Weißrussland „Ich will kein Blut und keine Gewalt“: Oppositionsführerin richtet sich an Demonstranten in Belarus

Erneut sind Tausende bei Protesten festgenommen worden. In einer Videobotschaft appelliert Tichanowskaja an die Menschen, zu Hause zu bleiben.

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Die Oppositionsführerin flüchtete nach der Wahl. Quelle: dpa

Nach einer weiteren Gewaltnacht in Belarus (Weißrussland) hat die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja in einer Videobotschaft die Demonstranten dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben. Unter Druck der Behörden soll sie Berichten zufolge dieses Video noch vor ihrer Ausreise nach Litauen aufgenommen haben.

„Ich will kein Blut und keine Gewalt“, sagte sie in dem Video, das am Dienstag in dem Nachrichtenkanal Telegram veröffentlicht wurde. Dabei liest Tichanowskaja auf einer Couch sitzend eine Botschaft ab und blickt kein einziges Mal in die Kamera.

Die Menschen sollten sich nicht der Polizei widersetzen und die Gesetze respektieren, sagte sie. Die Menschen hätten ihre Wahl getroffen.

Nach der von Manipulationen überschatteten Präsidentenwahl am Sonntag brachen landesweite Proteste aus; es gab Tausende Festnahmen. Die 37-Jährige reiste in der Nacht zum Dienstag in das EU-Land Litauen aus. Dorthin hatte Tichanowskaja zuvor ihre zwei minderjährigen Kinder bringen lassen.

In einem zuvor am Dienstagvormittag veröffentlichten Video rechtfertigte sie ihre Entscheidung zur Ausreise. „Ich dachte, der Wahlkampf hätte mich abgehärtet und mir die Kraft gegeben, alles durchzustehen. Aber wahrscheinlich bin ich doch die schwache Frau geblieben, die ich zu Beginn war“, sagte die zweifache Mutter mit stockender Stimme.

Sie habe diese schwere Entscheidung selbstständig getroffen, niemand habe sie beeinflussen können, sagte sie. „Viele werden mich verstehen, mich verurteilen oder hassen. Aber Gott bewahre, dass die je vor so einer Wahl stehen müssen, wie ich es musste.“

Die politisch unerfahrene Fremdsprachenlehrerin war im Juli als Kandidatin bei der Wahl in der autoritären Ex-Sowjetrepublik registriert worden. Sie war an Stelle ihres inhaftierten Ehemannes angetreten.

Sergej Tichanowski ist ein bekannter Blogger, der im Internet offen Korruption und Missstände unter Staatschef Alexander Lukaschenko kritisiert. Seine Frau wurde zur Hoffnungsträgerin der Opposition.

Die Ausreise überraschte viele Beobachter. Tichanowskaja hatte noch zuvor bei einer Pressekonferenz gesagt, dass sie im Land bleiben werde und weiter kämpfen wolle. Tichanowskaja legte am Montag bei der Wahlleitung offiziell Beschwerde gegen das Ergebnis der Wahl ein.

Dann soll sie stundenlang nicht mehr erreichbar gewesen sein. „Leute, passt bitte auf Euch auf. Kein Leben ist es wert, was jetzt passiert. Kinder sind das Wichtigste im Leben“, sagte Tichanowskaja.

Mehr: Lukaschenko gewinnt umstrittene Wahl in Weißrussland – Ein Toter bei Protesten.

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