prozent gesunken zu sein, während der um seine Benzin- und Heizölrechnung besorgte Deutsche schlief. In den Abendnachrichten sieht es aber wieder ungefähr so aus wie 24 Stunden zuvor, häufig noch schlimmer.

Natürlich gibt es in Wirklichkeit keine derartige Schwankung im Tagesrhythmus. Die Nachrichten kommen von verschiedenen Handelsplätzen in verschiedenen Zeitzonen. Die abendlichen Meldungen über Preisrekorde beziehen sich auf die New Yorker Warenbörse NYMEX, die meist etwas harmloseren morgendlichen Preisstände stammen aus der Londoner City.

Aber warum ist das quer über den Globus gehandelte schwarze Gold in London billiger als in New York? Ist Öl kein homogenes Gut, für das eigentlich ein Einheitspreis gelten müsste?

Nein: Öl ist eben kein Gold, kein chemisches Element wie ein Edelmetall, das sich stofflich nicht unterscheidet, ganz egal, wo es gefördert wird. Rohöl ist ein fossiler Rohstoff, ein vergleichsweise kompliziertes chemisches Gemisch, das in Dutzenden Millionen Jahren in bestimmten Erdregionen aus organischer Materie entstanden ist. Und dieses Gemisch hat in jedem Fördergebiet eine andere Zusammensetzung und einen anderen Wert. Es gelten zwei Faustregeln: Je mehr Schwefel das Rohöl enthält, desto billiger ist es, weil der Schwefel für die Energieleistung nichts bringt und aus Umweltschutzgründen von den Kohlenwasserstoffen im Öl abgetrennt werden muss. Und je geringer die chemische Dichte dieser Kohlenwasserstoffe ist, desto mehr Benzin lässt sich aus einem Fass Rohöl destillieren – darum ist „leichtes“ Rohöl teurer als „schweres“.

In New York wird die Sorte West Texas Intermediate (WTI) gehandelt. Erdöl-Experten haben die Zusammensetzung von WTI vor Jahrzehnten definiert, und die Produktion der meisten Ölquellen in den USA entspricht diesem Standard. WTI ist das Premiumprodukt unter den Ölsorten: Aus einem Barrel (159 Liter) ist im Vergleich zu anderen Sorten kostengünstiger und in größerer Menge Benzin und Diesel, Heizöl und Flugbenzin zu gewinnen.

WTI ist leicht und „süß“ , also schwefelarm. Das gilt im internationalen Vergleich auch für Brent, die in London gehandelte Ölsorte aus der Nordsee, aber im geringeren Maße als für das US-Produkt. Dagegen haben die Golfstaaten und andere exotische Ölexporteure vor allem schwereres und weniger süßes Erdöl anzubieten – schwieriger zu verarbeiten und darum stets ein paar Prozent billiger als die Londoner Nordsee-Ware. Das Produzentenkartell Opec ermittelt regelmäßig den Preis für einen „Opec basket“: In diesem fiktiven Korb wird saudisches, iranisches, venezolanisches und anderes Öl zusammengeschüttet. Kontrakte auf Opec-Oil werden oft auf die Marke Dubai geschlossen, auch wenn das kleine Emirat selber nur noch wenig Öl produziert.

Nach der gängigen Definition haben süße Sorten weniger als ein halbes Prozent Schwefelanteil – Brent zum Beispiel 0,37 Prozent. Bei den sauren Sorten steigt dieser Anteil bis zu sechs Prozent. Ein hoher Anteil von Schwefel und anderen anorganischen Substanzen tritt überdies zumeist in Sorten auf, die den Hauptbestandteil Kohlenwasserstoff in für Ingenieure unangenehmer Form enthalten, also „schwer“ sind. Im Wesentlichen geht es um die Größe der Kohlenwasserstoffmoleküle und ihre Mischung. Das geht von Molekülen mit wenigen Atomen bis zu komplizierten Strukturen aus vielen Hundert Atomen in einem Molekül, wodurch das Rohöl „schwer“ und weniger hochwertig wird. In den vergangenen Jahrzehnten haben Fortschritte in der Raffinerietechnologie tendenziell die Preisrelation zwischen schweren und leichten Ölen vermindert. Von Jahr zu Jahr gibt es allerdings Ausreißer, vor allem wegen der extremen Schwankungen der Nachfrage in den USA. Als im Frühjahr 2006 mehrere nordamerikanische Raffinerien wegen technischer Probleme ausfielen, war Rohöl in New York eine Weile sogar billiger als in London. Für die Spitzenqualität WTI gab es ein paar Monate lang weltweit weniger Nachfrage als für Brent und die sauren Sorten der arabischen Halbinsel.

Dergleichen wird sich so schnell nicht wiederholen, meint Hilmar Rempel von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover: „Unser Problem ist mittelfristig der Rückgang der Reserven, vor allem der besseren Qualitäten.“ In Russland haben das Energieministerium und der Lukoil-Konzern angekündigt, dieses Jahr werde die Produktion hinter das Ergebnis von 2007 zurückfallen: Die bekannten Förderstätten mit leichtem und süßem Öl am Ural gehen zur Neige. Was bleibt, sind qualitativ problematischere Sorten in den sibirischen Fördergebieten. Auch die großen kasachischen Ölreserven bergen Bestände von suboptimaler Qualität, vermutet Rempel.

Darum steckt hinter den unterschiedlichen Preisen in unseren Morgen- und Abendnachrichten ein wirkliches Problem: Das leichte Rohöl aus Nordamerika und der Nordsee geht zur Neige – die verbleibenden großen Reserven der Welt, im Nahen Osten und möglicherweise unter den Weltmeeren, sind eher sauer und schwer zu verarbeiten.

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